Ein Teil seiner Vergangenheit holte Rainer Mauritz in den 1990er-Jahren wieder ein. Nachdem er zum FPÖ-Obmann des niederösterreichischen Bezirks Korneuburg gewählt worden war, wurde eine frühere Verurteilung wieder ein Thema in den Medien. Mauritz war einer jener jungen Burschenschafter, die Anfang der 1960er-Jahre im sogenannten Befreiungskampf für Südtirol mitmischten. Er nahm an der Serie von Attentaten teil, die in die Annalen des neonazistisch inspirierten Südtirol-Terrorismus unter dem Begriff "Kinderkreuzzug" eingegangen sind.

Der Südtiroler Journalist Christoph Franceschini hat in seinem neu erschienenen Buch "Segretissimo – Streng geheim! Südtirol im Fadenkreuz fremder Mächte" ein weiteres Kapitel im Leben des Rainer Mauritz dokumentiert – demnach taucht er in Unterlagen des deutschen Bundesnachrichtendienstes (BND) als dessen Mitarbeiter auf. Laut den Recherchen von Franceschini war Mauritz für den Geheimdienst tätig, als dieser im September 1961 einen Anschlag auf den Hauptbahnhof Roma Termini verüben wollte. Mauritz streitet im Gespräch mit dem STANDARD die Tätigkeit für den BND ab.

Was als Krieg gegen Strommasten begann, endete mit über 30 Toten

Der 1939 geborene Mauritz und andere junge Männer wurden von dem Olympia-Burschenschafter Norbert Burger losgeschickt, um den Terror nach Italien hineinzutragen. Burger, der später die neonazistische NDP gründete, sorgte maßgeblich für die Eskalation in diesem Konflikt. Den ersten Höhepunkt in diesem von Bombenanschlägen, Militäraktionen, Folterpolizisten und internationaler Geheimdienstmitwirkung geprägten Konflikt bildete die sogenannte Feuernacht, die sich im Jänner dieses Jahres zum sechzigsten Mal jährte. Mit der Sprengung von 40 Strommasten, zu denen sich ein Befreiungsausschuss Südtirol (BAS) bekannte, sollte die Weltöffentlichkeit auf die Unterdrückung der deutschsprachigen Minderheit in Südtirol aufmerksam gemacht werden. Was als Krieg gegen Strommasten begann, endete mit über 30 Toten.

Foto: APA

Mauritz gehörte zu einem dreiköpfigen Kommando, das Molotowcocktails im römischen Hauptbahnhof Termini deponieren sollte, die später dank eines speziellen Zünders selbstständig detonieren sollten. Der Anschlag scheiterte, da ein Brandsatz in der Tasche eines von Mauritz' Gefährten explodierte, als dieser gerade mit einem städtischen Bus zum Bahnhof Termini unterwegs war. Dabei zog sich der Mann schwerste Verbrennungen zu, wurde in ein römisches Krankenhaus eingeliefert und später dort auch verhaftet. Mauritz und einem weiteren Komplizen gelang die Flucht, er wurde aber am nächsten Tag von den italienischen Behörden verhaftet. Schuld an den vorzeitigen Detonationen waren die Zünder, die nicht wie gewünscht funktionierten.

Experte im rechtsextremen Milieu

Andere Kommandos sollten die Bahnhöfe Verona, Rovereto, Ala und Trient angreifen. Am Ende detonierten nur jene Brandflaschen, die in Koffern verpackt in den Bahnhöfen von Verona und Rovereto in der Gepäckaufbewahrung deponiert worden waren. Dabei entstand erheblicher Sachschaden. Dem Kommando, das in Trient zuschlagen sollte, explodierte in seinem Auto ebenfalls ein Molotowcocktail. Nachdem das Auto gegen einen Baum gekracht war, wurden die vier Insassen verhaftet. Einer der damals Festgenommenen, Helmut Golowitsch, tritt auch heute noch als "Südtirol-Veteran" im rechtsextremen Milieu auf. Die Gruppe, die den Bahnhof von Ala hätte angreifen sollen, reiste unverrichteter Dinge wieder aus Italien ab.

Polizeifoto der Molotowcocktails, die in Rom hätten eingesetzt werden sollen.
Foto: Polizei

Laut Franceschinis Recherchen löste die Verhaftung von Mauritz und seinen Kumpane im damaligen BND-Hauptquartier im bayerischen Pullach Panik aus. Der Geheimdienst hatte Angst davor, dass bekannt wird, dass einer seiner Agenten an einem Terroranschlag im befreundeten Italien teilgenommen habe. Dies könnte zu Spannungen und Verwerfungen zwischen den beiden Ländern führen, so die Befürchtung. Aber die Sorgen waren unbegründet, nichts kam ans Licht.

Mauritz: "Habe nicht für den BND gearbeitet"

Mauritz wurde im Februar 1962 in Rom zu fünf Jahren und einem Monat Haft verurteilt. Zu Weihnachten 1963 wurden er und die andern sechs Attentäter vom italienischen Staatspräsidenten begnadigt. Danach kehrte Mauritz nach Wien zurück und bewegte sich weiter in rechten Kreisen. Heute führt ihn die FPÖ nicht mehr als Mitglied, wie es seitens der Partei heißt.

Laut Franceschini hat Mauritz vor seiner Verhaftung in Rom Kurierdienste für den BND getätigt, für die er in den damaligen Ostblock fuhr. Mauritz bestreitet jede Tätigkeit für den deutschen Geheimdienst. Er sei zwar mehrmals hinter den Eisernen Vorhang, nach Budapest, gefahren, habe aber "nicht für den BND gearbeitet", wie er im Gespräch mit dem STANDARD sagt. Er könne sich aber vorstellen, dass andere aus den Kommandos für den deutschen Geheimdienst arbeiteten.

In seinem aktuellen Buch leuchtet Christoph Franceschini die Welt der Geheimdienste und deren Treiben in Südtirol aus. Ein Treiben, das auch auf Österreich Auswirkungen hat.
Foto: Raetia Verlag

Laut Franceschinis Recherchen gibt es hingegen kaum Zweifel, dass der deutsche Geheimdienst Mauritz als Mitarbeiter in seinen Akten führte. Das betont auch der Journalist in seiner Stellungnahme. Seitens des BND wird betont, dass "grundsätzlich zu möglicherweise noch lebenden Personen aus datenschutzrechtlichen Gründen keine Auskunft" erteilt wird. Und laut Geheimdienst kann eine Verwicklung von Mitarbeitern in die Anschläge auf italienische Bahnhöfe im Jahr 1961 "nicht bestätigt" werden.

Österreicher im BND

Tatsächlich war es in diesen Jahren nicht ungewöhnlich, dass Rechtsextreme und Alt-Nazis bei dem deutschen Geheimdienst und dessen Vorläufer, der Anfang 1946 entstandenen Organisation Gehlen (OG), unterkamen. Meist reichte es aus, ein strammer Antikommunist zu sein und über ein Netzwerk aus dem Krieg zu verfügen. Die Taten während des Krieges spielten kaum eine Rolle, und alte Seilschaften blieben intakt. So wurden erheblich belastete Nazis mit Empfehlungsschreiben von Ex-Kameraden angeheuert, der in der Hitler-Zeit deren Vorgesetzte waren. Die OG und der BND wurden bis 1968 von Reinhard Gehlen geleitet, der während des Zweiten Weltkriegs die Wehrmachtsspionageeinrichtung Fremde Heere Ost führte, die Erkenntnisse auch durch Folter von sowjetischen Kriegsgefangenen gewann.

Zu den Männern Gehlens in Österreich zählte etwa auch der ehemalige Hitlerjugendführer und spätere FPÖ-Generalsekretär Karl Kowarik, der zusätzlich auch für US-amerikanische Dienste arbeitete. Für den BND beziehungsweise die OG arbeitete auch der Wiener Polizist Karl Josef Silberbauer, der 1944 Anne Frank verhaftet hatte. Der SS-Mann galt als Verhörspezialist und wurde 1943 in die Niederlande versetzt. Das Mädchen hatte sich mit seiner Familie und weiteren Juden und Jüdinnen in einem Hinterhaus in Amsterdam versteckt und dort sein weltberühmtes Tagebuch geschrieben. Die Franks wurden 1944 verraten und in ein Konzentrationslager gebracht.

Nach dem Krieg war der ehemalige SS-Oberscharführer Silberbauer in Wien wieder als Polizist tätig. Er wurde vom "Nazijäger" Simon Wiesenthal 1963 in der Hauptstadt aufgespürt. Ein gegen Silberbauer eröffnetes Verfahren wurde 1964 eingestellt, da er laut dem zuständigen Gericht auf Befehl gehandelt hatte. Von der Organisation Gehlen wurde er als bedeutende "Sonderverbindung" geführt. Silberbauer fungierte als Anwerber potenzieller Nachrichtendienstler in österreichischen NS-Kreisen. (Markus Sulzbacher, 17.12.2021)