Natur, belebt oder unbelebt, kennt keine Grenzen. Wenn es doch eine gibt, Stichwort "Eiserner Vorhang", die sich der Forschung in den Weg stellt, gilt es, Lösungen zu suchen. So geschehen im Jahr 1960. Um den Rechtsanspruch rund um grenznahe Erdöl- und Erdgasvorkommen im niederösterreichischen Weinviertel klar zu regeln, schloss man mit der damaligen Tschechoslowakei ein bilaterales Abkommen auf höchster politischer Ebene. Am 23. Jänner 1960 wurden die "Grundsätze der geologischen Zusammenarbeit zwischen der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik und der Republik Österreich" vereinbart. Ein strenges Protokoll bei jährlich, alternierenden Sitzungen – 1988 etwa in Brünn, 1989 in Wien – stimmte man Forschungsvorhaben ab, besprach wechselseitige Besuche von Geologen und Geologinnen. So entstanden zunehmend auch persönliche Kontakte, viele festigten sich über die Jahre zu Freundschaften.

Kleine Mitbringsel waren stets im Gepäck, kaum ein Tscheche kam ohne den Kräuterbitter Becherovka oder Karlsbader Oblaten über die Grenze. Gelegentlich wurden Wünsche geäußert, Reinhard Roetzel (Geologische Bundesanstalt, GBA) erinnert sich: "Im Mai 1990, nach dem Fall des "Eisernen Vorhangs" waren wir im nördlichen Wiener Becken in Tschechien und der östlichen Slowakei auf Exkursion. Pavel Čtykorý und Pavel Havlíček (tschechischer Geologischer Dienst) haben uns geführt. Zurück ging's via Bratislava, wo wir den Geologen Ján Seneš trafen. Er hatte brieflich gebeten, ob wir ihm einen Rasierschaum mitbringen könnten, da man in ganz Bratislava keinen bekommen könnte, da die Österreicher nach der Wende Bratislava leer gekauft hatten." Für Roetzel war diese Erfahrung "berührend". Doch nicht nur das. "Es war auch und für mich als Österreicher etwas beschämend, wie sehr sich Seneš über den Rasierschaum damals freute." Dass dann 2004 Roetzel und Havlíček federführend die "Geologische Karte der Nationalparks Thayatal und Podyjí / Geologická mapa národních parků Thayatal a Podyjí" mit zweisprachiger Legende herausgeben würden, ahnten beide damals noch nicht: Diese Karte stellt einen international viel beachteten Meilenstein wissenschaftlicher Kooperation dar.

"Die Geologische Karte der Nationalparks Thayatal und Podyjí" mit zweisprachiger Legende – ein Meilenstein bilateraler Kooperation.
Foto: GBA
Geologie verbindet: Reinhard Roetzel (links) und Pavel Havlíček beim Fachsimpeln.
Foto: Vachek

Karten aus der Monarchie: "Verbotene Raritäten"

Harald Lobitzer (GBA), jahrelanger Koordinator bilateraler Austauschprogramme in den Geowissenschaften, hat kulinarische und kartografische Reminiszenzen: "Für die Kollegen in allen ehemals kommunistischen Ländern gilt, dass die jeweilige individuell einschlägige geologische Fachliteratur neben den seinerzeit bei uns gängigen Süßigkeiten und jahreszeitlich unterschiedlichen Delikatessen – wie zum Beispiel Kletzenbrot – in allen Ländern stets sehr geschätzt wurden." Ein Spezifikum waren Karten. "Im ehemaligen Jugoslawien konnte man den Kollegen mit den noch in der Monarchie aufgenommenen und an der GBA zu einem Spottpreis erhältlichen geologischen Spezialkarten 1:75.000 von Dalmatien et cetera eine große Freude bereiten. Sie waren wegen ihres großen Maßstabs verbotene Raritäten." Er war auch öfters in Russland. "In der ausklingenden Sowjetunion waren unter anderem Disketten als kleine Aufmerksamkeiten der große Renner, jedoch wollte der Zoll am Flughafen Moskau-Scheremetjewo immer wissen, ob diese eh nicht mit irgendetwas Unerlaubtem bespielt sind."

Einst beliebte Mitbringsel: Acht-Zoll-Diskette und geologische Karte der Monarchie mit genauer Topografie.
Foto: GBA

Was den zentralasiatischen Raum betrifft, so hat die Paläontologin Gudrun Höck (Naturhistorisches Museum) persönliche Erinnerungen. Zwischen 1993 und 2017 leitete sie zahlreiche große Expeditionen in der Mongolei und arbeite hier – jeweils über mehrere Wochen – mit Nomaden zusammen. Ziel war die Erforschung der Tier- und Pflanzenwelt vor 32 bis acht Millionen Jahren. "Besonders beliebte Mitbringsel waren kleine Werkzeuge, Nähnadeln, Taschenmesser oder auch Stoffe. Erinnerungsfotos kamen ebenso gut an, wie Spielzeuge für Kinder oder Mozartkugeln, die gleich gegessen wurden." Bei der Rückreise hatte sie stets getrocknetes Edelweiß im Gepäck, das sich hierzulande großer Beliebtheit erfreut. "Diese Pflanze ist in der mongolischen Steppe so weit verbreitet, wie bei uns Löwenzahn oder Gänseblümchen", so Höck

Rohstoffsuche in Afghanistan: Eine Kuckucksuhr als Türöffner

Anfang der 1970er-Jahre hatten russische Geologen Beryllium- und Lithiumführende Gesteine in Afghanistan entdeckt. Im Zuge eines Entwicklungshilfeabkommen fuhr 1972 ein Geologenteam der GBA nach Nurestan (Afghanistan). Deren Aufgabe: Herstellen einer geologischen Karte (1 : 50.000) und Detailuntersuchungen. Am 9. Juni begaben sich Gerhard Fuchs, Alois Matura und Othmar Schermann im VW-Bus von Wien via Belgrad, Sofia, Istanbul, Ankara, Teheran nach Kabul (Ankunft: 23. Juni). Eine Reise, die heute in der Form unrealistisch ist. Eines der ersten Ziele der drei Geologen war das Ministry of Mines and Industry, wo sie sich vorstellten. Hier fand auch die "Übergabe der Kuckucksuhr an Chasi Khani", den zuständigen Gouverneur im Ministerium, statt, wie Alois Matura in seinem Tagebuch notierte.

Diese Geste der Österreicher sollte sich als wichtiger Türöffner für die Arbeiten in den nächsten Monaten erweisen. Als es vor Ort Probleme gab, setzte sich Anton Ruttner, der damalige Direktor der GBA, kurzerhand ins Flugzeug Richtung Kabul. Der Besuch war prägend, dazu Ruttner in seinen Memoiren: "Ich werde die Situation nie vergessen, als ich – höchst eigenhändig und unter den Blicken von etwa 20 beturbanten Afghanen – die Uhr an der Wand des Dienstraumes des Gouverneurs befestigte, […]. Unsere Geologengruppe hatte von da an jede nur mögliche Unterstützung von seiner Seite." Somit war alles wieder im Lot.

Im Sommer 1972 freuen sich afghanische Kinder über Zuckerln von Anton Ruttner.
Foto: Matura

Vor dem Abflug kaufte er ein ärmelloses Pelzjäckchen für seinen Enkel; doch Ruttner kannte sich bei Kindergrößen nicht so gut aus. Zurück in Wien wusste er es dann besser. Und so wandte er sich an den Expeditionsleiter Gerhard Fuchs: "Darf ich Sie, bzw. einen der in Kabul verbleibenden Herren bitten, mir ein schönes und gut ausgeführtes ärmelloses Pelzjäckchen zu besorgen und mitzubringen? Es sollte eine Rückenlänge von 52 cm und einen Umfang von mindestens 85 cm haben." Am 15. November schrieb Fuchs: "Das Jäckchen werde ich oder einer meiner Kameraden besorgen. An das Geschäft kann ich mich noch erinnern", im Postskriptum fügte er hinzu: "Die Kuckucksuhr hängt an exponierter Stelle unter dem Bildnis des Königs."

1892: Indische Bitte nach einer Meerschaumpfeife

Zur Vorgeschichte: Der Geologe Carl L. Griesbach (1847-1907) war zunächst in Wien tätig, ehe er im Ausland Karriere machte. Nach einigen Jahren in Afrika ging er 1878 zum Geologischen Dienst nach Indien, wo William King (1834-1900) Direktor war. In den 1880er-Jahren war Griesbach in Afghanistan. 1891 schickte er eine Sammlung von Fossilien, vorwiegend Ammoniten, vom Himalaya nach Wien. Die Adresse: Eduard Suess (1831-1914), Ordinarius an der Universität Wien, damals die erste Instanz in Sachen Geologie. King regte eine Kooperation der Universität Wien und dem Geologischen Dienst in Indien an, um die Fossilien zu bearbeiten. In Wien reagierte man rasch. Die Akademie der Wissenschaften schickte Carl Diener (1862-1928) in den Himalaya.

William King (links) in Indien bat im März 1892 Eduard Suess in Wien um eine Meerschaumpfeife.
Foto: Gemeinfrei / GBA

Den Briefwechsel Suess mit King bearbeitete Helmut Flügel (Graz), so wurde auch nachfolgende Passage evident. Am 9. März 1892 hatte sich King an Suess mit einem persönlichen Anliegen gewandt. Diener sollte ihm eine Meerschaumpfeife mitbringen, mit geologischem Schnitzwerk, so ferne verfügbar; wenn nicht, würde es auch der geschnitzte Kopf des Kaisers tun. "By the way, may I ask you to a kindness for me: that is to send out by Diener a meerschaum pipe for me, not a cigar mouthpice, but a pipe. I should prefer the head carved with some geological device if such are extant. Otherwise a head of the Emperor Franz Joseph, or failing that some other head." Dem Wunsch wurde wohl entsprochen, denn King bedankte sich für eine "magnificient meerschaum pipe" – wie sie aussah, ist nicht überliefert. Diener traf Ende April 1892 in Kalkutta ein und wurde hier von Griesbach begleitet. Die Himalaya-Expedition von 1892 war wissenschaftlich erfolgreich und Diener machte in den nächsten Dekaden eine steile Universitätskarriere.

Diener, das muss betont werden, hat auch braune Schattenseiten. Er war 1922/23 Rektor an der Uni Wien und gehörte der "Bärenhöhlen"-Clique, einer antisemitisch agierenden Gesinnungsgemeinschaft von Professoren an. Unter anderem befürwortete er, wie Klaus Taschwer im STANDARD zeigen konnte, "einen Numerus clausus für jüdische Uni-Angehörige und vor allem Studenten". In der "Reichspost" vom 10. Dezember 1922 (!) unterstützte er ein Memorandum der deutschen Studentenschaft und schrieb auf der Titelseite: "Der Abbau der Ostjuden muss heute im Programm jedes Rektors einer deutschen Hochschule einen hervorragenden Platz einnehmen." (Thomas Hofmann, 13.12.2021)