Den Sinn der FFP2-Masken-Pflicht unterstreicht eine aktuelle Studie aus Deutschland.
Foto: Christof Stache / AFP

Ab Sonntag gilt der aktuelle Lockdown zumindest für Geimpfte und Genesene als beendet. Die FFP2-Masken-Pflicht ist nicht nur in den bisher besuchbaren Geschäften gültig, sondern auch bei Versammlungen, beispielsweise etwa Kulturveranstaltungen. Die Maskenpflicht steht immer wieder in der Kritik – unter anderem im internationalen Vergleich, weil in vielen Ländern etwa auf medizinische statt FFP2-Masken gesetzt wird. Dass die Maßnahmen in Bezug auf die Maskenpflicht sinnvoll sind, verdeutlicht nun auch eine neue Studie aus Deutschland.

Die Forschungsarbeit, erschienen im Fachblatt "PNAS", liefert neue, detaillierte Erkenntnisse darüber, wie stark Masken das Ansteckungsrisiko senken. Das Infektionsmodell stammt vom Max-Planck-Institut (MPI) für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen. In verschiedenen Testszenarien werden Innenraumbegegnungen von einer ansteckenden und einer noch nicht angesteckten Person durchgespielt.

Einen Dämpfer dürfte die Studie für jene bisher ungeimpften Personen liefern, die das Risiko einer Erkrankung ernst nehmen. Befinden sie sich nämlich in der Nähe eines Infizierten, der spricht, sind sie ohne Maske kaum geschützt: Selbst wenn die beiden drei Meter Abstand einhalten, liegt die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung nicht einmal fünf Minuten später bei fast 100 Prozent.

Überraschend schnelle Ansteckung

Dies überraschte sogar Eberhard Bodenschatz, MPI-Direktor und leitender Studienautor: "Wir hätten nicht gedacht, dass es bei mehreren Metern Distanz so schnell geht, bis man aus der Atemluft eines Virusträgers die infektiöse Dosis aufnimmt." Immerhin werden die infektiösen Luftpartikel auf diese Distanz kegelförmig im Raum verteilt und kommen daher relativ verdünnt bei anderen Menschen im gleichen Raum an. Bei mehreren Metern Abstand kommen größere, virusreiche Partikel auch nicht bei anderen an, da sie schwerer sind und bald zu Boden sinken.

Aber selbst kurze, maskenlose Treffen auf Abstand sind mit einem hohen Risiko verbunden, wenn eine Person eine hohe Viruslast hat – was für die Delta-Variante typisch sei, sagt Bodenschatz. Das kann nicht nur in Schulen und Lokalen, sondern auch im Freien problematisch sein.

Vergleich von FFP2- und OP-Maske

Umso wichtiger ist der Schutz, den Masken liefern. Besonders FFP2-Masken, die gut sitzen und an den Rändern dicht abschließen, sind der Studie zufolge effektiv. Tragen eine infizierte und eine nicht infizierte Person ihre FFP2-Maske richtig, so liegt das maximale Ansteckungsrisiko auch auf kurze Entfernung nach 20 Minuten bei etwa 0,1 Prozent. Nach einer Stunde liegt die sehr konservative Schätzung bei einem maximalen Risiko von weniger als 30 Prozent. Der Vergleich mit der medizinischen Maske (oder OP-Maske) zeigt: Sie bietet mit zehn Prozent unter den gleichen Bedingungen – 20 Minuten, kurze Distanz, guter Sitz – ein höheres maximales Risiko als die FFP2-Maske, das aber immer noch sehr weit unter dem Risiko ohne Masken liegt.

An Wangen und im Halsbereich, vor allem aber an den Nasenflügeln lassen schlecht sitzende Masken ungefiltert Luft ein und aus. Dennoch sind nicht an die Gesichtsform angepasste Masken wesentlich besser als gar keine – und noch immer besser als OP-Masken.
Bild: Birte Thiede/MPI für Dynamik und Selbstorganisation

Diese maximalen Wahrscheinlichkeiten einer Ansteckung beschreiben die obere Grenze der Infektionsgefahr. Im Alltag ist das Risiko mit Maske aber geringer. Bei den Berechnungen ging das Team für eine möglichst konservative Schätzung davon aus, dass die ungefiltert an den Seiten der Masken entweichende Atemluft nicht durch die Umgebungsluft verdünnt wird.

In Bezug auf Maskentragende sagt Bodenschatz: "Im täglichen Leben ist die tatsächliche Infektionswahrscheinlichkeit sicherlich zehn- bis 100-mal kleiner." Dieser Sicherheitspuffer sei ohne Maske aber wesentlich geringer, erklärt der ebenfalls an der Studie beteiligte Forschungsgruppenleiter Mohsen Bagheri: "Für eine solche Situation können wir die Virusdosis, die eine ungeschützte Person einatmet, mit weniger Annahmen bestimmen."

Risiko bei schlechtem Sitz ...

Außerdem rechnete die Forschungsgruppe Faktoren mit ein, die bisher nicht in ähnlichen Studien aufkamen. Darunter fällt das Szenario einer schlecht sitzenden FFP2-Maske. "Die Membranen von FFP2- oder KN95-Masken, aber auch von manchen medizinischen Masken filtern extrem effektiv", sagt Bagheri. "Das Ansteckungsrisiko wird dann von der Luft, die an den Rändern der Maske aus- und einströmt, dominiert."

Die Gruppe untersuchte also nicht jene Fälle, die etwa in öffentlichen Verkehrsmitteln als bedenkliche Nasenfreikörperkultur auftreten. Stattdessen geht es um Masken, deren Bügel nicht an die Gesichtsform angepasst sind. Bei schlecht angepassten FFP2-Masken beträgt die Infektionswahrscheinlichkeit in der Studie ungefähr vier Prozent (nach 20 Minuten). Das ist immer noch besser als die maximale Infektionswahrscheinlichkeit bei gut sitzenden OP-Masken.

Dem schlechten Sitz kann man besonders effektiv entgegenwirken, indem die Metallbügel vor dem Aufsetzen in Form eines abgerundeten Ws gebogen werden, wie auch in einem Video demonstriert wird. "Dann gelangen die ansteckenden Aerosolepartikel nicht mehr an der Maske vorbei, und auch Brillen beschlagen nicht mehr", sagt Bodenschatz.

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... und bei nur einem Maskenträger

Wenn nur die noch nicht infizierte Person eine Maske trägt, sinkt das Infektionsrisiko bei einer Distanz von 1,5 Metern im Vergleich zum Szenario ohne Masken. Auch hier kommt es klarerweise auf Begegnungsdauer und Art der Maske an: Ein mit 90 Prozent sehr hohes maximales Infektionsrisiko wird bei einer OP-Maske nach 30 Minuten erreicht.

Trägt die zu schützende Person eine FFP2-Maske, liegt das maximale Risiko nach einer Stunde bei 20 Prozent. Daher ist es wichtig, dass nicht nur jene Personen Maske tragen, die sich selbst schützen wollen, sondern alle. Auch kann ein Mensch ansteckend sein, bevor er Krankheitssymptome entwickelt und womöglich erst dann Sicherheitsmaßnahmen trifft.

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Eingerechnet wurde auch das besondere Verhalten, das Tröpfchen aus Mund und Nase an den Tag legen. Wenn ein Mensch atmet oder spricht, entstehen kleine und manchmal große Flüssigkeitstropfen. Wenn sie nicht als schwere Partikel zu Boden gehen, werden sie leichter. Das bedeutet, dass sie sich länger in der Luft halten. Sie werden aber auch trockener. Stammt ein Tröpfchen von einer infizierten Person, hat es bald eine höhere Viruskonzentration als direkt nach dem Ausscheiden.

Atmet jemand ein solches trockenes Tröpfchen ein, sammelt es Wasser an und wird größer. Das hat zur Folge, dass es mit größerer Wahrscheinlichkeit in der Nase, im Rachen oder in der Lunge hängen bleibt.

Gute Idee an Schulen

Das Fazit der Studie: Liegt die FFP2-Maske eng an, senkt das das Ansteckungsrisiko deutlich. In Zahlen ausgedrückt ist der Schutz bei zwei Personen, die jeweils gut sitzende FFP2-Masken tragen, im Vergleich zu ebenfalls gut sitzenden OP-Masken sogar 75-mal höher. Im Notfall bietet eine OP-Maske aber ebenfalls Schutz – besser als unmaskiert liegt man mit ihr auf jeden Fall. "Unsere Ergebnisse zeigen noch einmal, dass das Maske-Tragen an Schulen und auch generell eine gute Idee ist", sagt Bodenschatz.

Die Studie wurde im üblichen Peer-Review-Verfahren von außenstehenden Fachleuten begutachtet, nachdem sie am 1. Juni eingereicht worden war. Das bedeutet auch, dass Analysen hinsichtlich der Infektiosität von bereits Geimpften und Genesenen nur eingeschränkt in das Modell einfließen konnten. Ganz abgesehen von der neuen Omikron-Variante, die wahrscheinlich infektiöser ist als die Deltavariante, für die die Berechnungen passen dürften.

Schutz durch mehrere Methoden

Physische Distanz ohne Maske ist also ein vergleichsweise wenig effektives Mittel, um sich und andere in der Covid-19-Pandemie zu schützen. Um im Bild des Käsescheibenmodells zu sprechen, das verschiedene Schutzbarrieren mit löchrigen Käsescheiben vergleicht: Abstand halten hilft in der Nähe infektiöser Personen relativ wenig, diese Scheibe hat viele, relativ große Löcher.

Die Grafik des Virologen Ian M. Mackay in deutscher Übersetzung zeigt, wie man sich die Wirksamkeit mehrerer Maßnahmen in der Pandemiebekämpfung vorstellen kann.
Bild: Ian M. Mackay, E.-J. Freyschmidt

Wenn aber tatsächlich medizinische oder FFP2-Masken über Mund und Nase getragen werden, senken sie das Ansteckungsrisiko beträchtlich – vor allem, wenn sie gut sitzen. Die entsprechende Käsescheibe hat weniger und kleinere Löcher. Kommen Masken und Abstand zusammen, ist der Schutz noch besser. Besonders gut funktioniert auch die zusätzliche Schutzmaßnahme der Impfung: Sie senkt vor allem das Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs und minimiert bei einer Infektion oft auch die Virenlast, also die Anzahl der hochinfektiösen Tröpfchen. (sic, 12.12.2021)