Wien – Drei Tage nach der Angelobung präsentiert sich die neu aufgestellte Bundesregierung am Donnerstag in einer Sondersitzung dem Nationalrat. In Erklärungen werden Neo-Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) kundtun, wie sie die kommenden Regierungsmonate gestalten wollen. Zudem wird der Untersuchungsausschuss zu vermeintlichen ÖVP-Affären eingesetzt.

Erst am 12. Oktober wurde zuletzt eine solche Regierungserklärung abgegeben. Damals war die Stimmung im Hohen Haus aufgeheizt. Alexander Schallenberg hatte sich dem Nationalrat als neuer Bundeskanzler vorgestellt – und dabei kein Hehl daraus gemacht, wie viel ihn mit dem Vorgänger nach wie vor verbinde. Er werde mit Sebastian Kurz nicht nur eng kooperieren, sondern auch dessen Kurs fortsetzen, versicherte der frisch angelobte Regierungschef damals, um entgegen seiner diplomatischen Natur reichlich Anlass für Empörung zu bieten. Schallenberg maßregelte die Opposition für Misstrauensanträge und verfrachtete einen Packen Ermittlungsakten, die ihm die Neos auf den Tisch gelegt hatten, mit säuerlicher Miene auf den Boden.

Nehammer will auf Dialog setzen

Am Donnerstag verlief die Regierungserklärung vorerst ruhiger. Aber auch Bundeskanzler Nehammer bedankte sich zuerst bei seinem Vor-Vorgänger Sebastian Kurz (ÖVP) für dessen Arbeit. Kurz selbst schied an diesem Donnerstag endgültig aus dem Nationalrat aus. Seinen Sitz übernahm – erneut – die niederösterreichische Bauernbund-Vertreterin Irene Neumann-Hartberger. Sie hatte im Jänner 2020, gereiht auf dem 16. Platz auf der Bundesliste, beim Amtsantritt der türkis-grünen Bundesregierung das Mandat von Bundeskanzler Kurz übernommen. Nach dessen Abgang als Bundeskanzler im Oktober und Wechsel als Klubobmann unter Inanspruchnahme seines damals zurückgelegten Nationalratsmandats, machte sie den Platz für ihn wieder frei. Kaum acht Wochen später kehrt Neumann-Hartberger nun wieder auf ihren Abgeordnetenplatz im Parlament zurück.

Seine eigene Kanzlerschaft will Nehammer ganz im Zeichen des Dialoges anlegen. Er habe schon in den vergangene Tagen das Gespräch mit den Oppositionsparteien, den Ländern und Sozialpartnern gesucht. Denn nur gemeinsam könne es gelingen, die Pandemie wirksam zu bekämpfen. Nehammer richtete zugleich einen direkten Appell an jene, die sich bisher noch nicht haben impfen lassen. Er verstehe, dass sie unsicher seien und riet ihnen, sich an eine Ärztin oder einen Arzt ihres Vertrauens zu wenden. Wer der Politik misstraue, der solle auch Sozialen Medien misstrauen, sagte Nehammer.

Kogler: "Das Gemeinsame stärken"

"Das Trennende so behandeln, dass es uns nicht unversöhnlich zurücklässt", mahnte Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) in seiner Rede. Er richtete sich an "to whom it may concern", gemeint war aber eindeutig die FPÖ, als er sagte, dass es nicht akzeptabel sei, wenn im Zuge der Pandemiebekämpfung die Ängste von Menschen dafür ausgenutzt werden, um zu spalten und gegeneinander aufzuhetzen. Und es sei ihm nicht egal, "wenn unreflektiert hinter Neonazis und Neofaschisten hinterhergehoppelt wird", während diese durch die Städte marschieren. Wofür er erboste Zwischenrufe von Seiten der FPÖ erntete.

Kogler räumte ein, dass Fehler im Pandemiemanagement gemacht worden seien. Aber das sei unvermeidbar in einer akuten Krisensituation. Für die Zukunft gelte, bei der Bewältigung dieser "schwersten globalen Gesundheitskrise", gemeinsam und so gut wie möglich verantwortungsvoll, umsichtig und vorausschauend zu handeln. Das Virus sei der "heimtückische Feind" und die Impfung, auch wenn sie nicht perfekt sei, "ist das Beste was wir derzeit dagegen haben". Für Kogler gilt es nun, bereits die Weichen für die Zukunft zu stellen. Und genau die fuße auf dem Fundament einer ökosozialen Steuerreform, an der die Regierung nun mit Nachdruck arbeiten werde. (jo, ars; 9.12.2021)