Laufen drinnen oder draußen? Es ist Geschmackssache.

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Wenn's draußen finster ist, der Schnee gatschig und einem der Wind um die Ohren pfeift, denken auch hartgesottene Läuferinnen und Läufer voller Sehnsucht an ein Laufband. Denn darauf lassen sich die Trainingskilometer im Warmen und Trockenen abspulen.

Auswahl gäbe es für kältegeplagte Läuferinnen und Läufer jedenfalls genug. Auf Willhaben finden sich in so gut wie jeder Preisklasse Geräte. Oft sind die Laufbänder praktisch unbenutzt. In vielen Haushalten wird das Laufband nämlich mehr zum Wäscheaufhängen als zum Trainieren verwendet.

Das Phänomen kennt auch der Sportwissenschafter Michael Koller von der Sportordination in Wien. Das Training auf dem Laufband findet er zwar gut und sinnvoll. Aber die Geräte kommen mit einigen Nachteilen daher: Einerseits sind sie so groß, dass sich in den meisten heimischen Wohnungen wohl die Frage stellen wird, ob man wirklich ein Laufband möchte – oder doch das Wohnzimmersofa behalten will.

Genervte Nachbarn

Und sie sind auch schwer, wie Michael Koller aus eigener Erfahrung weiß: Das Hightech-Gerät in der Sportordination im achten Wiener Gemeindebezirk wiegt stolze 500 Kilo, obendrauf kommt dann noch das Gewicht der Läufers oder der Läuferin. Daher musste die Decke im Gründerzeithaus vorsorglich verstärkt werden. Laut sind die Geräte im Betrieb obendrein, was besonders die Nachbarn darunter auf den Plan rufen könnte. Und sehr schnelle Läuferinnen und Läufer stoßen beim Training im Wohnzimmer irgendwann an ihre Grenzen: Das Durchschnittsgerät schafft nämlich um die 16 km/h.

Und dann gibt es noch ein ganz entscheidendes Problem mit dem Laufband, das übrigens – kein Scherz – im England des 19. Jahrhunderts in Gefängnissen zur Bestrafung eingesetzt wurde: Das Training darauf ist sehr monoton. Viele suchen beim Sporteln Ablenkung und schauen fern. Andere schaffen es sogar, zu lesen. Wer einen empfindlichen Gleichgewichtssinn hat, wird mit diesen beiden Optionen wenig Freude haben und stattdessen vielleicht Musik hören.

Aus sportwissenschaftlicher Sicht spricht jedenfalls nichts gegen das Laufband. Das Herz-Kreislauf-System wird drinnen beim Laufen genauso gut trainiert wie draußen. In puncto Lauftechnik gibt es aber Unterschiede. "Auf dem Laufband wird man gelaufen", sagt Sportwissenschafter Koller. Das Band zieht den Fuß nach hinten. Er muss gehoben und wieder aufgesetzt werden. Draußen wiederum muss man sich aktiv abdrücken, um den Fuß nach vorne zu bringen. Somit ist beim Laufen auf dem Laufband weniger Kraft notwendig als bei der Outdoor-Alternative.

Kein Wind

Noch ein Unterschied: Drinnen fällt der Windwiderstand weg, der sich draußen bei höherer Geschwindigkeit, also ab etwa 12 km/h, auch bei Windstille bemerkbar macht. "Da sieht man einen deutlichen Unterschied", sagt Koller. Um den Luftwiderstand drinnen zu simulieren, stellen viele auf dem Laufband 1–1,5 Prozent Steigung ein.

Was die ideale Steigung auf dem Trainingsgerät angeht, kursieren im Netz viele unterschiedliche Theorien. Manche schleppen sich auf dem Laufband im Schneckentempo einen virtuellen Berg hinauf. Das findet Koller nicht sinnvoll: Für die Entwicklung der Grundlagenausdauer sei eine hohe Schrittfrequenz weitaus effektiver.

Grundsätzlich sei aber jede Trainingseinheit auf dem Laufband durchführbar, egal ob Long Jog oder Intervalle. Bei sehr kurzen Intervallen ist der ständige Tempowechsel, den man Schritt für Schritt per Knopfdruck ändern muss, aber mühsam.

Anfängerinnen und Anfängern rät Koller, mit Gehen auf dem Laufband zu starten – und dann erst langsam das Tempo zu steigern. Besonders bei kurzen und schmalen Laufbändern müsse man erst ins Gefühl bekommen, wie weit der Schritt ausfallen darf. Unfälle können auf dem Laufband nämlich zu schweren Verletzungen führen.

Kleines Vermögen

Einen Weg aus der Laufband-Fadesse sucht das amerikanische Unternehmen Peloton. Es hat zuvor bereits das Training am Fahrrad-Ergometer zum Hype und damit zum Millionengeschäft gemacht. Selbiges probiert es nun auch mit dem Laufband. Das Gerät von Peloton ist mit großem Bildschirm ausgestattet, kostet in der günstigsten Variante knapp 2.500 Euro und ist damit schon sehr teuer für ein Trainingsgerät.

Dafür kann man am Bildschirm aus unzähligen Trainingsprogrammen auswählen und mit Menschen auf der ganzen Welt schwitzen. Begleitet und angefeuert wird man dabei von telegenen Trainerinnen und Trainern. Zudem geht es bei "Peloton Tread" nicht nur ums Laufen. Nebenbei wird beispielsweise auch noch mit Hanteln trainiert.

Das kann ein gutes, motivierendes Ganzkörperworkout sein, befindet Michael Koller: "Aber man sollte sich schon überlegen, was man trainieren will." Bei einem Grundlagenausdauertraining mache es Sinn, einen monotonen, niedrigintensiven Reiz zu setzen – also einfach nur dahinzutraben. Und wer Intervalle läuft, braucht keine Hanteln. Wer wiederum Muskeln aufbauen will, wird schwerere Gewichte brauchen – und muss nebenbei nicht auch noch laufen.

Und vielleicht braucht man bei all dem auch keinen Trainer am Bildschirm, sondern die neueste Netflix-Show. Aber das ist Geschmackssache. So wie alles beim Laufen: Die einen brauchen frische Luft und Natur, um nach dem Arbeiten entspannen zu können. Andere nicht.

"Es gibt Typen, die einfach nicht raus wollen", sagt Koller. "Die ziehen das eisern auf dem Laufband durch." Er kennt sogar Athletinnen und Athleten, die ihr gesamtes Marathontraining auf dem Laufband abspulen – und dann nur den Marathon draußen laufen. Empfehlenswert sei das nicht: Weil die Bewegung eben doch ein bisschen anders ist, würden viele aufgrund fehlender Laufökonomie massive Probleme auf den 42 Kilometern haben.

Auch wenn das Laufen auf dem Laufband bei der derzeitigen Witterung verlockend wirkt – das Gefühl, sich bei Kälte und Dunkelheit zum Joggen aufgerafft zu haben, ist unvergleichlich. Das weiß man spätestens danach, bei einer heißen Tasse Tee. (Franziska Zoidl, 12.12.2021)