Überwiegend unbewusst hat der österreichische Erstklassler dieses Jahrganges nun, salopp formuliert, sechs Bundeskanzler erlebt, und man kann nur hoffen, dass sich dieses frühkindliche Trauma nicht nachteilig auf seine künftige Karriere als Staatsbürger auswirkt. Die österreichische Erstklasslerin hat es etwas besser, war doch die mitgemeinte Bundeskanzlerin die Einzige in dieser Riege, der einstimmig und ungeteilt bestätigt wurde, der Republik einen Dienst geleistet zu haben, und damit eine Ermunterung für Frauen, die Politik nicht leichtfertig den Männern zu überlassen. Man sieht ja, wohin das führt.

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) ließ in seinen ersten Auftritten Selbstironie erkennen.
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Zuletzt zu Karl Nehammer. Warum ausgerechnet er, ist nicht ohne weiteres verständlich, aber die seit Neuestem wieder erlaubten Wege schwarzer Landeshauptleute wären unerforschlich wie ihre Pandemiebekämpfung ohne die Routenplanerin aus St. Pölten. Wer in der Dependance der niederösterreichischen ÖVP, im Volksmund Innenministerium genannt, dem Terror famos getrotzt und unerschrocken Flüchtlinge abgeschoben hat, ist höherer Weihen würdig, wenn sich der Weihrauch über dem Vorgänger verzogen hat und Elisabeth Köstinger davon noch zu benebelt ist, um für den Job infrage zu kommen.

Dialogbereitschaft

Man darf Nehammer zugutehalten, dass er in seinen ersten Auftritten Dialogbereitschaft und Selbstironie, also eine Abkehr vom Stil seines Vorgängers, erkennen ließ, von der man im Interesse des Landes nur hoffen kann, es handle sich dabei um mehr als eine neue Form von Message-Control, vielmehr um Ausdrucksformen eines Wesens, das im Innenminister Nehammer nicht ohne weiteres zu erkennen war. Dennoch ist festzustellen, dass er gleich zum Start als Bundeskanzler auf zwei Gebieten gescheitert ist. Gegenüber den Landeshauptleuten, wo es um die dringend nötige Beseitigung des föderalistischen Fleckerlteppichs in der Corona-Bekämpfung geht. Gegenüber dem Bundespräsidenten, der nicht ohne Grund daran erinnert hat, dass es bei einer Regierungsbildung um die Besetzung höchster Staatsämter geht und nicht um Parteilogiken.

Davon ist am Kabinett Nehammer nichts zu merken, sieht man vom neuen Wissenschaftsminister ab, der wie sein Vorgänger ins Amt kam, ohne ÖVP-Mitglied zu sein, und damit eher die Wissenschaftsferne der Partei als eine Abkehr von ihren Logiken signalisiert. Schon gar nicht gilt das für den Innenminister, der auch noch den Dollfußpilz in die Regierung einschleppte, was einer gewissen Parteilogik allerdings nicht entbehrt.

Und dann sind da all jene, die erst vor kurzem mit ihrer Unterschrift erklärt haben, ohne Sebastian Kurz keinen Tag länger Minister sein zu wollen. Und wo sind sie? Besonders glaubwürdig Nehammer, der nicht nur im Amt verblieb, sondern Kurz gleich auch noch als Kanzler beerbt, als hätte es nie ein Bekenntnis zu seiner Rolle gegeben. Jetzt wollen sie alle bei der Begrenzung des Schadens dabei sein, den sie, beflügelt vom Genie, gemeinsam mit ihm angerichtet haben.

Der Schaden für die Volkspartei war aus allen Meinungsumfragen abzulesen, die nicht aus dem eigenen Haus kamen. Die schwarzen Landeshauptleute forderten seine Begrenzung, und die Aufgabe des Kabinetts Nehammer ist es, ihn bis zur nächsten Wahl zu begrenzen. Dabei kann die Pandemiebekämpfung nur stören. (Günter Traxler, 10.12.2021)