Joe Biden sieht es als den großen politischen Kampf seiner Präsidentschaft: dem Aufstieg autokratischer Regierungssysteme etwas entgegenzusetzen. Die Demokratie soll zeigen, was sie kann – und die Demokratien dieser Welt sollen demonstrieren, dass Zusammenarbeit besser ist als der populistisch-nationalistische Tunnelblick.

Mehr als ein Babyelefant Abstand, auch zum Bildschirm: Deutschlands Kanzler Olaf Scholz nahm am zweiten Amtstag am großen Gipfel der Demokratien teil, den die USA ausrichten.
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Noch im Wahlkampf präsentierte Biden die Idee eines Gipfels der Demokratien. Das, so dachte man, werde schon nicht so schwer sein – ein paar Einladungen an befreundete Staaten, schöne Bilder, ein sicherer PR-Erfolg. Nun, gut ein Jahr später, gibt es zwar den Gipfel – ein PR-Erfolg wird er aber wohl nicht. Und der Teufel liegt nicht nur im Detail.

Erzürnende Einladungen

Vor allem ist es vielmehr eine grundsätzliche Frage, die für Streit sorgte. Wer soll beim Gipfel dabei sein? Strikte Kriterien gab es nicht, dafür aber offenbar politische. Ungarn wurde ausgeladen, das auch nationalpopulistisch regierte Polen hingegen ist dabei. Das vom linken Luis Arce geführte Bolivien ist trotz erfolgreicher Präsidentenwahlen im Vorjahr nicht auf der Gästeliste zu finden, dafür aber Brasilien, die Philippinen und Indien – alle drei von Populisten regiert, die ihre Liebe zur Demokratie selten in die Auslage stellen. Aus der Nahost-Region ist als einziger Vertreter der Irak eingeladen, der Libanon etwa nicht.

Allen voran ist es aber eine Einladung, die für Unruhe sorgte und die auch deutlich macht, wen die USA als Hauptgegner der Demokratie sehen: jene an Taiwan. Die Insel wird zwar ohne Zweifel demokratisch regiert, von der Volksrepublik China aber als abtrünnige Provinz erachtet, der Peking immer deutlicher mit einer Invasion droht.

Die Volksrepublik sieht sich brüskiert. Sie reagierte schon im Voraus mit einer Trolloffensive in Foren und sozialen Medien – und mit einem eigenen Gipfel. Auf dem "Internationalen Forum für Demokratie" nahmen laut Peking am Wochenende "Politiker und Wissenschafter" aus 120 Staaten teil. Sie lauschten dort den Ausführungen Huang Kunmings aus dem Politbüro, der Chinas Obrigkeitsdiktatur zur "breitesten, echtesten und effektivsten Form der Demokratie" umdeutete.

Selbstkritik

Im Gegensatz dazu sparte Biden bei der Eröffnung des US-geführten Gipfels am Donnerstag nicht mit Selbstkritik. Das Treffen könnte kaum dringlicher sein, sagte er, laut Statistik sei die politische Freiheit in mehr als der Hälfte der weltweiten Demokratien auf dem Rückzug – "auch in den USA". Sie zu schützen sei "die Herausforderung unserer Zeit". Alle müssten sich bewusst sein, dass Demokratie nicht von selbst entstehe, sondern stets erneuert werden müsse. Und sie müsse verteidigt werden, am besten gemeinsam.

Biden führt auch ins Treffen, dass die US-Demokratie unter seiner Führung zeige, was sie könne – er sprach vom Kampf gegen Corona und von seinem Infrastrukturpaket. Genau an dieser Argumentation gibt es aber Zweifel. Viele von Bidens Plänen stecken in den USA derzeit in den Mühen des demokratischen Prozesses im Kongress fest, was in den Augen vieler Amerikaner genau nicht die Leistungsfähigkeit der Demokratie unterstreicht.

Kein gutes Beispiel

Die Republikaner gewinnen indes in Umfragen ebenso an Zustimmung wie Bidens Vorgänger Donald Trump – obwohl dieser seine Wahlniederlage nie eingestanden hat und seine Anhänger vor nicht einmal einem Jahr im Groll gegen das Ergebnis das Kapitol stürmten.

Die Demokratie muss also widerstandsfähiger werden. Wie das gehen kann, sollte auch bei einem der Panels am Donnerstag erläutert werden. Andere hatten etwa den Wiederaufbau nach der Corona-Krise oder den Schutz der freien Medien zum Thema. Der neue deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sieht die demokratischen Werte weltweit unter zunehmendem Druck. Deshalb sei es daher umso wichtiger für die bestehenden Demokratien, für diese Werte einzustehen, wie Regierungssprecher Steffen Hebestreit mitteilte. Österreich schickte eine Videobotschaft, die Alexander Schallenberg schon in der Vorwoche und daher noch als Kanzler aufgezeichnet hatte. Er warnte vor dem Rückzug der Demokratie und betonte Wiens Engagement, etwa für den Schutz von Journalisten. (Manuel Escher, 8.12.2021)