Ein erbitterter Konkurrenzkampf geht ins Finale: Gewinnt Lewis Hamilton (links) oder Max Verstappen die 72. Formel-1-Saison?

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Erst im 22. und letzten Saisonrennen wird die Formel-1-Weltmeisterschaft entschieden. Titelverteidiger Lewis Hamilton und Max Verstappen nehmen punktegleich den Grand Prix von Abu Dhabi (14 Uhr, ORF 1) in Angriff, der 24-jährige Niederländer liegt um den Hauch eines Sieges mehr vor dem 36-jährigen Briten. Die Kontrahenten grollen einander nicht erst seit dem Wahnsinnsrennen in Saudi-Arabien, das Hamilton vor Verstappen gewann. Beim ersten Pressetermin in Abu Dhabi betonten beide, nur an fairer Rennfahrerei interessiert zu sein. Darin stimmen bei allen Gegensätzlichkeiten auch deren Teamchefs – Toto Wolff für Mercedes und Christian Horner für Red Bull – überein.

Frage: Wie ist die Ausgangslage?

Antwort: Obwohl beide 369,5 Punkte gesammelt haben, führt Verstappen, weil er ein Rennen mehr gewonnen hat (9:8). Deswegen wäre der Niederländer Champion, sollten beide ohne Punkte bleiben. Liegen beide in den Punkterängen, ist derjenige Weltmeister, der zuerst die Ziellinie überquert. Ausnahme: Wird Hamilton Neunter und Verstappen Zehnter, holt der Herausforderer den Titel, sofern er sich den Punkt für die schnellste Rennrunde sichert. So nebenbei geht es auch noch um die Konstrukteurs-WM. Hier liegt Mercedes allerdings schon 28 Punkte vor Red Bull, der achte Titel in Folge ist sehr wahrscheinlich.

Frage: Wer hat die besseren Karten?

Antwort: Auf dem Papier ist Hamilton leicht im Vorteil. Der Mercedes-Star reiste mit dem Selbstvertrauen von drei Siegen in Folge und dem stärkeren Motor im Heck an.

Frage: Für wen spricht die Strecke?

Antwort: Auf den zwei langen Geraden auf dem Yas Marina Circuit sollte Mercedes gegenüber Red Bull die Nase vorn haben. Zudem wurde die Strecke umgebaut und schneller gemacht, zwei verwinkelte Passagen wurden in leicht überhöhte Kurven verwandelt. Hamilton ist in Abu Dhabi mit fünf Erfolgen der Rekordsieger, im Vorjahr gewann allerdings Verstappen.

Frage: Was, wenn die WM durch einen Unfall entschieden wird?

Antwort: Ein möglicher Crash ist das alles beherrschende Thema, Verstappen und Hamilton sind im Lauf dieser Saison schon dreimal kollidiert, aber gerade in Zeiten wie diesen soll man keine Verschwörungstheorien aufstellen. Rennleiter Michael Masi hat vorsorglich darauf hingewiesen, dass bei Verstößen Sanktionen drohen. Der Australier stellte klar, dass bei grobem sportlichem Fehlverhalten auch ein Punkteabzug oder sogar eine Disqualifikation möglich ist.

Frage: Gibt es einen Präzedenzfall?

Antwort: Ja, 1997 in Jerez wurde Michael Schumacher bei ähnlicher Konstellation nachträglich von der Weltmeisterschaft ausgeschlossen und verlor auch seinen Vizeweltmeistertitel, nachdem er versucht hatte, den Kanadier Jacques Villeneuve beim letzten Saisonlauf aus dem Rennen zu befördern.

Frage: Auf wen tippt die Prominenz?

Antwort: Allgemein wird der Einschätzung der Buchmacher zugeneigt, die Hamilton im Vorteil sehen. Bernie Ecclestone (91), der viele Finale erste Reihe fußfrei miterlebt hat, tippt ebenfalls auf Hamilton. Die Erfahrung und die "psychologischen Spielchen", die dessen Mercedes-Team gegen Verstappen betreibe, begünstigten den Rekordweltmeister. Verstappen sei "ein Kind im Vergleich zu Lewis".

Frage: Wie kam es zum zweiten Finale der Punktegleichen nach 1974?

Antwort: Verstappen kam zum Auftakt in Bahrain als Favorit nur auf Platz zwei hinter Hamilton, der seine Führung erst nach dem fünften Saisonrennen an den in Monaco siegreichen Niederländer abgab. Verstappen baute sie mit drei Siegen en suite, davon zwei in Spielberg, auf 32 Punkte aus. In Silverstone kam es zum ersten Crash, Hamilton gewann. Nach Platz zwei in Ungarn führte wieder Hamilton, nach halben Punkten in Belgien (bei Regen nur eine Runde hinter dem Safety-Car) und dem Heimsieg in Zandvoort war Verstappen wieder voran. In Monza verunfallten beide, in Russland feierte Hamilton seinen 100. Sieg und hatte wieder kurz die Nase vorn, ehe Verstappen mit Rang zwei in der Türkei und Siegen in den USA und Mexiko dem Titel entgegenstürmte – 312,5:293,5 nach 18 Rennen. In Brasilien, Katar und letztlich in Saudi-Arabien, wo Verstappen den ersten Matchball hatte und es zum dritten Crash der Kontrahenten kam, bereitete Hamilton das Feld für den Showdown. (Christian Hackl, Sigi Lützow, 10.12.2021)