Jannik Schümann und Dominique Devenport als Kaiser und Sisi.

Foto: RTL

Dominique Devenport stellt Lust und Frust im Leben der österreichisch-ungarischen Kaiserin Sisi dar.

Foto: RTL

Dass die Sisi von 2021 nichts mit Sissi aus den 1950er-Jahren zu tun hat, zeigt gleich die erste Szene, in der eine junge Frau (Dominique Devenport) Hand an sich selbst legt. Es ist die künftige Kaiserin höchstpersönlich, die sich da im Bett räkelt und lustvoll stöhnt. Na servus, Kaiser!

Herzogin masturbiert, Kaiser exekutiert

Die Wonne bleibt als Einstieg natürlich nur kurz für sich alleine stehen, nicht nur weil die Schwester hereinplatzt und für vorzeitigen Abbruch sorgt. Ein paar Hundert Kilometer weiter östlich schlägt der zukünftige Gemahl mit voller Härte aufständische Ungarn nieder. Kurz: Herzogin Sisi masturbiert, der Kaiser (Jannik Schümann) exekutiert.

Dominique Devenport und Jannik Schümann lieben und leiden in "Sisi" – ab 12. Dezember auf RTL Plus, ab 28. Dezember im ORF.
Foto: RTL

"Wer sagt, dass es so nicht war?", sagt Andreas Gutzeit, Showrunner und Produzent von "Sisi". In den Geschichtsbüchern stehe davon nichts geschrieben. "Wenn bei uns eine Figur mit der anderen alleine ist, wenn die Tür zugeht, wenn wir in der Kutsche sind oder in einem Wald – das ist unsere Geschichte zu hundert Prozent", sagt Gutzeit. Oder eben im Schlafgemach.

Ab 12. Dezember auf RTL Plus, ab 28. im ORF

In den frei interpretierbaren Räumen spielt sich "Sisi" denn auch hauptsächlich ab. Zu sehen ist die Serie ab 12. Dezember im Streamingangebot RTL Plus. Auf RTL startet die von Story House Pictures und der österreichischen Satel Film produzierte Serie zeitgleich mit dem ORF am 28. Dezember.

Dass Selbstbefriedigung sogar ein Thema bei Tisch gewesen sein soll – worüber sich Sisi mit ihrer Schwester flüsternd austauscht–, sei ebenso denkbar: "Zwischen jungen Damen wurden solche Dinge gewiss auch besprochen, wenn auch vielleicht nicht in der Offenheit, wie wir sie zeigen. Wir wollten mit dieser Szene klar sagen, unsere Sisi ist nicht die Sissi von vor 70 Jahren."

Es geht um Selbstbestimmung

Definitiv. In sechs Folgen entwirft die Serie ein Bild einer Märchenwelt mit einer Prinzessin, die zunächst als hoffnungsfrohe Jungfer ins österreichische Kaiserhaus einheiratet und nach kurzem Eheglück feststellen muss, dass die Wirklichkeit weit rauer ist als erträumt.

"Mit der Masturbationsszene wollten wir ein Zeichen setzen, dass es um Selbstbestimmung geht – im Bezug zum eigenen Körper, zu Sisis Schicksal innerhalb eines autoritären Machtsystems", sagt Gutzeit. "Wir erzählen die Coming-of-age-Story von einer jungen Frau, die erwachsen wird. Unsere Sisi ist eine mutige junge Frau, die sich ein bisschen zu viel zutraut und die Konsequenzen tragen muss.

Brutaler Blutkaiser

Weitaus näher an der Realität als Karlheinz Böhm in den "Sissi"-Filmen sei man mit der Darstellung des Kaisers, der in der Serie eindeutig nicht der Strahleregent sei, sagt Gutzeit: "Unser Kaiser ist der 22-jährige Blutkaiser, der einen Aufstand der Ungarn brutal niedergeschlagen hat und vor allem darauf aus war, die Monarchie zu erhalten. Dieser Kaiser ist eine sehr viel dunklere Figur, als Karlheinz Böhm sie jemals dargestellt hat." In weiteren Hauptrollen zu sehen sind Julia Stemberger als Sisi-Mutter und Desirée Nosbusch als Erzherzogin Sophie, Mutter des Kaisers.

Die Idee hatte Gutzeit vor drei Jahren im Urlaub in Costa Rica mit seiner Familie. "Wir waren zu Weihnachten dort, und als guter europäischer Familienvater habe ich die Filme von Marischka mitgebracht, die wir unter Palmen gesehen haben. Ich fand, es ist eine Geschichte, die es wert ist, neu erzählt zu werden."

Die alte Sissi

Und ob. Die österreichische Kaiserin ist – weitgehend von historischen Fakten befreit – Sehnsuchtsort für das Publikum, für die Hersteller ist es ein Riesengeschäft. Die Rechte für den weltweiten Vertrieb hält Jan Mojtos Betafilm. "Wir haben 'Sisi' schon in mehrere Dutzend Territorien verkauft", freut sich Ferdinand Dohna, stellvertretender Redakteur im Unternehmen. Serien-"Sisi" spielt es unter anderem in Frankreich und Italien, Brasilien, Argentinien, Japan, Südkorea, China, Aserbaidschan, den Niederlanden, Spanien und Russland.

Für Betafilm ist die Serie sowieso eine Win-Win-Situation. Denn der europäische Rechtehändler hält auch die Lizenzen zur den alten "Sissi"-Filmen, die jedes Jahr bevorzugt zu Weihnachten in den Programmen der deutschsprachigen Sender rauf und runter gespielt werden. "Sissi" gehört neben "Kommissar Rex" zu den Topprodukten im Angebotskatalog der Betafilm.

Gedreht im Baltikum

Gedreht wurde die Serie hauptsächlich im Baltikum. Lediglich Szenen aus der Hofburg entstanden in Österreich. "Dort gibt es, wie man in unserer Serie sehen kann, erstklassige historische Motive und eine hochprofessionelle Crew. Wir haben dort schon unzählige Projekte umgesetzt", sagt Gutzeit.

Im Hintergrund hängt es mit Fördermodellen zusammen, die in diesen Ländern die Umsetzung von Filmen vereinfachen, weil sie auf ein Tax Credit Modell setzen, das eine relativ unbürokratische Art der Vorfinanzierung darstellt.

Zur rechten Zeit

"Sisi" scheint aber auch so zur richtigen Zeit zu kommen. Serien mit Kostüm und Adel boomen, von "The Crown" und "Bridgerton" bis "The Great" und "Maria Theresia" . Mit verzwickten Familiengeschichten am Hofe hoffen Sender und Produzenten das Blut der Zuschauer in Wallung zu bringen. Die unglückliche Kaiserin selbst steht dabei am höchsten im Kurs: Allein vier Sisi-Projekte sind im Werden. Die Filme "Sisi und ich", "Corsage", eine Netflix-Serie "The Empress" und die zweite Staffel der "Sisi"-Serie.

"Natürlich wollen wir mit unserer 'Sisi'-Serie den märchenhaften Anteil, den die Geschichte auch dank der Marischka-Filme in den Köpfen der Zuschauer hat, erhalten", sagt Gutzeit. "Wir müssen nur einen Schritt weitergehen, darauf aufsatteln und eine für heute relevante Geschichte erzählen." (Doris Priesching, 11.12.2021)