ServusTV-Senderchef Ferdinand Wegscheider verbreite in "Der Wegscheider" Verschwörungserzählungen, so der Presseclub Concordia.

Foto: Screenshot/ServusTV

Wien – Die Journalistenorganisation Presseclub Concordia hat am Freitag die bereits angekündigte Sachverhaltsdarstellung bei der Medienbehörde KommAustria gegen die Berichterstattung von Servus TV und Senderchef Ferdinand Wegscheider eingebracht. Dabei gehe es "sowohl um systemische Mängel im Gesamtprogramm, besonders um 'False Balance', also jene mediale Verzerrung, die einer Minderheitsmeinung übermäßig viel Raum gibt, konkret aber um die Sendung 'Der Wegscheider'", heißt es in dem mehrseitigen Schreiben der Concordia und ihrer Generalsekretärin Daniela Kraus.

"Bei der wöchentlichen Sendung 'Der Wegscheider' liegen unserer Ansicht nach, vor allem durch falsche oder irreführende Äußerungen, einseitige und unsachliche Ausführungen und durch unzulässige Eingriffe in die Rechtssphäre von Dritten, wiederholte und schwerwiegende Verstöße gegen die Bestimmungen des AMD-G, insbesondere gegen § 41 Abs 1 und Abs 5, vor."

Die in der Beschwerde angeführten Verstöße gegen das Audiovisuelle Mediendienste-Gesetz beziehen sich etwa auf die Punkte Objektivität und Meinungsvielfalt, denen Fernsehprogramme zu entsprechen hätten, sowie dem Gebot der journalistischen Sorgfalt, wonach die verbreitete Information "auf Wahrheit und Herkunft zu prüfen" sei. Über die Einhaltung der Gesetze wacht die Medienbehörde KommAustria. Sie vergibt Lizenzen an Privatsender und kann sie im Extremfall auch wieder entziehen.

Auszüge aus dem Audiovisuellen Mediendienste-Gesetz

§ 41 Abs. 1:"Fernsehprogramme, die Rundfunkprogramme im Sinne des Artikels I Abs. 1 des Bundesverfassungsgesetzes über die Sicherung der Unabhängigkeit des Rundfunks, BGBl. Nr. 396/1974, sind, haben den Grundsätzen der Objektivität und Meinungsvielfalt zu entsprechen."
§ 41 Abs 5.: "Berichterstattung und Informationssendungen haben in allen Fernsehprogrammen den anerkannten journalistischen Grundsätzen zu entsprechen. Nachrichten sind vor ihrer Verbreitung mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf Wahrheit und Herkunft zu prüfen."

Stereotype und Verschwörungserzählungen

Das Sendungsdesign und der Sendeplatz am Samstag knapp vor 19.30 Uhr würden suggerieren, dass es sich bei "Der Wegscheider" um eine ernstzunehmende Informationssendung handle, die auf Fakten beruhe, schreibt der Presseclub.

"Tatsächlich aber werden durch rhetorische Figuren, audiovisuelle Stilmittel, Unterstellungen sowie Anspielungen auf im kollektiven Bewusstsein verankerte Stereotype und Verschwörungserzählungen Behauptungen in den Raum gestellt, die den Anforderungen an Rundfunk im Allgemeinen und Informationssendungen im Besonderen nicht genügen. Gerade in der medialen Behandlung der Covid-19-Pandemie zählen wissenschafts- und evidenzbasierte Berichterstattung und Kommentierung zu den wesentlichen journalistischen Grundsätzen", führt der Presseclub Concordia in seiner Darstellung aus, untermauert und kontextualisiert das exemplarisch mit Zitaten aus den "Wegscheider"-Sendungen der letzten Wochen. Etwa über die "Plandemie", wie es Wegscheider meist formuliert, den Einsatz des Pferdeentwurmungsmittels Ivermectin oder von "abgelaufenen Genimpfstoffen".

Zitate aus "Der Wegscheider"

"Wer hat die Macht, weltweit Regierungen, Ärzte und Medien zu dirigieren, gemäß seinen Planspielen Lockdowns und Zwangsimpfungen zu verfügen und sogar Kleinkindern Rechte wegzunehmen, die wir bisher jedem Schwerverbrecher zugestanden haben."
"Damit die Angst der Bevölkerung wegen fallender Fallzahlen nur ja nicht nachlässt, ist rechtzeitig eine neue Virusmutation aufgetaucht, die von der WHO als besorgniserregend eingestuft wird. Obwohl die Menschen in Südafrika selbst von der Omikron-Variante gar nichts bemerkt haben, rennt hierzulande die mediale Panikmaschine schon wieder auf Hochtouren."

Gefährdung

"Mit diesen und anderen faktenwidrigen bzw. -befreiten Äußerungen und Behauptungen wird zum einen die Öffentlichkeit verunsichert, beunruhigt, aufgestachelt und gespalten, die Glaubwürdigkeit von Politik, Wissenschaft und Medien untergraben und in unserer Ansicht nach unzulässiger Weise in Sphäre und wohl auch Rechte Dritter eingegriffen", so der Presseclub.

Servus TV biete mit seiner gezielten Positionierung einen "Resonanz- und Verstärkungsraum wie auch Rechtfertigung für jene Weltanschauungen, die in weiterer Folge zu (selbst-)gesundheitsschädigendem Verhalten, Demonstrationen vor Krankenhäusern, Hasskommentaren gegen Politiker*innen und Angriffen auf Journalist*innen führen können", heißt es. Und: "Auch angesichts der Tatsache, dass Servus TV im Jahr 2020 aus der Privatrundfunk- und der Corona-Sonderförderung knapp 2,9 Millionen Euro erhalten hat, ist verantwortungsvolle Berichterstattung, ordentliche Recherche, das Einhalten der Gesetze und eine professionelle Arbeitsweise einzufordern." (red, 10.12.2021)