Joshua Kimmich wird den Bayern bis Jahresende fehlen.

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Intensivmediziner und Pneumologe Valipour: "Du kannst dich mit Covid-19 infizieren, unabhängig davon, wie gut es dir geht oder wie gut du dich fühlst."

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Sportmediziner Fritz: ""Einer wie er kann viele Menschen erreichen."

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"Es ist klug, sich rechtzeitig impfen zu lassen. Das gilt nicht nur für Joshua Kimmich, für den dieser Rat ja leider zu spät kommt, sondern für alle." Das will Arschang Valipour, Leiter der Abteilung für Innere Medizin und Pneumologie an der Klinik Floridsdorf, zu allererst festgehalten wissen. Die aktuelle Krankengeschichte von Kimmich kenne er nicht. "Aber 'Infiltrationen in der Lunge' bedeutet generell, dass im Röntgen oder in der Computertomografie sichtbare entzündliche Veränderungen aufgetreten sind", sagt Valipour dem STANDARD. "Man hat Hinweise auf eine Lungenentzündung, die ja auch für Corona typisch ist."

Der Wiener Sportmediziner Robert Fritz stimmt zu und ergänzt, mögliche Folgen einer Corona-Impfung treten im Vergleich zu möglichen Folgen einer Corona-Infektion "viel, viel seltener auf und wenn doch, dann viel, viel schwächer". Die Impfung, auch damit überrascht Fritz nicht wirklich, schütze "mit einer ganz großen Wahrscheinlichkeit vor schweren Verläufen".

Widerspruch

Im Fall des deutschen Fußballstars Kimmich ist keine Rede von einem schweren Verlauf, schwerwiegend sind die Folgen seiner Corona-Infektion aber allemal. Der 26-jährige DFB-Internationale hat, zunächst als Kontaktperson, dann als Infizierter, schon einen Monat in Quarantäne verbracht und fünf Pflichtspiele von Bayern München verpasst, nun kommen zumindest drei weitere Pflichtspiele dazu. Zuletzt teilten die Bayern mit, dass Kimmich "aufgrund von leichten Infiltrationen in der Lunge aktuell noch nicht voll trainieren kann" und heuer nicht mehr eingesetzt werde. Gleichzeitig zitierten sie ihn mit den Worten: "Mir geht es sehr gut."

Das passt für Robert Fritz, der in Wien dem Team der "Sportordination" angehört und Chefmediziner des Vienna City Marathons sowie des ASICS Österreichischen Frauenlaufs ist, "gar nicht zusammen". Infiltration sei ein sehr allgemeiner Begriff und könne viel bedeuten, jedenfalls sei feste oder flüssige Substanz in biologisches Gewebe gelangt. "Doch Tatsache ist, dass Kimmich seinen Job nicht ausüben, seiner Leidenschaft nicht nachgehen kann", sagt Fritz. "Da ist es schwer vorstellbar, dass es ihm sehr gut gehen soll. Das ist ein Widerspruch in sich."

Sinnhaftigkeit und Fehlinformationen

Dass es im Spitzensport oder im Sport besonders viele Impfskeptiker gibt, würde der Sportmediziner in Abrede stellen. Fritz verweist etwa darauf, dass die Impfquote im österreichischen Skiverband (ÖSV) bei 97 Prozent liege. "Die Impfung ist, mit ganz wenigen Ausnahmen, für alle sinnvoll, auch für Spitzensportler. Natürlich wäre sie für Kimmich klug gewesen. Wer noch nicht impfen war, egal ob Sportler oder nicht, für den ist es höchste Zeit."

Der Pneumologe Valipour würde sich generell höhere Impfquoten wünschen. "Im Spitzensport ist es so wie überall sonst auch. Da gibt es leider einige, die Fehlinformationen bekommen haben oder sich nicht ausreichend aufklären ließen. Du kannst dich mit Covid-19 infizieren, unabhängig davon, wie gut es dir geht oder wie gut du dich fühlst. Und du kannst auch als Spitzensportler mit Folgen der Infektion zu tun haben. Die Impfung ist sicherer als die Erkrankung, sie schützt einen selbst, und sie schützt auch andere."

Skepsis

Fritz hat in der Ordination noch niemanden gesehen, dem Folgen einer Corona-Impfung zu schaffen machten, aber schon viele, die Folgen einer Corona-Infektion beklagten. "Es gibt keine Impfung, die derart gut erprobt ist. Die Nebenwirkungsrate ist extrem gering. Und wenn Nebenwirkungen auftreten, dann gleich nach der Impfung. Da gibt es, im Gegensatz zur Infektion, keine negativen Langzeitfolgen."

Eine gewisse Skepsis, vor allem auch im Spitzensportbereich, habe er zunächst verstanden. "Aber jetzt verstehe ich sie längst nicht mehr. Auch wenn nicht wenige Sportler Egomanen sind und ihren Körper als ihren Tempel betrachten." Beim Wien-Marathon im September mit circa 25.000 Teilnehmern seien 93 Prozent der Erwachsenen geimpft gewesen. "Wer Sport betreibt", sagt Fritz, "dem ist seine Gesundheit meistens ein großes Anliegen."

Wünschenswert wäre es, dass Kimmich in absehbarer Zeit auftritt, öffentlich über die Folgen seiner Infektion spricht und ankündigt, sich zum ehestmöglichen Zeitpunkt doch impfen zu lassen. "Einer wie er", sagt Robert Fritz, "kann viele Menschen erreichen." (Fritz Neumann, 10.12.2021)