Karl Nehammer hat die erste Woche als Kanzler mit Anstand gemeistert. Auffallend ist seine Kommunikation. Nehammer bemüht sich, auf Augenhöhe zu kommunizieren. Der Ton ist ein anderer geworden.

Der neue Kanzler ist sichtlich darum bemüht, den Konsens zu suchen. Dieses Vorhaben scheint mehr als ein politischer Trick zu sein. Das ist ein Unterschied zu Sebastian Kurz, bei dem allzu oft die Inszenierung, ein strategisches Ziel oder der Verkauf einer Idee im Vordergrund standen. Diese Form der Manipulation, das Spiel mit Stimmungen, das bewusste Polarisieren, wenn es dem eigenen Vorteil dient, das gezielte Hochspielen von Themen, die ihm nützen oder anderen schaden sollten, war ein markantes Merkmal der Ära Kurz. Das hat auch seinen Vorteil: Klare Feindbilder sind für alle verständlich, da tut man sich auch leichter, die eigene Position zu finden.

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Auffallend ist Karl Nehammers Kommunikation.
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Nehammer versucht erst einmal, keine Feindbilder zu bedienen. Er geht auf die Opposition zu. Er tut das ohne Herablassung, das macht es schwer, ihn zurückzuweisen. SPÖ und Neos werden eingebunden. Was den Umgang mit Lockdown und Impfpflicht betrifft, haben sich Regierung und Opposition zu einem konstruktiven Miteinander getroffen. Der Ton auf beiden Seiten ist seitdem weniger böse und gehässig geworden. Die FPÖ kann da freilich nicht mit, sie hat sich unter Herbert Kickl schon viel zu weit ins Sektierertum begeben.

Auch in der Koalition ist der Ton ein anderer geworden. Zumindest für den Augenblick ist der ständige Wettkampf zurückgestellt. Nehammer geht mit demonstrativer Wertschätzung auf seine grünen Regierungskollegen zu. Im Augenblick ist es das richtige Signal nach außen. Es geht darum, Vertrauen wiederaufzubauen.

Keine Sorge, das wird nicht so weitergehen. Die Regierung hat nicht vor, uns mit einem Schmusekurs in den demokratiepolitischen Schlaf zu wiegen. Der politische Wettbewerb und das Kräftemessen der Parteien werden früher wieder in den Vordergrund rücken, als uns lieb ist. Eine kurze Auszeit vom permanenten Wahlkampf, mit dem uns Kurz und sein Team zu Leibe gerückt sind, ist aber wohltuend.

Das sollte auch die Sinne schärfen, um gemeinsam gegen die Pandemie anzugehen. Da profitiert am Ende jeder davon. Nur diejenigen nicht, die ihr Heil im Unglück der anderen suchen. Aber die sollen ohnedies nicht belohnt werden. (Michael Völker, 10.12.2021)