Florian Krammer beantwortet Fragen der STANDARD-Community. "Irgendwann gehen wir wieder ganz normal und Corona-Sorgen-frei auf ein Bier ins Beisl ums Eck", gibt er Hoffnung.

Die Omikron-Mutation beschäftigt derzeit viele Menschen und wirft auch viele Fragen auf. Der STANDARD hat Postings der Community an den renommierten Virologen und Impfstoffforscher an der Icahn School of Medicine at Mount Sinai in New York, Florian Krammer, weitergeleitet. Über die Frage, wie Corona unser Leben weiter beeinträchtigen wird, über Virusmutationen im Allgemeinen und Omikron im Speziellen gibt der Wissenschafter diese Woche Auskunft.

Antwort: Zum ersten Teil Ihrer Frage: Nein, ich glaube nicht, dass wir das Virus ausrotten können. Da bräuchte man eine sehr, sehr hohe Durchimpfungsrate weltweit, in allen Altersgruppen, und eine Impfung, die keine oder extrem wenig Impfdurchbrüche zulässt. Das wird sich nicht ausgehen.

Aber es wird nicht so weitergehen. Irgendwann gehen wir wieder ganz normal und Corona-Sorgen-frei auf ein Bier ins Beisl ums Eck. Warum sage ich das? Sobald die Bevölkerung eine Basisimmunität aufgebaut hat (hoffentlich durch Impfung, leider oft durch Infektion), werden Sars-CoV-2-Infektionen zum Großteil sehr mild verlaufen, es wird auch weniger davon geben. Und das Virus beziehungsweise die Infektion wird dann nicht mehr etwas Besonderes sein, sondern eben etwas, das saisonal auftritt, wie viele andere Erkältungsviren oder auch Influenza. Ich nehme an, Sars-CoV-2 wird sich, bezogen auf die Größe des Problems, irgendwo zwischen Infektionen mit humanen Coronaviren (wie 229E, BL63, OC43 und HKU1, die uns ja auch infizieren und meistens keine schweren Verläufe verursachen) und Influenza einpendeln. Auch das Entstehen neuer Varianten würde daran wahrscheinlich wenig ändern (das passiert mit Influenza häufig).

Man vermutet übrigens, dass das mit dem humanen Coronavirus OC43 auch passiert ist. Das Virus ist mit Rindercoronaviren (Bovines Coronavirus) nahe verwandt, und man kann aus der Mutationsrate etwa berechnen, wann das Virus in den Menschen gesprungen ist beziehungsweise wann aus der Ursprungsform des Virus zwei unterschiedliche Viren geworden sind. Man vermutet, dass das etwa 1890 der Fall war und das Virus die "Russische Grippe" von 1889 bis 1890 ausgelöst hat, die etwa eine Million Menschen getötet hat. Die Arbeitshypothese ist, dass das Virus danach saisonal wurde und Menschen schon im Kindesalter angesteckt hat, wo der Verlauf mild ist – dann, vielleicht ein paar Jahre später, wieder, et cetera. In einem Alter, wo man dann gefährdet ist, hat man schon starke Immunität, die einen schützt. So etwas versucht man im Prinzip jetzt mit den Impfungen zu erreichen, aber eben auf risikofreiere Art und Weise.

Antwort: Im Normalfall, in gesunden Personen, wird Sars-CoV-2 wie die meisten Viren, die akute Erkrankungen auslösen, aus dem Körper eliminiert. Das heißt, nach einiger Zeit ist kein Virus mehr vorhanden. Man darf sich das also nicht so vorstellen, als würde das Virus auf ewig im Körper weiterleben. Persistente Infektionen mit Sars-CoV-2 sind zwar von Personen mit Immunschwäche bekannt, aber das ist nicht die Norm. Die anderen in der Bevölkerung zirkulierenden Varianten wie Alpha, Beta oder Gamma (und andere) wurden einfach von Delta verdrängt, weil Delta fitter ist. Den genauen Mechanismus hinter dieser Verdrängung in der Population verstehen wir auch nicht, sehen das aber zum Beispiel auch bei Influenza, wo etwa das Auftreten von H2N2 zum Aussterben von H1N1 geführt hat beziehungsweise H3N2 danach zum Aussterben von H2N2.

Wie es aussieht, ist die Omikron-Variante noch um einiges infektiöser als Delta – und damit erreicht sie mehr Menschen.
Foto: Imago

Antwort: Wenn, wenn, wenn. Ich glaube, wir müssen annehmen, dass Omikron in Personen ohne Immunität genauso schwere Verläufe hervorrufen kann wie andere Varianten. Es gibt zwar Beobachtungen aus Südafrika, die etwas mildere Verläufe beschreiben, allerdings hatten viele der jetzt dort Infizierten schon in einer der vorherigen Wellen eine Infektion – und das bietet wahrscheinlich auch gegen Omikron einen gewissen Schutz. Weiters ist die lokale Bevölkerung recht jung. Aber es gehen auch die Hospitalisierungen in Südafrika nach oben, und schwere Fälle mit Omikron sind mittlerweile auch aus Großbritannien bekannt. Aber auch wenn sich herausstellt, dass Omikron etwas leichtere Verläufe verursacht, würde eine weitere Welle vermutlich trotzdem viele Tote bringen, vor allem weil es so aussieht, als wäre das Virus noch um einiges infektiöser als Delta – und damit erreicht es mehr Menschen. Der große Vorteil ist aber, dass mittlerweile auch in Österreich schon sehr viele Menschen Immunität haben und diese Personen auch bei Omikron vermutlich einen Schutz vor schweren Verläufen haben werden. Am meisten Sorgen mache ich mir hier um die Ungeimpften.

Antwort: Dazu gibt es momentan keine Daten und keine Zulassung. Das würde ich daher nicht empfehlen. Ich würde jetzt einmal abwarten und sehen, wie sich die Situation entwickelt beziehungsweise wie schnell eine angepasste Impfung für Omikron verfügbar sein wird. Aber die dritte Impfung ist momentan für jeden Erwachsenen empfehlenswert.

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