Wien – Bio ist der Ruin für unseren Betrieb." Johann Hackl schmunzelt, wenn er an die Worte seines Vaters denkt. Gut 20 Jahre ist es her, dass der Niederösterreicher mit der konventionellen Landwirtschaft zu hadern begann, nachdem er zuvor "mit Begeisterung" spritzte, wie es ihn seine Ausbildung lehrte.

2,7 Millionen Weihnachtsbäume werden jährlich in Österreich verkauft.
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"Doch dann gründet man eine eigene Familie und beginnt, über manches nachzudenken." Hackl schlug die Warnungen des Vaters in den Wind und tastete sich schrittweise an den ökologischen Landbau heran.

Er verdiene heute vermutlich weniger, sinniert er, dafür mache ihm die Arbeit mehr Freude. Auch wenn er für seine drei Hektar große Forstwirtschaft starke Nerven brauche – vor allem im Mai und Juni, wenn allerlei Getier Appetit auf frische junge Triebe entwickelt. "Mit den biologischen Pflanzenschutzmitteln allein hüpft man halt nicht sehr weit."

Ein Baum wie ein Cornetto

Hackls Familie baut seit 50 Jahren Christbäume rund um Weiten im südlichen Waldviertel an. Bauchig und buschig will der Österreicher seine Tannen, dicht und gleichmäßig gewachsen sollen sie sein, einem umgedrehten Cornetto gleich.

Der Preis für die Schönheit ist hoher Pestizideinsatz. Das umstrittene Herbizid Glyphosat dient dazu, die Stämme von Unkraut freizuhalten. Fungizide und Insektizide reduzieren das Risiko großer Ernteausfälle in den Monokulturen. Mineraldünger, Bio-Landwirte bezeichnen diesen lieber als Kunstdünger, verleiht den Nadeln ein sattes Grün. Stickstoff bringt sie zum Schillern.

Hackl macht sich ob des Großteils der Kunden keine Illusionen. "Sie wollen einen perfekten Baum." Bio habe in seinem Geschäft geringeres Gewicht. Der Baum sei ja nicht zum Essen da, und den meisten sei auch gar nicht bewusst, wie viel Chemie für seine Zucht notwendig sei. Dennoch gebe es zusehends Menschen, die über ihren Tellerrand blickten.

Bemmerln als Dünger

Hackl verkauft ab Hof, online – wofür er jeden seiner Bio-Bäume fotografiert – und auf einem Stand in Wien-Döbling. Direkt vor die Haustüre liefert auch Gabriel Fegerl aus Heinrichs bei Weitra. Partner ist der Marchfelder Biobetrieb Adamah.

Begonnen hat seine Familie mit 20 bis 30 Tannen. Mittlerweile sind es 300 bis 400, die er vor Weihnachten fällt. Glyphosat ersetzt er durch Shropshire-Schafe, die das Gras zwischen den Bäumen kurzhalten. Auf die zarten Wipfel haben sie dank ihrer Rasse keinen Appetit.

Schafskot auf den Ästen verleidet Konsumenten die Lust auf Bio, ist sich manch konventioneller Vertreter der Branche sicher. "Alles nur Ausreden, da stellt es einem ja die Haare auf", sagt Fegerl und lacht. Die harten "Bemmerln" seiner Schafe seien längst guter Dünger, wenn es Zeit werde, die Bäume zu schneiden.

Er holt diese zwei Wochen lang im Jahr gemeinsam mit seinem Vater aus dem Wald. Erntehelfer aus dem umliegenden Ausland bedient er sich dafür keiner. "Die einzigen Ressourcen, die wir verbrauchen, sind unsere Kraft und unsere Zeit."

Magerer Lohn

In Österreich werden im Dezember rund 2,7 Millionen Weihnachtsbäume verkauft. 90 Prozent davon wachsen im eigenen Land. Ihr Anbau ist nicht weniger aufwendig wie jener von Obst und Wein. Die Ernte ist schwere körperliche Arbeit. Der Kollektivvertrag sieht dafür brutto 8,67 Euro pro Stunde vor.

Ein Meter Nordmannstanne kostet zwischen zehn und 35 Euro, für Bio ist nur selten mehr zu bezahlen, auch wenn rund um sie händisch gemäht wird und die Ausbeute an für den Verkauf geeigneten Stämmchen geringer ist. Zu stark ist die Konkurrenz der billigen Bäume auf Parkplätzen der Handelsketten.

Es ist ein Vertriebsweg, den auch Wolfgang Moder nicht gehen will. Der steirische Bergbauer pflegt seine Tannen in Schönberg-Lachtal auf 1200 Höhenmetern, teils auf kargem Boden. Moder ist im Haupterwerb Imker. Allein schon deshalb habe Chemie auf seiner 1,6 Hektar großen Kultur nichts verloren, sagt er. "Der Einsatz synthetischer Mittel ist ein Kreislauf, aus dem man nur schwer wieder herauskommt."

Selbst sägen

Wer damit etwa Wühlmäuse bekämpfe, verliere auch Füchse, Marder und Katzen als ihre natürlichen Feinde. Seine Bäume wuchsen langsamer als jene der konventionellen Züchter. Keiner ähnle dem anderen. Doch genau das mache sie vielen seiner Kunden lieb. Familie wanderten bereits im Herbst durch die Kulturen, erzählt er, um Tannen für Weihnachten auszuwählen und zu markieren. Viele schnitten sie sich dieser Tage gleich selbst. Wofür es heuer nebst Säge auch Schaufel braucht, denn auf dem Lachtal liegt bereits ein knapper Meter Schnee.

In der Regel lebt ein Christbaum acht bis zwölf Jahre, bis er gefällt wird. Tannen stellen Fichten am Heiligen Abend traditionell in den Schatten. Das viele Wachs auf ihren Nadeln lässt sie zwar weniger duften, dafür langsamer austrocknen. Bergbauer Moder will es künftig im Sinne eines gesunden Mixes auch mit Zirben versuchen. Gewiss sei es ja nicht, aber vielleicht kämen diese einmal zu Weihnachten in Mode. Die gute Ernte einfahren dürften dann seine Kinder. (Verena Kainrath, 11.12.2021)