Diese Hitler-Bronzeköpfe wurden 2017 im Keller des Parlaments entdeckt. Im Haus der Geschichte sind sie nun wohl besser aufgehoben.

Klaus Pichler, HdGÖ

Die Brücke von der Theorie zur Praxis schlägt die Ausstellung sehr anschaulich anhand von 14 Objekten. Sie wurden in einer Art Backstage-Setting auf kleinen Tischchen drapiert, ganz so, wie sich die Objekte den Museumsmitarbeitern bei der Einlieferung präsentieren.

Klaus Pichler, HdGÖ

Eine Feldpostkiste, die ein Wehrmachtssoldat mit Raubgut vom Frankreichfeldzug gefüllt hatte und später für seine Töchter zu einem Puppenwagen umbaute.

Klaus Pichler, HdGÖ

Die Symbolik war wieder einmal fatal für die lange Zeit nur schludrig betriebene NS-Aufarbeitung in Österreich. 2017 wurden im Zuge der Renovierungsarbeiten des Parlamentsgebäudes in dessen Keller in einem versperrten Panzerschrank Nazi-Relikte entdeckt: zwei bronzene Hitlerbüsten, ein Relief und vier Ölgemälde. Das Zentrum der Demokratie in Österreich hatte also über 70 Jahre nach Kriegsende noch immer den Diktator im Keller. Das sind Schlagzeilen.

Wer die Objekte dort deponierte, ist unklar. Sie dürften aber wohl bereits während der NS-Zeit im Parlament gesammelt worden sein, da dort ein Gaupressearchiv eingerichtet werden sollte. Der Bildhauer der Büsten, Hermann Joachim Pagels, war bereits vor 1938 illegaler Nationalsozialist, im Gauarchiv sollten unter anderem Objekte gesammelt werden, die die illegale NS-Zeit dokumentierten.

Nach längerer Debatte über den Umgang mit den Objekten wurde entschieden, sie dem Haus der Geschichte Österreich (HdGÖ) zu übergeben. Dort sind sie nun erstmals öffentlich zu sehen. Die Ausstellung Hitler entsorgen – Vom Keller ins Museum, kuratiert von Stefan Benedikt, Laura Langeder und Monika Sommer, erweitert allerdings die Perspektive auf Fragen des generellen Umgangs mit NS-Relikten.

Dachboden und Flohmarkt

Was tun mit den typischen Dachbodenfunden, mit einschlägigen Hinterlassenschaften von Verwandten oder zwielichtigen Angeboten auf Flohmärkten, im Netz und bei Antiquariaten? Die Ausstellung kreist um die drei wesentlichen Optionen: bewahren, zerstören und (ver)kaufen. Letzteres ist in Österreich aufgrund des NS-Verbotsgesetzes untersagt, was nicht heißt, dass nicht unter dem Tisch trotzdem reger Handel betrieben wird.

Die Ausstellung dokumentiert etwa Angebote im Internet, ein Mitarbeiter der Plattform Willhaben erklärt, wie man dagegen vorgeht. Auch Umgehungsstrategien werden gezeigt, etwa wie ein Wiener Antiquariat versucht, NS-Literatur für Zwecke der "historischen Bildung" zu vertreiben. Museen sei es prinzipiell erlaubt, NS-Objekte anzukaufen, Angebote gebe es immer wieder, erklären die Kuratierenden. Das HdGÖ hat sich aber aus moralischen Gründen dagegen entschieden und lehnt jene konsequent ab.

In dieses Mikrofon soll Hitler bei seiner Anschlussrede in Linz gesprochen haben. Das Objekt wurde mit eher zweifelhafter Motivation aufbewahrt und reliquienhaft über Jahrzehnte weitergegeben. Für das Museum lässt sich damit die Geschichte des öffentlichen Rundfunks von der NS-Organisation Ravag bis zum ORF erzählen.
Klaus Pichler, HdGÖ

Ein- bis dreimal wöchentlich treten Privatpersonen an das seit 2018 bestehende Geschichtsmuseum des Bundes heran, weil sie Objekte schenken oder leihen möchten. Rund 35 Prozent davon betreffen die NS-Zeit – überproportional viel, wenn man bedenkt, dass das HdGÖ Objekte von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart sammeln soll. Die Gründe liegen auf der Hand: Erstens durchdrang das Naziregime den gesamten Alltag der Menschen, was eine wahre Flut an NS-codierten Objekten, vom Tischdeckerl bis zum Kaffeehäferl nach sich zog, zweitens wollen viele Menschen sich von derlei trennen, um private Geschichtsbewältigung zu üben, und drittens sind NS-Relikte meist einfacher als solche zu erkennen als Objekte aus anderer Zeit.

Für das Museum hat es dabei freilich keinen Sinn, den 25. SS-Dolch zu sammeln – gesucht werden überwiegend Einzelobjekte, die eine über den Gegenstand hinausgehende Geschichte zu erzählen haben. Abgewiesene Schenker vermittle man aber an andere wissenschaftliche Einrichtungen weiter, oder es wird eine Entsorgung des Objekts veranlasst. Auch hierfür hat die Ausstellung interessante Beispiele parat, etwa einen Einblick in das Wohnungsräumungsunternehmen der Caritas, Carla, das NS-Objekte direkt der Müllpresse übergibt.

Nazidreck und Reliquien

Die Brücke von der Theorie zur Praxis schlägt die Ausstellung sehr anschaulich anhand von 14 Objekten. Sie wurden in einer Art Backstage-Setting auf kleinen Tischchen drapiert, keine Sockel, keine Inszenierung, ganz so, wie sich die Objekte den Museumsmitarbeitern bei der Einlieferung präsentieren. Sogar die Originalverpackungen und Begleitbriefe sind ausgestellt, wodurch die jeweilige Motivation des Schenkers deutlich wird. Sie reichen vom Loswerden des "Nazidrecks" im Plastiksackerl bis zur fürsorglichen Bewahrung in der Geschenkbox.

Auf praktischen Handkärtchen finden sich nicht nur Infos zum Objekt, sondern auch darüber hinausgehende geschichtliche Bezüge: So wird über ein Mikrofon, in das Hitler bei seiner Anschlussrede in Linz gesprochen haben soll und das über Jahrzehnte reliquienartig weitergegeben wurde, die Geschichte des öffentlichen Rundfunks von der NS-Organisation Ravag bis zum ORF erzählt. Andere Objekte sind persönlicher, wie eine Feldpostkiste, die ein Wehrmachtssoldat mit Raubgut vom Frankreichfeldzug gefüllt hatte und später für seine Töchter zu einem Puppenwagen umbaute.

Die Hitlerköpfe aus dem Parlament wandern nach der Ausstellung wieder ins Depot. Hervorholen wird man sie wohl unter anderem dann, wenn es darum geht, Lücken in der NS-Aufarbeitung zu belegen. (Stefan Weiss, 13.12.2021)