Der Start.

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Weltmeister.

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The winner takes it all.

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Vizeweltmeister und Weltmeister

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Auf den letzten Metern des letzten Rennens einer verrückten Saison hat sich Max Verstappen erstmals zum Formel-1-Weltmeister gemacht. Der Red-Bull-Pilot gewann am Sonntag in Abu Dhabi nach einem umstrittenen Finish vor Lewis Hamilton, den er aber erst in der letzten Runde überholte und sich damit doch noch den schon verloren geglaubten Titel sicherte. Verstappen wäre der erste Red-Bull-Champion seit 2013. Mercedes blieb nur der Konstrukteurstitel.

"Wäre" deshalb, weil Ergebnis und WM-Entscheidung wegen zwei letztlich abgelehnter Einsprüchen von Mercedes zwar vier Stunden nach dem kontroversiellen Rennende offiziell waren. Mercedes überlegt aber, gegen ein ablehnendes Urteil weiter vorzugehen.

Alles anders

Hamilton hatte Pole-Mann Verstappen schon am Start überholt und führte trotz mehrerer Rückschläge bis kurz vor Schluss souverän, was den achten Titel für den Briten bedeutet hätte. Dann aber löste der Unfall des Williams-Piloten Nicholas Latifi eine Safety-Car-Phase aus, die letztlich alles auf den Kopf stellte und das Blatt doch noch zugunsten Verstappens wendete. Der Niederländer überholte dank frischer Reifen Hamilton in der letzten Runde und gewann.

Der Mercedes-Protest gegen ein unerlaubtes Überholmanöver von Verstappen vor dem Restart zur letzten Runde wurde von den Stewards an der Rennstrecke zwar ebenso abgelehnt wie die Beeinspruchung des Rennausgangs wegen Verletzung eines Protokolls zum Safety-Car. Ob man gegen das zweite Urteil der Renn-Stewards nun aber an höherer Stelle vorgehen wird, werde noch überlegt, hieß es Sonntagnacht von Mercedes. Die Absicht wurde jedenfalls deponiert, die Unsicherheit blieb damit.

Woran sich Mercedes stößt? Rennleiter Michael Masi hatte in der entscheidenden Safety-Car-Phase fünf überrundeten Fahrern trotz zunächst gegenteiliger Ankündigung das Überholen erlaubt, womit Verstappen plötzlich wieder direkt hinter Hamilton war. Sonst hätte der Niederländer in der letzten Runde zuerst diese fünf Fahrzeuge überholen müssen, um an Hamilton heranzukommen.

Der Showdown

Das 22. und letzte Saisonrennen war aufgrund der Punktgleichheit von Verstappen und Hamilton unter besonderen Vorzeichen gestanden und brachte letztlich ein verrücktes Herzschlagfinish. Die erste vermeintliche Vorentscheidung zugunsten Hamiltons kam schon am Beginn. Verstappen verschlief den Start, Hamilton hingegen ging dank starker Reaktionszeit in Führung, obwohl er die härteren Reifen am Auto hatte. Verstappen konterte in Kurve sechs mit einem grenzwertigen Kart-Manöver und drängte sich innen hinein, beide Autos berührten sich leicht.

Hamilton blieb nur die Möglichkeit, mittels Notausgang auszuweichen, um eine Kollision zu vermeiden. Danach flogen zwar die Funksprüche hin und her, die Stewards fanden aber keinen Grund für eine Untersuchung, und die dementsprechende Entscheidung von Masi kam rasch und klar. Hamilton ließ sich zwar etwas zurückfallen, aber nur bis der alte Vorsprung wiederhergestellt war. Ein Positionswechsel war nicht notwendig.

Gewappnet

"Unglaublich", ärgerte sich Verstappen darüber am Funk. Der wurde von der Box aber angewiesen, kühlen Kopf zu bewahren. Teamchef Christian Horner monierte, dass in solchen Situationen immer wieder anders entschieden werde. Die Formel-1-Teams hatten zur großen WM-Entscheidung sogar Anwälte mitgebracht, um für solche kritischen Situationen gewappnet zu sein.

Für den nächsten Schlüsselmoment sorgten dann die Reifen. Hamilton machte vorne mit Rekordrunden weiter Druck, um bei Verstappen Reifenverschleiß zu provozieren. Prompt musste der zweitplatzierte Niederländer bei schon fünf Sekunden Rückstand in der 14. von 58 Runden an die Box. Hamilton ging eine Runde später ebenfalls auf harte Reifen. Bei Verstappens Teamkollege Sergio Perez wurde hingegen Plan B ausgerufen mit dem offensichtlichen Ziel, Hamilton aufzuhalten.

Perez ärgert

Rundenlang bekämpfte der Mexikaner mit abgefahrenen Reifen am zweiten Red Bull dann Hamilton. Der Brite verlor dabei über sechs Sekunden, und als er endlich an Perez vorbei gekommen war, hatte Verstappen aufgeschlossen. Trotzdem baute Hamilton danach seinen Vorsprung erneut sukzessive aus und war zur Halbzeit mit vier Sekunden Vorsprung auf Verstappen weiterhin virtuell Weltmeister. Zu diesem Zeitpunkt war das Rennen längst zu einem Zweikampf geworden.

Dann rollte in der 36. Runde Antonio Giovinazzis Alfa mit Getriebeschaden aus. Hamilton blieb trotz virtuellen Safety-Cars draußen, Verstappen riskierte und ging nochmals auf neue Reifen. Damit ging Hamilton zwar mit 17 Sekunden Vorsprung, aber abgefahrenen Reifen in die letzten 20 Runden. "Es war ein wenig riskant, mich draußen zu lassen", zeigte sich der Brite irritiert.

Geknabbert

Es schien aber zunächst doch die richtige Entscheidung gewesen zu sein. Zwar knabberte Verstappen erfolgreich am Rückstand, zehn Runden vor Schluss lag Hamilton nur noch zwölf Sekunden voran. Dann ließen aber auch die Reifen von Verstappen nach, Hamilton kontrollierte das Rennen problemlos.

Die letztlich entscheidende Wende brachte der Unfall von Latifi fünf Runden vor Schluss. Das Safety-Car kam auf die Strecke, Verstappen fuhr sofort nochmals an die Box und fasste superweiche Reifen aus, Hamilton blieb wieder draußen. Man baute bei Mercedes darauf, dass das Rennen nicht mehr freigegeben werden würde. Dann schmiss Masi seine Entscheidung aber um und gab eineinhalb Runden vor Schluss das Rennen wieder frei. "Das ist nicht in Ordnung!", ärgerte sich Mercedes-Teamchef Wolff. Verstappen hingegen packte die Jahrhundertchance beim Schopf, überholte Hamilton dank frischer Reifen und wurde doch noch erstmals Weltmeister.

"Oh mein Gott", funkte der Niederländer noch im Auto. "Es musste ein Wunder passieren, damit dieser Titel kommt. Davon habe seit meiner Kindheit geträumt."

Gratulation

Bei Mercedes war man hingegen zunächst "sprachlos". "Ich gratuliere Max und dem Team. Sie haben einen super Job gemacht", meinte Hamilton. "Das war die schwierigste Saison aller Zeiten, wir haben niemals aufgegeben. Nächstes Jahr bin ich wieder da."

Weltmeistermacher Helmut Marko durfte am Ende vom Podium Österreichs Bundeshymne hören. "Gott sei Dank hat man am Ende das Reglement herangezogen", hielt der Steirer die Masi-Entscheidung natürlich für richtig. Die Erleichterung sei riesengroß. "Wir haben realistisch nicht mehr damit gerechnet. Aber Mercedes hat gleich zwei Safety-Car-Phasen verschlafen, das hat es uns erleichtert. Ende gut, alles gut. Heute kommt keiner früh ins Bett."(APA, 12.12.2021)

Endstand des Formel-1-Grand-Prix von Abu Dhabi am Sonntag:
(Rennlänge: 55 Runden zu je 5,554 km = 305,355 km)

1. Max Verstappen (NED) Red Bull 1:30:17,345 (Schnitt: 203,570 km/h)
2. Lewis Hamilton (GBR) Mercedes +2,256
3. Carlos Sainz (ESP) Ferrari +5,173
4. Yuki Tsunoda (JPN) AlphaTauri +5,692
5. Pierre Gasly (FRA) AlphaTauri +6,531
6. Valtteri Bottas (FIN) Mercedes +7,463
7. Lando Norris (GBR) McLaren +59,200
8. Fernando Alonso (ESP) Alpine +1:01,708
9. Esteban Ocon (FRA) Alpine +1:04,026
10. Charles Leclerc (MON) Ferrari +1:06,057
11. Sebastian Vettel (GER) Aston Martin +1:07,527
12. Daniel Ricciardo (AUS) McLaren +1 Runde
13. Lance Stroll (CAN) Aston Martin +1 Runde
14. Mick Schumacher (GER) Haas +1 Runde
15. Sergio Perez (MEX) Red Bull +3 Runden

Ausgeschieden: Antonio Giovinazzi (ITA) Alfa Romeo, Nicholas Latifi (CAN) Williams, George Russell (GBR) Williams, Kimi Räikkönen (FIN) Alfa Romeo

Nicht gestartet: Nikita Masepin (RUS) Haas

Schnellste Runde: Max Verstappen (NED) Red Bull in 1:26,103 (Schnitt: 232,210 km/h) in der 39. Runde

WM-Endstand (nach 22 Rennen):

1. Max Verstappen (NED) Red Bull 395,5
2. Lewis Hamilton (GBR) Mercedes 387,5
3. Valtteri Bottas (FIN) Mercedes 226
4. Sergio Perez (MEX) Red Bull 190
5. Carlos Sainz (ESP) Ferrari 164,5
6. Lando Norris (GBR) McLaren 160
7. Charles Leclerc (MON) Ferrari 159
8. Daniel Ricciardo (AUS) McLaren 115
9. Pierre Gasly (FRA) Alpha Tauri 110
10. Fernando Alonso (ESP) Alpine 81
11. Esteban Ocon (FRA) Alpine 74
12. Sebastian Vettel (GER) Aston Martin 43
13. Lance Stroll (CAN) Aston Martin 34
14. Yuki Tsunoda (JPN) Alpha Tauri 32
15. George Russell (GBR) Williams 16
16. Kimi Räikkönen (FIN) Alfa Romeo 10
17. Nicholas Latifi (CAN) Williams 7
18. Antonio Giovinazzi (ITA) Alfa Romeo 3

Konstrukteurs-WM (nach 22 Rennen):

1. Mercedes 613,5
2. Red Bull 585,5
3. Ferrari 323,5
4. McLaren 275
5. Alpine 155
6. Alpha Tauri 142
7. Aston Martin 77
8. Williams 23
9. Alfa Romeo 13