Gerhard Karner ist seit Montag vergangener Woche Innenminister. Schon jetzt hagelt es Rücktrittsaufforderungen.

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Initiiert von jüdischen Hochschülerinnen und Hochschülern, haben zahlreiche Personen des öffentlichen Interesses einen offenen Brief unterzeichnet, der den Rücktritt von Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) wegen dessen antisemitischer Rhetorik fordert.

Die Unterstützer der Initiative seien "erschüttert und besorgt" über die Wortwahl Karners in der Vergangenheit, etwa im Landtagswahlkampf in Niederösterreich. "Wir sind der Überzeugung, dass diese Person für das Amt des Innenministers vollkommen ungeeignet ist und fordern die Bundesregierung dazu auf, unsere Sicherheit in die Hände gemäßigter Politik zu legen", heißt es in dem Schreiben.

Prominente Unterzeichner

Zu den Unterzeichnern zählen Schriftstellerin Elfriede Jelinek, Autor Doron Rabinovici und die frühere OGH-Präsidentin Irmgard Griss. Auch die Österreichische Hochschüler_innenschaft unterstützt den Appell.

Auf Anfrage verwies ein Sprecher Karners am Montag auf ein Interview des Innenministers mit der Tageszeitung "Kurier" (Samstag-Ausgabe). Dort betonte Karner, dass er seit seiner "Studentenzeit gegen jede Form des Extremismus, vor allem auch des Faschismus eintrete". Das Eintreten gegen Antisemitismus sei ihm ein "persönliches Anliegen". Die im Landtagswahlkampf gefallenen Formulierungen würde er heute nicht mehr verwenden. Überhaupt fielen in Wahlkampfzeiten "generell Wörter und Sätze, die man wahrscheinlich danach nicht mehr so verwendet".

Der Brief im Wortlaut:

"Österreichs Geschichte ist gezeichnet von Antisemitismus, Diktatur und Nationalsozialismus. Von Lueger, der Hitler als Idol diente, zu Dollfuß, der der Diktatur den Weg ebnete, bis hin zu Waldheim, der seine SA-Vergangenheit verschwieg. Wir hatten gehofft, dass die Kontinuität antisemitischer Politik in den gemäßigten österreichischen Parteien ein Ende genommen hat.

Gerade vor dem Hintergrund des begrüßenswerten 'Nationalen Aktionsplan gegen Antisemitismus' sind wir erschüttert und besorgt über die Ernennung Gerhard Karners als Innenminister, der sich in seinem Landtagswahlkampf antisemitischer Rhetorik bediente und sich davon nicht distanzieren will. Laut Karner habe die SPNÖ mit 'Herren aus Amerika und Israel gegen das Land gearbeitet', diese seien 'Klimavergifter'. Die antisemitische Dimension dieser Äußerung ist offensichtlich, denn sie drückt einerseits die Vorstellung der 'Jüdischen Weltverschwörung' aus und bemüht andererseits die jahrhundertealte Legende des 'jüdischen Brunnenvergifters'.

Wir sind der Überzeugung, dass diese Person für das Amt des Innenministers vollkommen ungeeignet ist und fordern die Bundesregierung dazu auf, unsere Sicherheit in die Hände gemäßigter Politik zu legen.

Wir fordern somit die Neubesetzung dieses wichtigen Amts."

IKG-Präsident: Aussagen "hochproblematisch"

Am Montag meldete sich auch der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch, in einer Stellungnahme zu Wort und kritisierte die Wortwahl Karners scharf: Die Aussagen seien "hochproblematisch". Er gehe davon aus, dass Karner "nicht nur seine Aussagen nicht wiederholen wird – das ist ja eine Selbstverständlichkeit – sondern dass er den antisemitischen Gehalt der Formulierungen von damals als solche benennt und sie unmissverständlich bedauert. Einen Fehler einzugestehen ist kein Zeichen von Schwäche sondern würde in diesem Fall zu einem sorgsameren Umgang mit antisemischen Stereotypen betragen." (luza, 12.12.2021)