Wer schaut schon aufs Geld? Das Papier ist täglicher Gebrauchsgegenstand und alltägliches Designstück. Hier norwegische Banknoten.

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Die Norweger bezahlen verpixelt. Während ihre Banknoten vorne in knalligen Farben Meeresmotive zeigen, zieren die Rückseite Fjorde voller Bildpunkte in geometrischen Gebilden. Auf der 200-Kronen-Note könnte der Kontrast zwischen dem fast fotografisch scharfen Dorsch und dem in ein modernes Mosaik zerlegten Fischerboot am Horizont stärker nicht sein. Abstrakte Kunst zum Kaufen.

"Wir wollten die digitale Welt etwas necken", sagt Matthias Frodlund vom Architekturbüro Snøhetta, das die Bilder gestaltet hat. "Seht mal, wir können so sein wie ihr, digital und verpixelt, nur viel schöner."

Die monochromen Bildzellen sind auf den verschiedenen Noten unterschiedlich groß und symbolisieren die Beaufortskala, mit der Meteorologen die Windstärke messen. Auf dem 50er mit sanfter Brise in kurzen Würfelformen. Lange Quader zieren den 1000er, auf dem es heftig pustet.

"Es ist punkiges Geld und auf gewisse Weise Avantgarde", sagt Matthias Frodlund.

Wer schaut schon aufs Geld? Es lohnt sich. Das Papier ist täglicher Gebrauchsgegenstand und alltägliches Designstück. Schon vor knapp 1000 Jahren hielten Chinesen das erste Papiergeld in den Händen, größere Lappen, auf denen meist Schrift die einzige Gestaltung war. In Europa gab es erst im ausgehenden 17. Jahrhundert die ersten Scheine, ebenfalls handgemalt. Später waren Engelchen, Putten und die Landesfürsten Zierde des Zahlungsmittels. Bis heute sind es meist Gestalten oder Gebäude aus der Geschichte, die auf den Geldscheinen zu sehen sind.

Geldberuf

Banknotendesign ist kein Studienberuf. Die meisten sind Grafiker und bekommen irgendwann Lust, sich an Ausschreibungen für neue Scheine zu beteiligen, und lernen das Gefühl fürs Geld bei ihren Arbeiten. Wichtig ist, zu verstehen, bei dem Job hat die eigene Kunst ihre Grenzen.

Manuela Pfrunder hat mehr als elf Jahre am neuen Schweizer Geld gebastelt, immer wieder gab es neue Vorgaben der Staatsbank. Auf der 50-Franken-Note ist ein Bergpanorama zu sehen. Pfrunder erinnert sich an unendlich viele Diskussionen "über ein scheinbar einfaches Motiv". Am Ende fiel die Wahl auf die Schweizer Alpen Jungfrau-Aletsch, ein Unesco-Weltnaturerbe in den Kantonen Bern und Wallis.

Es geht nicht nur um Zeichnungen, sondern auch um Zeichen, damit der schöne Schein nicht trügt. Wasserzeichen, Sicherheitsfäden, Hologramme, Glanzstreifen sollen Fälschern die Laune verderben und erschweren den Gelddesignern ihre Arbeit, weil sie all die Merkmale mit in ihre Entwürfe einbauen müssen.

Während sich die Europäer bei Farbe und Form recht konservativ geben, leuchtet es weltweit grell, oft auch im Hochformat. Der Schwarzkehlkardinal in Trinidad und Tobago, Wasserfälle auf Samoa oder der Quastenflosser, der in den Gewässern der Komoren wiederentdeckt wurde. Die Natur der Länder prägt die Papiernoten.

Mancher Schein trieb schon mal peinliche Blüten. Die philippinische Zentralbank vergaß beim Gelddrucken kürzlich auf einer Landkarte mehrere Inseln. Sicherlich unfreiwillig geriet 1968 die 50-Rupien-Note der Seychellen in die Schlagzeilen. Neben dem Porträt der britischen Königin standen drei Palmen. Die Blattwedel der Bäume wogten so im Wind, dass ohne viel Fantasie das Wort Sex zu lesen war.

Austro-Euro

Robert Kalina machte Geld. Immer so viel, wie er sollte. Selbst kleine Scheine waren ihm nicht weniger wert. Mit schönem Papiergeld verdient der Wiener sein Einkommen. Der Österreicher ist in der äußerst kleinen Branche der Geldgrafiker ein berühmter Mann. Nicht nur alle österreichischen Schillingscheine seit 1982 gingen auf seine Entwürfe zurück, er ist auch Schöpfer der Euronoten.

"Es ist reizvoll, die erste Serie für eine Währung zu gestalten." Eine Gelegenheit, "die man nur einmal im Leben bekommt". So reizvoll der Job war, so diffizil war er auch. 28 Länder, und keines darf nörgeln, keines sich zurückgesetzt fühlen. Wie nationale Befindlichkeiten bedenken und trotzdem Europa zwischen Nordsee und Mittelmeer auf einem Geldschein vereinen?

Beim Spaziergang durch seine Heimatstadt Wien kam die Idee. Brücken bauen, Fenster öffnen, weite Tore. Eintreten und sich verbinden, das wäre es. Kalina war sich sicher, seine "Fenster stehen für Offenheit und Blick in die Zukunft und Brücken überwinden immer ein Hindernis" auf dem Weg zwischen zwei Orten.

Und so beginnt die Euroserie mit dem Zeitalter der Klassik auf dem Fünfer und endet mit der modernen Architektur. Fenster und Tore auf der Vorderseite, die Brücken der verschiedenen Epochen auf der Rückseite. Kunstgeschichte zum Bezahlen. Der Wiener dachte sich die Brücken selbst aus und nahm dabei Bauten aus der realen Welt zum Vorbild. Diskussionen mit Historikern und Brückenbauingenieuren sollten helfen, dass die Viadukte der Fantasie nicht zu fantasievoll würden.

Zusammenstürzendes Aquädukt

Das Aquädukt auf der Fünf-Euro-Note wäre allerdings "beizeiten zusammengestürzt", bemängeln Kritiker. Die vorderen, oberen Pfeiler ruhten genau auf der Mitte der dünnsten Stelle der darunterliegenden Korbbögen. Offenbar eine bauhistorische Stilblüte.

Bei der Erstausgabe 2002 wurden fast 15 Milliarden Noten gedruckt, alle im Kalina-Design. Mittlerweile ist eine zweite, leicht adaptierte Serie im Umlauf. Nicht weil die Brüsseler Notenbank Kalinas Entwürfen überdrüssig war, einzig der üblichen analogen Sicherheitsupdates wegen.

Immer noch sind die Entwürfe des Wieners in jedem Portemonnaie. Brücken, Tore, Fenster, jetzt mit freudiger Farbe, die mehr Lust in die statischen Bauwerke bringen soll. Und das Geld ist menschlicher geworden. Das Gesicht der Göttin Fortuna zeigt sich in den Wasserzeichen und auf einem länglichen Streifen vorne und hinten. Die Änderungen stammen vom Berliner Reinhold Gerstetter, der einst die DM-Scheine in Westdeutschland gestaltete und dem nun eine zweite Chance gegeben wurde.

Denn Gerstetter hatte sich auch an der ersten Euro-Noten-Ausschreibung beteiligt und Zeichnungen mit fiktiven Personen aus verschiedenen Zeitaltern eingereicht. Es gewann aber der Österreicher Robert Kalina mit seinem realen Brückenschlag. (Caroline Wesner & Oliver Zelt, RONDO, 31.12.2021)