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Die Preise für Grundnahrungsmittel wie Brot sind in Algerien stark gestiegen, was zu Spannungen führt.

Foto: Reuters / Abdelaziz Boumzar

Als ob die Corona-Pandemie nicht genug wäre, das unter einer schweren Wirtschaftskrise leidende Land zu destabilisieren. Erschwerend kommt hinzu, dass sich eine schwache Weizen- und eine ebenfalls wenig ergiebige Kartoffelernte in Algerien aneinandergereiht haben.

Die Preise beider Grundnahrungsmittel sind drastisch gestiegen, sodass sich die Regierung unter Präsident Abdelmadjid Tebboune gezwungen sieht, die Subventionen für Grundnahrungsmittel zu kappen. Ein Schritt, auf den auch Weltbank und Internationaler Währungsfonds (IWF) drängen. Sollte es tatsächlich dazu kommen, sollen im Gegenzug Sozialleistungen erhöht werden, verspricht Premier Aymen Benabderrahmane.

Rückenwind für Massenproteste

Der unpopuläre Schritt könnte den Massenprotesten des "Hirak" (deutsch: Bewegung) gegen die Regierung und für mehr Demokratie Rückenwind geben. Nach der Covid-bedingten "Zwangspause" der im Februar 2019 begonnenen Freitagsdemonstrationen sowie massiver Unterdrückung der Bewegung gilt bis dato noch ein Versammlungsverbot.

Knapp 15 Milliarden Euro wendet Algerien jährlich aus Budgetmitteln auf, um die Kosten von Trinkwasser, Milch, Brot, Mehl oder Grieß (Couscous) und anderer essenzieller Produkte wie Benzin und Strom niedrig zu halten. Bis zum Ausbruch von Corona war dies durch die Gas- und Ölexporte noch finanzierbar.

Die rund 43 Millionen Einwohner Algeriens konsumieren jährlich an die elf Millionen Tonnen Weizen. Die Angaben stammen von der US-amerikanischen Landwirtschaftsbehörde USDA. Deren Daten zufolge war Nordafrika mit zuletzt fast 30 Millionen Tonnen der größte Importeur von Weizen weltweit.

Auch Kartoffeln teurer

Ähnlich dem Weizen- und damit dem Brotpreis sind die Preise für Kartoffeln ein Garant für soziale Ruhe im Land, sofern sie niedrig sind. In Algerien ist der Kilopreis für Kartoffeln in den vergangenen Wochen aber von knapp 60 auf über 140 algerische Dinar geklettert, das sind umgerechnet 89 Euro-Cent. Und das in einem Land, wo das Mindesteinkommen unter 20.000 Dinar oder knapp 127,5 Euro monatlich liegt. Die hohen Kosten für Nahrungsmittel sind eine exorbitante Belastung. Handelsminister Kamel Rezig sah sich gezwungen, mehr Kartoffeln zu importieren und einen Fixpreis von 50 Dinar festzulegen.

Die Gründe für den sprunghaften Anstieg der Kartoffelpreise sind unter anderem, dass der Dinar sehr an Wert eingebüßt hat. So haben sich die Kosten für importierte Düngemittel mehr als verdoppelt. Der Zentner kostet die algerischen Landwirte 4.000 Dinar. Auch der Plan, mehr heimische Kartoffeln anzubauen, verpuffte. Der Ertrag war heuer nur halb so groß wie von den Behörden erhofft.

Schlechte Aussichten

Auch für die kommenden Ernten sieht es nicht gut aus, weder beim Weizen noch bei Kartoffeln. Schuld daran tragen die Wetterkapriolen der vergangenen Monate. Extremer Hitze und Trockenheit im Oktober folgten späte Niederschläge mit überaus heftigem Starkregen. In der landwirtschaftlich wichtigen Provinz Tiaret gab es Überschwemmungen, was die Aussaat des Winterweizens bis jetzt verzögert hat. In anderen Provinzen sieht es nicht besser aus, der ideale Aussaatzeitpunkt ist längst vorbei. Nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums in Algier schmälert jeder Tag, an dem später ausgesät wird, den Weizenertrag um rund 25 Kilo je Hektar.

Risikofaktor

Die Ernährungssituation der Bevölkerung ist aktuell ein weiterer Risikofaktor in der Maghreb-Region. Dabei ist die politische Lage, insbesondere zwischen den Nachbarn Algerien und Marokko, ohnehin stark angespannt. Der Grund dafür ist der Konflikt in der Westsahara. Algier hat im November seine Gaslieferungen an Marokko gestoppt und auch diplomatische Beziehungen zu Frankreich abgebrochen, das zuletzt mehr als 300.000 Tonnen Weizen an Algerien geliefert hat.

Auch in Marokko und Tunesien sieht sich die Bevölkerung mit kräftig gestiegenen Lebensmittelpreisen konfrontiert, ein Phänomen, das insbesondere von Importen abhängige Staaten trifft. Der Food-Price-Index der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO hat im heurigen Oktober einen seit Juli 2011 nicht mehr gesehenen Höchststand verzeichnet. Neben der Inflation und den hohen Energiekosten sind die gestiegenen Weizenpreise der Grund dafür. Am US-Futures-Markt ist der Weizenpreis laut "Wall Street Journal" seit Beginn des Jahres um nicht weniger als 26 Prozent gestiegen. (Jan Marot, 14.12.2021)