Der israelische Ministerpräsident Naftali Bennett zu Besuch beim Kronprinzen von Abu Dhabi, Mohammed bin Zayed Al Nahyan. Die Beziehungen zwischen den Emiraten und Israel entwickeln sich gut.

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Das Attribut "historisch", auch wenn die Weichen zu diesem Besuch längst gestellt waren, darf Naftali Bennett für sich beanspruchen: Der israelische Ministerpräsident besuchte am Montag die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und deren De-facto-Herrscher, den Kronprinzen von Abu Dhabi, Mohammed bin Zayed Al Nahyan. Ministerbesuche in den VAE sind fast schon normal, aber Bennett ist der erste israelische Regierungschef in Abu Dhabi.

Sein Vorgänger Benjamin Netanjahu, unter dem die Normalisierung zwischen Israel und dem Golfstaat im September 2020 in Washington als einer von damals zwei "Abraham Accords" – der andere war mit Bahrain – formalisiert wurde, war das nicht vergönnt. Dreimal war Netanjahus Besuch in Abu Dhabi geplant und aus unterschiedlichen Gründen abgesagt worden: Corona, eine diplomatische Verstimmung mit Jordanien (das Israel kurzfristig Überflugsrechte entzog) und am Ende im März 2021 die mangelnde Bereitschaft von Mohammed bin Zayed, für Netanjahus Wahlkampf Fotos zu liefern.

Viel mehr als freundliche Bilder und Statements über die Vertiefung der Beziehungen und Zusammenarbeit in vielen Sektoren war für die Öffentlichkeit vom Zusammentreffen Bennetts mit MbZ, wie Mohammed bin Zayed oft genannt wird, auch diesmal nicht zu erwarten. Israelische Journalisten waren nicht dabei, als Begründung wurde die neuerliche Corona-Gefahr genannt.

Gesprächsthema Iran

Dabei stand auch politisch Hochbrisantes auf dem Gesprächsprotokoll: die unterschiedlichen Ansätze Israels und der VAE zur Diplomatie vis-à-vis Teheran. Iran dominiert so sehr den Diskurs, dass sich der israelische Botschafter in Abu Dhabi, Amir Hayek – er wurde erst im Juli 2021 ernannt –, bemüßigt fühlte zu betonen, dass Bennett und sein Gastgeber auch über anderes reden würden.

Die VAE versuchen, mit Iran diplomatisch im Gespräch zu bleiben, was 2019, als die Spannungen am Persischen Golf in den Eskalationsmodus rutschten, prinzipiell begrüßt wurde, auch von den USA. Erst vergangene Woche jedoch haben die VAE ihren seit Jahren hochrangigsten Besucher nach Teheran geschickt: Tahnoun bin Zayed ist nicht nur Nationaler Sicherheitsberater, sondern auch ein jüngerer Bruder von MbZ (und wie dieser ein Halbbruder des amtsunfähigen Herrschers von Abu Dhabi, der auch Präsident der VAE ist).

Israel hingegen ruft zur völligen politischen und wirtschaftlichen Isolierung Irans auf. Anfang Dezember appellierte Bennett an alle Beteiligten der in Wien stattfindenden Atomverhandlungen mit dem Iran, diese sofort abzubrechen. Für etliche Sabotageakte im Iran, vor allem gegen das Atomprogramm, wird Israel verantwortlich gemacht.

Druck aus Washington

Die USA, die mit dem Iran in Wien indirekt verhandeln, wollen ihrerseits den Druck erhöhen – und befürchten, dass die VAE das unterlaufen könnten. Washington droht nun VAE-Unternehmen und Banken, die sich im Iran engagieren, mit Sanktionen. Eine private, in Dubai ansässige Holding hat zuletzt einen Vertrag zur Errichtung von Thermal-, Solar- und Windkraftwerken im Iran unterschrieben.

Der unterschiedliche Ansatz der emiratischen Politik zeigt sich auch beim Thema Syrien: Die VAE sind Avantgarde, wenn es um die Normalisierung der Beziehungen zum Regime von Bashar al-Assad und die Wiederaufnahme Syriens in die Arabische Liga geht. Während Israel regelmäßig iranische Interessen in Syrien angreift, haben die VAE ihre Botschaft in Damaskus wieder eröffnet. Und Mohammed bin Zayed hat kürzlich sogar einen Besuch bei Präsident Tayyip Erdogan absolviert, der ideologisch den Muslimbrüdern zugerechnet wird, die in den VAE verhasst sind.

Letztlich könnte auch Israel von der Verbindung zu einem arabischen Regime profitieren, das mit allen, auch Israels Feinden, reden kann. Die bilateralen Beziehungen zwischen Israel und den VAE haben sich jedenfalls gut entwickelt: Nun sind Kooperationen offiziell möglich, die früher hinter den Kulissen abgewickelt werden mussten, vor allem im Sicherheitsbereich.

Flüge nach Dubai

Aber die Normalisierung erreicht auch die normalen Leute: Mittlerweile heben täglich mehrere Maschinen von Tel Aviv nach Dubai ab, viele israelische Touristen kommen so erstmals an den Golf. Der bilaterale Handel hat sich vervielfacht (laut Reuters von 125 auf 500 Millionen US-Dollar bis zum Herbst 2021), die VAE haben einen Fonds für Investitionen in Israel von zehn Milliarden US-Dollar aufgelegt, Joint Ventures gibt es in vielen Bereichen.

Im November hielten Israel, die VAE und Bahrain ihr erstes gemeinsames Marinemanöver ab, ein starkes Zeichen an Teheran. Mit Marokko – dem in der Reihenfolge vierten arabischen Staat, der sich 2020 den Abraham Accords anschloss – hat Israel Ende November ein Memorandum über Sicherheitszusammenarbeit abgeschlossen.

Hingegen stockt die Umsetzung der Normalisierung mit dem dritten dieser Länder, dem Sudan, nicht erst seit den jüngsten politischen Unruhen. Und anders als vom damaligen US-Präsidenten Donald Trump – dem Paten dieser Deals – angekündigt, schloss sich seither auch kein weiterer Staat den Abraham Accords an. Trump hoffte auf Saudi-Arabien. (Gudrun Harrer, 13.12.2021)