Der Westen versucht, den russischen Diktator Wladimir Putin davon abzuhalten, die Ukraine unter seinen Einfluss zu bringen. Ein Hebel dazu ist, die Inbetriebnahme der Gaspipeline Nord Stream 2 von Russland nach Deutschland (vorläufig?) zu stoppen. Es ist ein schwieriger Balanceakt.

Was tut das EU-Mitglied Österreich? Es grätscht voll in die westliche Diplomatie hinein, unterläuft fröhlich alle Bemühungen der EU, zu einer gemeinsamen Strategie zu kommen. Der neue Kanzler Karl Nehammer wird in deutschen Zeitungen mit der Ansage zitiert, dass die praktisch fertige Pipeline möglichst rasch Gas liefern soll – und es sei "falsch, die Inbetriebnahme mit Russlands Verhalten im Ukrainekonflikt zu verknüpfen". Außenminister Alexander Schallenberg äußerte sich ähnlich.

Der Hintergrund: Putin bedroht die Ukraine mit einem massiven Truppenaufmarsch von mehr als 100.000 Mann und schwerem Gerät. Selbst wenn keine Invasion geplant sein sollte, hat das "Manöver" unzweifelhaft den Sinn, die unabhängige Ukraine wieder in den Einflussbereich Russlands zu bringen. Dem diente die Annexion der Krim und die Unterstützung der "Rebellen" in der Ostukraine.

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Bundeskanzler Karl Nehammer will eine rasche Inbetriebnahme der Gaspipeline Nord Stream 2.
Foto: AP/Lisa Leutner

Es handelt sich um postsowjetischen Imperialismus. Kürzlich veröffentliche Putin einen Grundsatzessay über "Die historische Einheit der Russen und Ukrainer": Bei Russen und Ukrainern handle es sich um "ein Volk", und die "wahre Souveränität der Ukraine sei nur in Partnerschaft mit Russland möglich".

Glaubwürdige Abschreckung

Der Westen nimmt diese Aggression Putins ernst und bemüht sich um eine glaubwürdige Abschreckung. US-Präsident Joe Biden hat in einem Videogespräch Putin offenbar gedroht, im Falle einer Aggression, Russland vom internationalen Swift-Zahlungsverkehr abzuschneiden. Das wäre schlecht für den Westen, verheerend für die russische Wirtschaft. Die G7-Gruppe der Industrienationen drohte vor einigen Tagen Russland mit "massiven Sanktionen".

Die EU-Außenminister sprachen unmittelbar danach auch eine Warnung an Russland aus, die Grenzen in Europa nicht gewaltsam zu verändern. Die neue deutsche Außenministerin Annalena Baerbock feuerte einen Warnschuss ab: Die Gaspipeline Nord Stream 2, die von Russland unter der Ostsee nach Deutschland führt, erfülle ohnehin nicht die Voraussetzungen des europäischen Energierechts. Außerdem bestehe ein Einverständnis zwischen Deutschland und den USA, abgeschlossen von der Regierung Angela Merkel, "dass bei weiteren Eskalationen diese Pipeline so nicht weiter ans Netz gehen könnte."(!)

Nicht nur Österreich will, dass Nord Stream 2 in Betrieb geht. Aber Österreich versucht immer eine kleine Extratour, auch wenn es frühere Sanktionen widerwillig mittrug. Ex-Kanzler Sebastian Kurz wollte den in der EU nicht zugelassenen Sputnik-Impfstoff usw. Die OMV unter dem seinerzeitigen Direktor Rainer Seele hat sich tief mit dem russischen Konzern Gazprom eingelassen und viel zu Nord Stream beigetragen. Was Nehammer und Schallenberg da jetzt machen, untergräbt die ohnehin schwierige Verhandlungsposition der EU. (Hans Rauscher, 15.12.2021)