Den Arbeitskollegen begegnet man nur noch virtuell, der Dresscode ist legerer geworden, und auch der Alkoholkonsum fällt remote weniger auf. Mehr als ein Viertel sitzt verkatert im Homeoffice: Zu diesem Ergebnis kommt eine Umfrage von Alliance Virtual Offices, einem Anbieter von virtuellen Businesslösungen, unter 9.000 US-amerikanischen Managern und Angestellten.

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) schlug bereits im Frühjahr Alarm. Einer Untersuchung zufolge hat sich die Pandemie negativ auf die Trinkgewohnheiten vieler Menschen ausgewirkt. Österreich liegt beim Alkoholkonsum über dem Schnitt der OECD-Länder. Exakt zwölf Liter reinen Alkohols pro Kopf und Jahr in der Bevölkerung ab 15 Jahren werden hierzulande dem Bericht zufolge konsumiert. Das entspricht rund zweieinhalb Flaschen Wein oder 4,6 Litern Bier pro Woche und Person.

Doch auch schon vor Corona war übermäßiger Alkoholkonsum in Österreich ein Problem. Michael Musalek, Leiter des Anton-Proksch-Instituts, erklärte bereits 2018 im Gespräch mit dem STANDARD, dass Sucht auch am Arbeitsplatz weitverbreitet sei und in den meisten Fällen lange unbemerkt bleibe. Doch was gilt eigentlich arbeitsrechtlich in puncto Alkohol im Job? Und wie können Führungskräfte und Kollegen Betroffenen helfen?

Frage: Darf im Bewerbungsgespräch nach dem Alkoholkonsum gefragt werden?

Antwort: Fragen zu Trinkgewohnheiten oder einem bestehenden krankhaften Alkoholmissbrauch greifen stark in die Privatsphäre und die Persönlichkeitsrechte eines zukünftigen Dienstnehmers ein. Sie sind daher aus arbeitsrechtlicher Sicht grundsätzlich unzulässig. Das bedeutet, dass eine derartige Frage sanktionslos auch falsch beantwortet werden kann. Eine Ausnahme ist nur dann gegeben, wenn es sich um riskante Tätigkeiten mit einem hohen Schädigungspotenzial und einer besonderen Gefährdung für Leben, Gesundheit und Eigentum des Arbeitgebers oder auch von Dritten handelt. Dies ist beispielsweise bei Berufskraftfahrern und Buslenkern oder auch bei Piloten, Polizisten und Ärzten gegeben. In diesen Fällen ist die Frage nach einer bestehenden Alkoholkrankheit zulässig und muss auch wahrheitsgemäß beantwortet werden.

Frage: Gilt am Arbeitsplatz ein Alkoholverbot?

Antwort: Ein generelles und für alle Dienstnehmer gültiges Alkoholverbot besteht nicht. Lediglich Paragraf 15 Absatz 4 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) sieht vor, dass sich Arbeitnehmer nicht durch Alkohol, Arzneimittel oder Suchtgift in einen Zustand versetzen dürfen, in dem sie sich oder andere Personen gefährden können. Ein Verstoß gegen diese Bestimmung kann, insbesondere wenn die Dienstnehmerin oder der Dienstnehmer ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, einerseits zu einer Verwaltungsstrafe führen und andererseits – sofern tatsächlich eine andere Person geschädigt wird – auch strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Gerade bei Schreibtischjobs sei diese Bestimmung allerdings laut dem Arbeitsrechtsexperten Stephan Nitzl von sehr untergeordneter Relevanz.

Ein Glas Bier zum Mittagessen sollte noch keinen Grund für eine Kündigung darstellen. Eine Abmahnung durch den Arbeitgeber kann jedoch ausgesprochen werden.
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Frage: Können Arbeitgeber ein Alkoholverbot anordnen?

Antwort: Alkoholverbote oder -beschränkungen am Arbeitsplatz können sich aus Kollektivverträgen und Betriebsvereinbarungen ergeben, aber auch bereits im Dienstvertrag vereinbart oder durch Weisung des Dienstgebers verfügt werden. Das Interesse des Arbeitgebers an einer einwandfreien und konzentrierten Erbringung der Arbeitsleistung sowie das Ansehen der Firma im Hinblick auf Kontakt mit Kunden und Geschäftspartnern sind in der Regel ausreichend, um ein Alkoholverbot zu rechtfertigen.

Frage: Kann das Bier in der Mittagspause den Job kosten?

Antwort: Sofern im Unternehmen kein generelles Alkoholverbot verordnet und auch im Dienstvertrag nichts dergleichen vereinbart wurde, wird das Bier zum Gulasch in der Mittagspause aus arbeitsrechtlicher Sicht kein Problem darstellen. Selbst dann, wenn ein Alkoholverbot im Unternehmen verhängt oder im Dienstvertrag vereinbart wurde, ist ein Glas Bier oder Wein zum Mittagessen noch kein Grund für eine Entlassung. In der Regel wird zuerst eine Abmahnung erfolgen, sodass erst bei wiederholten Verstößen gegen das Alkoholverbot eine Kündigung aufgrund beharrlicher Pflichtverletzung ausgesprochen werden kann.

Frage: Betrunken während der Arbeitszeit – welche Konsequenzen drohen?

Antwort: Erscheint man volltrunken oder in erheblich berauschtem Zustand in der Arbeit, so kann das je nach Art der Tätigkeit bereits zu einem Vertrauensverlust des Dienstgebers führen und damit im Einzelfall eine "Fristlose" selbst beim ersten Verstoß gerechtfertigt sein. Als Beispiel nennt der Arbeitsrechtsexperte Nitzl, dass eine wichtige Präsentation vor einem Kunden ansteht und der zuständige Mitarbeiter hierzu volltrunken erscheint. Auch hier kommt es allerdings auf die Art der Tätigkeit an, und es kann daher keine generell gültige Aussage getroffen werden. In den meisten Fällen, insbesondere wenn es sich dabei um einen Einzelfall handelt, wird einen der Dienstgeber lediglich nach Hause schicken.

Ist es so, dass man aufgrund von Trunkenheit arbeitsunfähig ist und entweder nicht zur Arbeit erscheint oder nach Hause geschickt wird, steht einem Dienstnehmer für derartige Zeiten kein Entgeltfortzahlungsanspruch zu und der Dienstgeber könnte diese Fehlzeiten vom Gehalt abziehen, da es sich nicht um eine Krankheit handelt. Anderes gilt bei krankhaft alkoholabhängigen Dienstnehmern, die ihren Entgeltfortzahlungsanspruch behalten.

Frage: Wie können Kollegen oder Vorgesetzte mit Alkoholmissbrauch im Team umgehen?

Antwort: Wegschauen sei keine gute Entscheidung, sagt Psychologin Lisa Wessely. Den Verdacht früh anzusprechen und notwendige Schritte einzuleiten habe hingegen viele positive Auswirkungen. Aufseiten des Betriebs würden erhebliche Kosten gespart, die durch Krankenstände und Leistungseinbußen entstehen können. Die Belastung des ganzen Teams werde so reduziert oder verhindert. Zudem werde ein positives Zeichen für die Beschäftigten gesetzt, indem das Thema Alkoholkonsum enttabuisiert wird.

Aufseiten der Betroffenen bedeutet das Angesprochenwerden durch die Führungskraft die Notwendigkeit, eine längst überfällige Hilfe in Anspruch zu nehmen. Denn in Beratung begeben sich viele Personen erst, wenn ein gewisser Druck vom Arbeitgeber erzeugt wird und gleichzeitig die Sicherheit gegeben ist, dass man den Arbeitsplatz nicht verliert, wenn man kooperativ an der eigenen Gesundung mitwirkt. Jedes Unternehmen könne hier laut Wessely einen entscheidenden Beitrag leisten. Vorgesetzte sollten daher auch in Pandemiezeiten auf ihre Mitarbeitenden zugehen, regelmäßige Einzelkontakte pflegen und persönliche Gespräche ermöglichen.

Frage: Worauf kann man selbst achten?

Antwort: Folgende Fragen können dabei helfen, den eigenen Umgang mit Alkohol zu hinterfragen. Wenn mehrere Punkte zutreffen, rät die Psychologin dazu, sich professionelle Unterstützung zu suchen:

  1. Wurden Sie schon von anderen auf Ihren Konsum angesprochen?
  2. Haben Sie selbst schon einmal versucht, Ihren Konsum zu reduzieren oder eine Zeitlang abstinent zu sein, und dies nur schwer oder nicht geschafft?
  3. Ertappen Sie sich öfter dabei, dass Sie schon während der Arbeit an ein alkoholisches Getränk denken?
  4. Trinken Sie fast täglich oder täglich Alkohol?
  5. Benötigen Sie Alkohol, um zu entspannen, locker zu werden oder einzuschlafen?
  6. Haben Sie Schwierigkeiten, den Alkoholkonsum zu stoppen, obwohl Sie am nächsten Tag fit sein müssen?
  7. Konnten Sie schon einmal berufliche Termin aufgrund Ihres Konsums nicht wahrnehmen?
  8. Beginnen Sie früher, vielleicht schon während der Arbeitszeit, Alkohol zu konsumieren?

(red, 16.12.2021)