Joe Simon – ein Mann der Contenance im Deep Soul. Im Alter von 85 Jahren ist er nun gestorben.

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Nach 25 Jahren im Business hatte Joe Simon 1983 genug. Bei einem Konzert vor gut 10.000 Zusehern brach er ab, weil er die Texte seiner Hits teilweise schon vergessen hatte. Er entschuldigte sich bei seinem Publikum und bat es, sich draußen an den Kassen das Eintrittsgeld zurückzuholen. "Ich gehe in die Kirche", soll er als Erklärung gesagt haben, woraufhin tausende Kehlen "Halleluja!" riefen.

Schon in den Jahren davor hatte Joe Simon die Lust am Musikbusiness zusehends verloren. Er befand sich im Zwiespalt zwischen, wie er sagte, aufgetakelten Stars, viele davon schwer auf Drogen, und seinem moralischen Kompass, der ihm als Kind von der Kirche verpasst worden war.

Strenger Patron

In den 1980ern wurden seine Hits ohnehin weniger, also ging er und wurde Reverend Joe Simon. Ein ziemlich strenger Patron, wie es hieß.

Als solcher predigte er nicht nur, er produzierte Gospel-Alben, um später, über die Hip-Hop-Kultur, die seine frühen Werke sampelte, neuerliche Bekanntheit zu erlangen. Outkast bediente sich bei Simons Katalog, Lil Kim, die Britin Joss Stone coverte ihn auf ihrem Debütalbum – und Soul-Fans war er ohnehin ein Begriff. Nun ist Joe Simon gestorben.

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Geboren wurde Simon am 2. September 1936 im tiefsten Louisiana. Er hasste das Leben im rassistischen Süden, verließ die Baumwollfelder und ging an die Westküste nach Los Angeles. Dort war er obdachlos und brachte sich mit Gelegenheitsjobs durch.

Sly und Larry

Daneben schrieb er Songs, sang sie und erregte so die Aufmerksamkeit eines Labelbetreibers, der ihm Geld gab, um vier Stücke aufzunehmen. Dafür holte Simon sich einige seiner Bekannten ins Studio, darunter befanden sich Larry Graham und Sly Stone, die später als Sly & the Family Stone berühmt werden sollten. Es entstand der Song "My Adorable One" und wurde ein Hit, Simon war im Geschäft.

Nach mehreren Stationen und Labels landete er in Nashville, wo er beim Label Soundstage 7 eincheckte Dort wurde er mit Hits wie "(You Keep Me) Hanging On" oder "The Chokin' Kind" ein Star, "The Chokin' Kind" verkaufte sich über eine Million Mal und bescherte Simon einen Grammy. Die Jahre auf Soundstage 7 gelten musikalisch als seine besten im Fach des Deep Soul, er spielte damals in der Liga eines Otis Redding oder Jackie Wilson, mit dem er oft verglichen wurde.

Barry Richards

Bei einem seiner Auftritte im Apollo in New York erlaubte er einer jungen Gruppe, vor ihm auf die Bühne zu gehen, um ein paar Songs zu spielen. Als er den Sänger sah, fragte er, ist das ein Kind oder ein Zwerg? Die Gruppe waren die Jackson 5, der Zwerg der junge Michael Jackson.

Fatback Band und Millie Jackson gefördert

Simon war ein emotionaler Stilist, der in Balladen und im Midtempo am besten war. Es folgten tolle Arbeiten für sein eigenes Label Spring Records, wo er mit "Drowning in the Sea of Love" einen weiteren Millionenseller landete. Auf Spring Records förderte er zudem die Karrieren der Fatback Band oder jene von Millie Jackson.

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1975 gelang ihm der Nummer-eins-Titel "Get Down, Get Down (Get on the Floor)", auch der Titelsong des Blaxploitation-Films "Cleopatra Jones" stammte von ihm.

Als Mann im Anzug waren ihm die exzessiven Jahre aber bald zuwider, langsam, aber beständig wandte er sich vom Popbusiness ab, um eben 1983 endgültig in die Kirche zurückzukehren, wo er für den Rest seines Lebens seine Bestimmung fand. Nun ist Joe Simon im Alter von 85 Jahren gestorben. (Karl Fluch, 15.12.2021)