Gerhard Karner (ÖVP) ist als Innenminister etwas mehr als eine Woche im Amt – und muss sich schon mit Rücktrittsaufforderungen herumschlagen. Ihm wird unter anderem Antisemitismus vorgeworfen. Auch das Dollfuß-Museum in seiner Heimatgemeinde Texingtal, wo er Bürgermeister ist, sorgt für Diskussionen.

STANDARD: Ihnen wird Antisemitismus vorgeworfen. Auch der Koalitionspartner, die Grünen, verweigert Ihnen einen Vertrauensvorschuss. Wie gehen Sie mit dieser breiten Skepsis um?

Karner: Ich erkenne heute den Gehalt in diesen Aussagen, die ich vor mehr als 13 Jahren getätigt habe, und da stehe ich nicht an, mich dafür ganz klar zu entschuldigen. Ich habe dies auch in mehreren Gesprächen mit dem Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde getan. Und das wiederhole ich gerne auch hier.

STANDARD: Wen haben Sie genau gemeint, als Sie die "Herren in Israel und den USA" angesprochen haben? Juden?

Karner: Nein, keinesfalls. Ich würde das heute sicherlich nicht mehr so sagen. Ich will das auch nicht abtun, wie das damals im Wahlkampf war. Ich kann nur sagen, ich entschuldige mich in aller Form dafür. Ich habe damals den Gehalt dieser Worte nicht erkannt.

STANDARD: Sie haben gesagt, Sie seien Betriebswirt und kein Historiker, Sie trauen sich daher keine Einschätzung zu, ob Dollfuß ein Faschist war. Ist das nicht eine recht dürre Ausrede für jemanden, der als Bürgermeister ein Dollfuß-Museum in seiner Heimatgemeinde betreibt?

Karner: Es gibt auch Historiker, die sagen Kanzlerdiktatur, es gibt Historiker, die sagen Austrofaschist. Vielleicht ist gerade die Neuaufstellung dieses Hauses die Möglichkeit, solche Begrifflichkeiten klar zu definieren. Faktum ist, das war eine fürchterliche Zeit.

"Faktum ist, das war eine fürchterliche Zeit", sagt Gerhard Karner über den Ständestaat. Das Dollfuß-Museum in seiner Heimatgemeinde soll der Verein "Merkwürdig" neu gestalten.
Foto: Regine Hendrich

STANDARD: Haben Sie sich eine Meinung gebildet, wie Dollfuß einzuordnen ist?

Karner: Ich kann mit beiden Begriffen leben: Kanzlerdiktatur, Austrofaschismus. Entscheidend ist, das war eine Bürgerkriegszeit, wo Österreicher aufeinander geschossen haben. Das ist mit der Bevölkerung wahrscheinlich zu wenig aufgearbeitet. Daher ist es gut, dieses Haus gemeinsam mit einem regionalen Verein neu auszurichten.

STANDARD: Sie haben gesagt, Österreicher haben auf Österreicher geschossen. Warum das Thema so sensibel ist: Sie sind jetzt quasi der oberste Polizist. Tatsache ist auch, dass österreichische Polizisten auf Österreicher geschossen haben und dass das Parlament ausgehebelt wurde.

Karner: Ich kann es nur wiederholen: Es war eine schreckliche Zeit, die sich nicht wiederholen darf. Ich bin als Innenminister der Republik für die Sicherheit im Land verantwortlich und werde alles für die Sicherheit in diesem Land tun.

STANDARD: Bei der Polizei gibt es jede Menge Probleme. Die Beamtinnen und Beamten sind seit zwei Jahren extrem gefordert, mindestens ein Fünftel war schon Corona-positiv, vier verstarben an Covid, viele leiden an Long Covid. Der psychologische Dienst ruft Alarm. Welche Maßnahmen haben Sie da geplant?

Karner: Für unsere Gesellschaft ist diese Pandemie eine besondere Herausforderung. Aber natürlich ist die Exekutive besonders gefordert. Unser Ziel kann nur sein, die Personaloffensive fortzuführen. Auch wenn es ein schwieriger Beruf ist, weil man mit den Schattenseiten des Lebens zu tun hat: Es ist ein schöner Beruf, Polizistin oder Polizist zu werden. Ich möchte hier ein Inserat aufgeben: Bewerben Sie sich bei der Polizei, arbeiten Sie mit!

Es sei ein schöner Beruf, wirbt der Innenminister. "Ich möchte hier ein Inserat aufgeben: Bewerben Sie sich bei der Polizei!"
Foto: Regine Hendrich

STANDARD: Es ist nicht nur ein schöner Beruf, die Beamten und Beamtinnen werden bei den Corona-Demos beschimpft und bespuckt. Gibt es eine Hilfestellung?

Karner: Die Führungsverantwortlichen und der psychologische Dienst spielen hier eine wesentliche Rolle.

STANDARD: Ihr Vorgänger Karl Nehammer hat mehrfach darauf hingewiesen, auch bei seiner Abschiedsrede als Innenminister, dass die Kollegen aufeinander schauen sollten, wenn jemand sich in eine bedenkliche Richtung entwickelt. Und wir wissen, dass es Fälle von rechtsextremen Polizisten gab. Wie sollen solche Personen unsere Bevölkerung und die Republik schützen?

Karner: Es gibt einzelnen Vorwürfe. Und es ist unsere Aufgabe, jedem einzelnen konsequent nachzugehen. Allein am Samstag waren in Wien 2.200 Polizisten im Einsatz. Die haben das ganz exzellent gemacht. Rechtsextremismus wird hier nicht geduldet. Genauso wie es bei der Demo Anzeigen wegen Wiederbetätigung gegeben hat.

STANDARD: Es war schon zweimal eine Gruppe von Männern auf den Demos, die ein Transparent mit der Aufschrift trug: "Es reicht. Wir gemeinsam mit euch, Polizisten für Grund- und Freiheitsrechte". Hat man mittlerweile ermittelt, wer die sind?

Karner: Es werden mittlerweile gegen zumindest drei Personen Erhebungen geführt. Die Dienstbehörden behandeln das mit aller Schärfe und Konsequenz.

STANDARD: Es gibt einen Minister, fünf Sektionschefs, einen Generaldirektor, sonstige Direktoren, praktisch alle Führungspositionen im Ministerium sind von Männern besetzt. Gibt es ein Frauenproblem in Ihrem Haus?

Karner: Das Haus hat kein Problem mit weiblichen Führungskräften ...

STANDARD: Es gibt keine ...

Karner: Es gibt etwa die Landespolizeidirektorin in Kärnten, es gibt exzellente weibliche Führungskräfte auch hier im Haus, aber nicht unmittelbar an der Spitze. In diesem Haus arbeiten exzellente Frauen.

STANDARD: Aber sie kommen in der Karriere nicht so voran wie männliche Kollegen, das zeichnet sich in der obersten Führungsriege ab.

Karner: Ich bin jetzt seit wenigen Tagen im Amt und habe, Gott sei Dank, mit vielen Frauen und Männern zu tun, die exzellent aufgestellt sind.

STANDARD: Sie haben bereits angekündigt, in Asylfragen den restriktiven Kurs von Kurz und Nehammer weitergehen zu wollen. Wie schaut es mit Frauen aus Afghanistan aus? Wäre es nicht angebracht, verfolgte Frauen aus Afghanistan aufzunehmen, um auch zu zeigen, ja, wir sind streng, aber nicht herzlos?

Karner: Wir sind nicht herzlos. In Österreich wurden allein heuer 5.300 Anträge von Asylwerbern aus Afghanistan gestellt. Aber ja, der Kurs meines Vorgängers wird von mir konsequent fortgesetzt.

Österreich sei über viele Jahre "belastet" gewesen, sagt Gerhard Karner. Den restriktiven Kurs in der Asylpolitik will der neue Innenminister ohne Ausnahmen fortführen.
Foto: Regine Hendrich

STANDARD: Diesen restriktiven Kurs tragen viele mit, aber es gibt auch viele, die das anders sehen, die gerne helfen wollen.

Karner: Ich bin davon überzeugt, dass das ein falsches Signal wäre, daher bleibt diese Linie so.

STANDARD: Wenn man ganz konkret Frauen und Mädchen aus Afghanistan rausholt, deren Leben bedroht ist, dann ist das kein Signal, sondern eine Aktion, um diese Menschen zu retten.

Karner: Da kann man unterschiedlicher Meinung sein. Ich kann mich nur wiederholen: Es ist nicht so, dass Österreich hier herzlos wäre. Im Gegenteil. Österreich war über viele Jahre sehr belastet. Österreich hat schon sehr viel getan.

STANDARD: Sehen Sie das nur als Belastung? Teile der Bevölkerung sehen die Rolle Österreichs als Helfer auch sehr positiv.

Karner: Aber Sie wissen auch, dass das zu Spannungen und Belastungen führt. Und das gilt es aus Sicht des Innenressorts zu vermeiden. (Colette M. Schmidt, Michael Völker, 15.12.2021)