Der Doppelpulsar PSR J0737 diente als einzigartiges natürliches Labor, um die allgemeine Relativitätstheorie unter extremsten Bedingungen zu testen.
Illustration: Michael Kramer/MPIfR

Als der damals noch eher unbekannte Albert Einstein 1915 seine allgemeine Relativitätstheorie vorstellte, hielten die wenigen Menschen, die davon überhaupt Notiz nahmen, das Werk für nicht viel mehr als ein hochspekulatives Theoriegebäude. Das Blatt sollte sich erst ab 1919 mit den ersten experimentellen Bestätigungen wenden. Inzwischen ist längst gesichert, dass die Relativitätstheorie uns zwingt, unser althergebrachtes Verständnis der Struktur des Universums zu überdenken: Raum und Zeit können nicht als absolute Größen gelten, sondern sie sind relativ und ändern sich etwa in der Anwesenheit massiver Objekte.

Ein internationales Forscherteam hat nun einen neuen, äußerst bemerkenswerten Test der Relativitätstheorie vorgelegt. Insgeheim hoffen Wissenschafter ja immer, endlich einen Widerspruch zu Einsteins bahnbrechender Theorie ausfindig zu machen – denn so eine Abweichung könnte die Pforte zu einer völlig neuen Physik aufstoßen. Das in einem Zeitraum von 16 Jahren studierte Sternenpaar tat ihnen diesen Gefallen allerdings nicht.

Dafür konnten die Forscher einige der rigidesten Überprüfungen der Theorie vornehmen und zeigen, dass diese mit den Experimenten selbst unter extremen Bedingungen zu mehr als 99,99 Prozent übereinstimmt. Zudem traten neue relativistische Effekte auf, die erstmals beobachtet werden konnten.

Einzigartiges Labor

Als außergewöhnlicher Protagonist der Studie, die nun im Fachblatt Physical Review X vorgelegt wurde, diente ein Doppelpulsar, der 2003 entdeckt wurde. Pulsare sind schnell rotierende Neutronensterne, die entlang einer Achse Strahlung aussenden. Besonders an diesem System ist, dass es aus gleich zwei Pulsaren besteht, die einander in nur 147 Minuten mit Geschwindigkeiten von etwa einer Million Kilometer pro Stunde umkreisen.

"Wir haben ein System mit zwei Sternen von extrem hoher Dichte untersucht, das ein einzigartiges Labor darstellt, um Gravitationstheorien in der Anwesenheit sehr starker Gravitationsfelder zu testen", sagt der Leiter des Forschungsteams, Michael Kramer, Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn.

Starke Raumzeitkrümmung

Das Doppelpulsarsystem ist nicht nur äußerst massereich, sondern auch sehr kompakt: Die Masse der Pulsare ist um etwa 30 Prozent größer als jene unserer Sonne, sie messen aber jeweils nur einen Durchmesser von etwa 24 Kilometern. "Das ermöglicht es uns, eine Reihe von Vorhersagen der allgemeinen Relativitätstheorie zu testen. Insgesamt sind es sieben Stück!", gibt sich Dick Manchester von der nationalen Wissenschaftsagentur CSIRO in Australien begeistert.

So konnte das internationale Team etwa erstmals zeigen, dass das Licht nicht nur aufgrund einer starken Krümmung der Raumzeit um den Begleiter verzögert wird, sondern auch, "dass das Licht um einen kleinen Winkel von 0,04 Grad abgelenkt wird, den wir nachweisen können", sagt die Forscherin Ingrid Stairs von der University of British Columbia in Vancouver, die ebenfalls an der Studie beteiligt war. "Nie zuvor wurde ein solches Experiment bei einer so starken Raumzeitkrümmung durchgeführt."

Für Studienleiter Kramer gibt das Experiment den Maßstab vor, wo künftige Tests von Einsteins Theorie ansetzen sollten. "Und vielleicht werden wir eines Tages wirklich eine Abweichung von der allgemeinen Relativitätstheorie finden." (Tanja Traxler, 16.12.2021)