Florian Krammer beantwortet Fragen der STANDARD-Community.
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Die Fragen zur Omikron-Variante des Coronavirus reißen nicht ab. Auch diese Woche beantwortet der Virologe und Impfstoffforscher an der Icahn School of Medicine at Mount Sinai in New York, Florian Krammer, Postings der STANDARD-Community. Beantwortet wird, ob man sich gleichzeitig mit zwei Virusvarianten anstecken kann, ob man eine harmlose Virusvariante herstellen kann, die die gefährliche verdrängt, und wie viele Körperzellen durch eine mRNA-Impfung zur Produktion des Spike-Proteins veranlasst werden.

Antwort: Erstens: Ja, man kann sich gleichzeitig mit zwei Sars-CoV-2-Varianten anstecken, und die können sogar rekombinieren. Man hat solche rekombinanten Viren schon gefunden. Zweitens: Das kommt darauf an. Wenn man dem Virus ausgesetzt ist, aber das Virus schon beim Auftreffen auf den mukosalen Oberflächen neutralisiert wird und es nie zu einer Infektion von Zellen kommt, ist es unwahrscheinlich (aber nicht unmöglich), dass das die Immunantwort ankurbelt. Was wahrscheinlich oft passiert, ist, dass es zu einer Infektion kommt, diese aber sehr kurz ist, sofort wieder vom Immunsystem kontrolliert wird und weder Symptome hervorruft noch detektiert wird – weil die Zeitspanne zu kurz ist beziehungsweise die Viruslast zu gering. Und in dem Fall sieht man wahrscheinlich schon eine Erhöhung der Immunantwort.

Antwort: Grundsätzlich wurden schon "bivalente" Impfstoffe mit dem "Wildtyp"-Spike des ursprünglichen Virus plus dem Spike der Beta-Variante getestet. Eine Variante des Impfstoffs mit dem Delta- und dem Beta-Spike ist bei Moderna auch in Entwicklung. Eine Kombination von Omikron und Delta würde momentan Sinn machen, aber die Strategie der Impfstoffentwickler ist momentan unklar. Ich befürchte grundsätzlich, dass nur wenige Hersteller den Impfstoff an Omikron anpassen werden.

Antwort: Nicht im Körper, sondern in der Population. Ja, theoretisch wäre das möglich, praktisch ist es aber nicht machbar. Es kann sehr gut sein, das eine hochinfektiöse Variante, die milde Verläufe verursacht, eine weniger infektiöse Variante, die schwere Verläufe verursacht, verdrängt. Aber so ein Virus zu designen wäre äußerst schwierig, und es anzuwenden wäre komplett unethisch. Vor allem kann auch ein Virus, das in gesunden Menschen nur milde Verläufe verursacht, in Menschen mit Vorerkrankungen viel Schaden anrichten und auch zum Tod führen. Und auch ein massiver Anstieg von "milderen" Erkrankungen kann genauso das Gesundheitssystem überlasten.

Verglichen mit einer Infektion, bei der viele verschieden Virusproteine inklusive des Spike-Proteins in Zellen hergestellt werden und bei der die Kontrolle über die Zellen vom Virus übernommen wird, ist die Impfung natürlich ein Klacks.
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Antwort: Bei Johnson & Johnson sollte man auf jeden Fall mit einem mRNA-Impfstoff nachimpfen, das sieht auch das Nationale Impfgremium so. Eine dritte Impfung, idealerweise nach sechs Monaten, wieder mit einem mRNA-Impfstoff wäre natürlich sehr sinnvoll und würde vermutlich den Schutz gegen Omikron erhöhen. Man kann auch weniger lang warten, aber ein Mindestabstand von vier Monaten zwischen zweiter und dritter Impfung sollte eingehalten werden.

Antwort: Sehr gute Fragen. Und ich muss Sie enttäuschen, ich habe auch keine sehr gute Antwort für Sie. Wir wissen zum Beispiel aus Studien an Mäusen, dass die mRNA beziehungsweise das expremierte Protein etwa zehn Tage lang lokal nachweisbar ist. Der Großteil der Zellen, welche die mRNA aufnehmen, sind Muskelzellen, allerdings nehmen vermutlich auch professionelle antigenpräsentierende Zellen wie dendritische Zellen mRNA auf, stellen Spike-Protein her und wandern in die Lymphknoten, wo es dann adaptiven Immunzellen wie B-Zellen präsentiert wird. Es kommt wahrscheinlich auch teilweise zum Angriff des Immunsystems auf Zellen, die Spike-Protein herstellen, und das Spike-Protein in den Zellfragmenten wird dann vermutlich auch von antigenpräsentierenden Zellen aufgenommen und in die Lymphknoten transportiert. Auch im Fall von Totimpfstoffen oder rekombinanten Proteinimpfstoffen kommt es zu ähnlichen Vorgängen. Aber Sie haben recht, verglichen mit einer Infektion, bei der viele verschiedene Virusproteine inklusive des Spike-Proteins in Zellen hergestellt werden und die Kontrolle über die Zellen vom Virus übernommen wird, ist das natürlich ein Klacks. Und der Impfstoff kann sich auch nicht, wie das beim Virus der Fall ist, im Körper vermehren und mehr und mehr Zellen infizieren.

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Was wollten Sie schon immer den Virologen und Impfstoffforscher Florian Krammer fragen? Welche Fragen beschäftigen Sie rund um Corona? Posten Sie im Forum! Ausgewählte Fragen aus dem Forum werden von Florian Krammer beantwortet. (Judith Wohlgemuth, 22.12.2021)