Derzeit ist die Kunststoffproduktion, wie hier in Schwechat, noch CO2-intensiv. Das soll sich in Zukunft ändern.

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Es gibt Bereiche, in denen sich vergleichsweise einfach CO2 einsparen lässt. Inzwischen muss man keine Kohle mehr verbrennen, um Strom zu erzeugen, und auch Autos, Züge und sogar Lkws laufen immer öfter mit Grünstrom statt mit fossilem Treibstoff. Doch es gibt einige Gebiete, in denen fast unausweichlich schädliche Treibhausgase entstehen. Einer davon ist die Zementherstellung.

Denn wenn Kalk unter hohen Temperaturen zu Calciumoxid gebrannt wird, entsteht CO2. Das ist eine chemische Realität, die sich auch nicht durch nachhaltige Brennstoffe lösen lässt. Inzwischen ist die globale Zementherstellung für rund acht Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich – Tendenz dank Bauboom steigend. Wohin also mit diesen unausweichlichen Klimagasen?

Abgase auffangen

Eine Lösung könnte CO2-Abscheidung sein. Dabei wird das Treibhausgas direkt dort, wo es entsteht, aufgefangen. Danach kann es entweder dauerhaft gespeichert – oder aber für andere Zwecke verwendet werden. Wie Letzteres funktionieren kann, soll bald eine Pilotanlage im niederösterreichischen Mannersdorf demonstrieren.

Dort wollen Borealis, die OMV, der Verbund sowie der Zementhersteller Lafarge eine Anlage zur großindustriellen CO2-Abscheidung und -Nutzung bauen. Die Emissionen, die bei der Produktion des Zements entstehen, sollen zunächst aufgefangen werden. Parallel dazu wird aus nachhaltigem Strom grüner Wasserstoff produziert. In einem weiteren Schritt werden die beiden Gase zu Kohlenwasserstoffen umgebaut, die fossilem Erdöl chemisch sehr ähnlich sind.

Erst Abfall, dann Rohstoff

Diese wiederum wollen Borealis und OMV zu Treib- und Kunststoffen weiterverarbeiten, die den traditionellen fossilen Pendants ähneln – nur dass eben kein frisches Öl aus der Erde geholt werden muss. Anstatt das CO2 in die Atmosphäre zu blasen, wird es praktisch recyclet – und zu einem neuen Rohstoff. "Wir gehen von einem Stoff, der ein Problem ist, zu einem Stoff, den wir brauchen", sagt Borealis-Chef Thomas Gangl zu dem Projekt.

Mit dem Bau der Pilotanlage soll 2023 begonnen werden, ab 2025 soll sie dann zunächst 10.000 Tonnen CO2 pro Jahr absaugen und weiterverarbeiten. Wenn sich das Verfahren bewährt, soll die Anlage weiter ausgebaut werden und bis 2030 beinahe die gesamten CO2-Emissionen der Zementanlage auffangen. 700.000 Tonnen wären das jedes Jahr, immerhin rund 0,8 Prozent der derzeitigen Treibhausgasemissionen von ganz Österreich.

Aber ist eine Versiebzigfachung in so wenigen Jahren überhaupt möglich? Leicht werde es nicht, gibt Gangl zu. Es sei wichtig, dass eine wirtschaftliche Lösung gefunden wird – auch damit sich die Methode weltweit durchsetzen kann. "Wir wollen ja nicht nur Mannersdorf CO2-frei machen", sagt Gangl. Er hofft jedenfalls darauf, dass bei Carbon Capture and Usage (CCU), wie das Verfahren genannt wird, ein ähnlicher Preisverfall einsetzen wird wie bei der Photovoltaik in den vergangenen Jahrzehnten.

Hohe Kosten

Parallel dazu steigen die CO2-Preise immer weiter. Das könnte dazu führen, dass es sich immer mehr auszahlt, Treibhausgase nicht in die Atmosphäre entweichen zu lassen. Von einer CO2-Steuer hält Gangl trotzdem nichts. "Wir stehen in einem globalen Wettbewerb und tun dem Klima nichts Gutes, wenn wir die Industrie in andere Regionen verschieben", sagt der Borealis-Chef. Aus seiner Sicht müsste man daher verstärkt mit Anreizen statt mit Verboten arbeiten.

Unter Experten gehen die Meinungen zu CCU auseinander, denn das Verfahren steht derzeit noch am Anfang und verschlingt Unmengen an Energie. Kommt diese nicht aus nachhaltigen Quellen, könnte der Prozess sogar mehr Emissionen verursachen, als das CO2 in die Atmosphäre zu entlassen. Umweltschutzorganisationen fordern daher, ausschließlich Grünstrom für das Verfahren zu verwenden und möglichst langlebige Produkte daraus herzustellen.

Fest steht außerdem: Die Produkte aus recyceltem Kohlenstoff werden teurer sein als solche, die aus fossilem Erdöl hergestellt werden. Gangl glaubt jedoch, dass es für die nachhaltiger erzeugten Kunststoffe trotzdem einen Markt geben wird. Viele seien bereit, einen Aufpreis für Nachhaltigkeit zu bezahlen – auch weil es trotz grüner Transformation nicht ohne Plastik gehen wird. Wasserrohre, Stromkabel und Leichtbauteile für E-Autos würde man in Zukunft schließlich weiterhin benötigen, ebenso Einwegmaterial wie Spritzen, Masken oder Schutzkleidung.

Bis die Anlage tatsächlich steht, könnte es allerdings noch dauern. Zwar gibt es neben einem Konzept zwar bereits die Joint-Venture-Gesellschaft C2Pat, das System würde laut Gangl in der ersten Ausbaustufe rund 100 Millionen Euro kosten – ein zu hohes finanzielles Risiko für die beteiligten Unternehmen. "Ohne Förderung wird es nicht gehen", sagt Gangl. Derzeit bewirbt sich das Projekt für Zuschüsse aus dem EU Innovation Fund und für Wasserstoffförderungen, und auch auf nationaler Ebene befinde man sich in Gesprächen.

Langfristig sei das Ziel von Borealis jedenfalls, überhaupt kein frisches Erdöl mehr für die Kunststoffproduktion zu verwenden, sondern ausschließlich auf Recycling und erneuerbares Plastik zu setzen. Bis dahin wird allerdings noch viel Rauch aus Raffinerien qualmen. (red, 18.12.2021)