Es ist in Zeiten wie diesen nicht einfach, sich dem Stimmungstief zu entziehen, das sich quer durch den EU-Raum zieht. Wo man hinschaut, gibt es Krisen, die bis ins Privatleben der Bürger direkt durchschlagen. Das fängt an bei der monströsen Pandemie. Kaum wird die vierte Welle kleiner, rauscht die Omikron-Variante daher.

Der Wirtschaftsaufschwung stockt wieder, Verbraucherpreise gehen in die Höhe, Zinssorgen werden größer. Und kurz vor Weihnachten droht nun auch noch die Gefahr eines Krieges in der Ukraine – vor den Toren der Gemeinschaft, wie 2014.

Ist Europa gelähmt, durch die fortgesetzte Verachtung für Rechtsstaat, EU-Werte und Demokratie in Polen und Ungarn sogar in ihrem Bestand gefährdet? Es sieht so aus. Es gibt aber auch Anzeichen für Bewegung im positiven Sinn. Beispiel deutsch-französischer Motor: Die Regierung Scholz verspricht im Duo mit Paris mehr Elan in der Finanz- und Wirtschaftspolitik im Euroraum, beim ökodigitalen Wandel. Gut für alle.

Beispiel Gesellschaft. In Schweden regiert nun eine Frau Premierministerin, wie in Dänemark, Finnland, Estland. Kein Zufall: Rund um die Ostsee liegt ein Kraftfeld der Modernität.

Beispiel Sozialdemokratie. Sie war als wichtige Mitarchitektin des gemeinsamen Europa lange im Tief. Nun sind Begriffe wie sozialer Zusammenhalt, Respekt, Mindestrechte wieder "in". Das ist noch keine EU-Renaissance. Aber es wäre gut, wenn wir Europäer öfter nach vorn blicken, nicht zurück. (Thomas Mayer, 16.12.2021)