Plastikrecyclingmaschinen im kleinen Maßstab: Die Firma Plasticpreneur und das Projekt Precious Plastic wollen damit Menschen überall auf der Welt zum Plastikrecycling animieren. Der Ansatz der beiden ist aber verschieden: Während Plasticpreneur die Maschinen selbst herstellt und verkauft, will Precious Plastic jeden beim Bau der Maschinen unterstützen.

Foto: Plasticpreneur

Auf den ersten Blick sieht die Werkstatt aus wie eine Mischung aus Künstlerbüro und Rumpelkammer: In den Schränken sind Kübel, Boxen und Werkzeuge in verschiedenen Größen eingeordnet, daneben stapeln sich Gelbe Säcke. Im Inneren der Säcke befindet sich das, was die meisten Menschen als Müll bezeichnen würden: alte Plastikstöpsel, Verpackungen oder verschmutzte Blumentöpfe aus Plastik. Für Florian Amon hingegen ist all das wertvolles Material. "Plastik wird oft als minderwertiger Rohstoff bezeichnet. In Wahrheit ist es viel zu hochwertig und langlebig, um sofort nach dem Gebrauch verbrannt zu werden", sagt Amon, der inmitten der Werkstatt steht.

Amon ist einer von vier Gründern des Projekts Precious Plastic in Wien. Eines der Ziele des Projekts: Plastik, das sonst weggeschmissen und verbrannt wird, zu sammeln und wieder neue Produkte daraus zu machen. Material gibt es jedenfalls genug: Allein in Österreich fallen jedes Jahr rund 380.000 Tonnen Plastikmüll an, von dem die Hälfte auf Privathaushalte zurückgeht. Rund zwei Drittel der Abfälle werden verbrannt.

Schredder statt Tonne

Um mehr Plastik vor dem Wegwurf zu bewahren, kontaktieren die Gründer beispielsweise Gärtnereien und fragen nach alten Blumentöpfen, stellen Sammelbehälter für Verpackungen wie etwa alte Waschmittelflaschen oder alte Plastikspielsachen in Wohnsiedlungen auf oder übernehmen benutzte Plastikkisten und Abfälle aus Laboren. "Wir suchen uns jene Kunststoffsorten aus, die sich auch ohne Gasmaske bearbeiten lassen, häufig vorkommen und noch nicht großflächig recycelt werden", sagt Amon, der technische Physik in Wien studiert.

Ist der "Plastikmüll" erst einmal in der Werkstatt angekommen, wird er nach Art und Farbe sortiert, gereinigt und gelangt dann in den Schredder, gewissermaßen das Herzstück des Projektes. Mitgründer Raphael Volkmer zeigt auf eine Maschine mit einem quadratischen Rohr und einer Art Luke, in dessen Innerem metallene Zacken alles Plastik, das von oben hineinfällt, zerkleinern.

Open Source Prinzip

Das Besondere: Volkmer und Amon haben die Maschine selbst zusammengebaut. Der Bauplan für den Schredder stammt von dem internationalen Netzwerk der Bewegung Precious Plastic, der auch Amon und Volkmer angehören. Gegründet hat die Bewegung 2013 der niederländische Industriedesigner Dave Hakkens, mit dem Ziel, Baupläne und Zeichnungen für Maschinen und Werkzeuge zum Plastikrecyceln in kleinem Maßstab für alle kostenlos verfügbar zu machen und Menschen beim Plastikrecycling miteinander zu vernetzen. Seither sind überall auf der Welt Precious-Plastic-Initiativen entstanden.

Raphael Volkmer (li.) und Florian Amon in ihrer Werkstatt in Wien.
Foto: Jakob Pallinger

"Jede dieser Initiativen ist anders, verwendet anderen Plastikmüll und stellt daraus andere Dinge her", sagt Volkmer, der zuvor Grafik- und Kunstdesign studierte. Das sei gleichzeitig das Schöne daran. "Es geht nicht darum, Firmen zu gründen und damit viel Geld zu verdienen, sondern ein eigenes Ökosystem zu schaffen, in dem jeder seine Ideen einbringen kann", sagt Volkmer. Indem Baupläne von Maschinen mit allen geteilt werden, könne ein globales dezentrales Netzwerk an Recyclingprojekten entstehen.

Geld nicht Hauptrolle

Zwar können bisher nur rund zehn bis 15 Prozent der Initiativen von dieser Arbeit finanziell leben. Geld spiele aber ohnehin nicht die Hauptrolle. "Es geht darum, sich mit lokalen Kreisläufen auseinanderzusetzen, zu verstehen, wo Plastikmüll anfällt und was damit passiert", sagt Volkmer. Gleichzeitig soll Kunststoffrecycling und -verarbeitung als eigenes Handwerk stärker etabliert und zugänglicher gemacht werden.

"Plastik ist einfach zu verarbeiten, man muss nur auf die richtige Sorte achten, es zerkleinern, erhitzen und kann dann praktisch jede beliebige Form daraus machen", sagt Amon. Die Baupläne für die Schredder und die anderen Maschinen sind jedoch kaum mit einer Ikea- oder einer Lego-Bauanleitung vergleichbar: "Da gehört schon ein gewisses Know-how dazu, das herzustellen."

Sicherheitsbedenken

Es ist jener Punkt, den Sören Lex, Mitgründer und Geschäftsführer des österreichischen Unternehmens Plasticpreneur, an Precious Plastic kritisiert: "Der Grundgedanke von Open Source bei Anleitungen für Maschinen ist schön und gut. Aber es kann teilweise gefährlich werden, wenn beim Bau Sicherheitsbedenken nicht berücksichtigt werden", sagt Lex im STANDARD-Gespräch.

Anstatt Teil eines "losen Zusammenspiels von Akteuren" zu sein, entschloss sich Lex dazu, die Firma Plasticpreneur zu gründen, in der heute elf Mitarbeiter kleine Recyclingmaschinen produzieren und diese an NGOs und kleinere Firmen überall auf der Welt verkaufen. Vor Ort sollen Menschen dann mithilfe der Maschinen aus dem gesammelten Plastik wieder neue Produkte, etwa Gebrauchsgegenstände wie Lineale, Knöpfe, Schüsseln oder Wäschekluppen, aber auch Design- und Kunstobjekte herstellen. Firmen wiederum sollen damit schnell bestimmte Ersatzteile herstellen und testen können.

Maschinen wie diese verkauft Plasticpreneur überall auf der Welt, hauptsächlich in Europa, aber auch in Entwicklungsländern. In vielen Fällen unterstütze man bei der Installation und Inbetriebnahme vor Ort, sagt Lex.
Foto: Plasticpreneur

Künftig will Plasticpreneur aber auch Maschinen bauen, mit deren Hilfe sich aus Plastikmüll etwa Dachziegel, Pflastersteine oder Fliesen produzieren und so andere Ressourcen einsparen lassen, sagt Lex.

Langlebiges Material

Auch in der Precious-Plastic-Werkstatt in Wien sollen aus dem Plastikmüll am Ende Produkte für den täglichen Nutzen entstehen. Das Granulat, das der Schredder aus den alten Plastikteilen erzeugt, wird in einem Ofen erhitzt – Amon und Volkmer haben dafür einen industriellen Pizzaofen in ihrer Werkstatt aufgestellt – und im Anschluss in einer selbstgefertigten Presse zu Platten kaltgepresst. Volkmer führt zu einem Regal, in dem Plastikplatten in unterschiedlichen Stärken und Farben aufeinanderliegen. Anders als man es von Plastik erwarten würde, sind die Platten besonders dicht und schwer – "in etwa so wie eine Platte aus Eschenholz", sagt Volkmer.

Diese Platten verkaufen sie im Anschluss etwa als Tischplatten für Restaurants oder als Arbeitsplatten für Architekturbüros. Aber auch Untersetzer werden aus altem Plastik hergestellt. "Plastik ist ein extrem langlebiges Material. Das ist ein Nachteil, wenn es in der Umwelt liegt, aber ein großer Vorteil, wenn es mit Bedacht dort eingesetzt wird, wo es Sinn macht", sagt Volkmer.

In Workshops sollen etwa auch Schüler lernen, wie sich Plastikmüll zu neuen Produkten verarbeiten lässt.
Foto: Plasticpreneur

Offene Werkstatt

Die beiden haben bereits einige Pläne für die Zukunft. Neben der Produktion von neuen Gegenständen aus alten Plastikteilen wollen sie in den nächsten Jahren auch Workshops betreiben, in denen Schulklassen und andere Interessierte lernen können, selbst Plastikmüll zu verarbeiten. Zudem könnte die Werkstatt zu einer offenen Werkstatt werden, in der Studierende und andere Menschen ihre Handwerksprojekte umsetzen können, so die Vision der Entwickler.

"Statt nur Wegwerfprodukt zu sein, kann Plastik teilweise sogar zum Luxusgut werden", sagt Volkmer. Das gebe dem Stoff jenen Wert zurück, den es eigentlich verdiene. (Jakob Pallinger, 17.12.2021)