Der Neue und der Alte: Petr Fiala (links) hat eine rechtsliberale Fünfparteienkoalition geschmiedet und übernimmt nun mit seinem Kabinett die Regierungsgeschäfte. Andrej Babiš (rechts) tritt als Premier ab.

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Am Ende sollte es doch rascher gehen als erwartet: Gut zwei Monate nach der Parlamentswahl wird am Freitag eine neue tschechische Regierung ernannt. Für die rechtsliberale Fünfparteienkoalition, die im Abgeordnetenhaus auf 108 der insgesamt 200 Sitze kommt und bereits im November einen Koalitionsvertrag unterzeichnet hat, war der Weg ans Ziel jedoch steinig. Dafür sorgte vor allem einer: Präsident Miloš Zeman.

Zemans Widerstand gegen die Koalition aus konservativen Bürgerdemokraten (ODS), der rechtsliberalen Top 09, den Christdemokraten (KDU-ČSL), der Piratenpartei und der liberalen Bürgermeisterpartei Stan hatte sich bereits vor der Wahl abgezeichnet. Die fünf waren nämlich in einem Dreier- und einem Zweierbündnis angetreten, was Zeman als "Betrug" bezeichnete.

Lange Unsicherheit

Er werde nicht den Chef des stärksten Bündnisses, sondern den der stärksten Einzelpartei zum Premier machen, so Zeman – also den bisherigen Amtsinhaber Andrej Babiš mit seiner liberal-populistischen Partei Ano. Die siegreiche Koalition jedoch nahm Babiš durch ihr betont geschlossenes Auftreten bald die Hoffnung, mit Zemans Hilfe tatsächlich im Amt bleiben zu können.

Zudem verbrachte der 77-jährige Zeman nach der Wahl mehrere Wochen im Krankenhaus. Sein Handlungsspielraum war dadurch merklich eingeschränkt, doch auch in der Koalition wuchs die Unsicherheit. Schließlich brach Zeman noch einen Streit um Jan Lipavský vom Zaun, den die Piraten für den Job des Außenministers nominiert hatten.

Er werde Lipavský nicht ernennen, unter anderem weil dieser zu Israel sowie zur Zusammenarbeit in der Visegrád-Gruppe mit Ungarn, Polen und der Slowakei ein "distanziertes Verhältnis" habe, erklärte Zeman noch vorigen Freitag. Der designierte Premier Petr Fiala (ODS) drohte ihm daraufhin mit einer Klage beim Verfassungsgericht – und traf am Montag zum alles entscheidenden Vieraugengespräch mit Zeman zusammen. Dann der Knalleffekt: Der Präsident habe ohne Gegenleistung eingelenkt, so Fiala.

Viele Baustellen

Darüber, ob neben staatspolitischer Verantwortung in Krisenzeiten nicht doch irgendein Handel – etwa über Postenbesetzungen beim Geheimdienst oder in der Diplomatie – zu Zemans Sinneswandel beigetragen hat, wird im Land vorerst ergebnislos gerätselt. Klar ist lediglich, dass angesichts der Corona-Pandemie, des gestiegenen Budgetdefizits und der wachsenden Inflation gleich mehrere Großbaustellen auf die neue Regierung warten. Dazu gehören auch die Energiepolitik und die weitere Entwicklung der Kernenergie, zu deren Ausbau sich auch das Kabinett Fiala bekennt.

Was die Zusammenarbeit in der EU betrifft, gilt es, konkrete Schritte abzuwarten: Die Koalition ist im Wahlkampf betont proeuropäisch aufgetreten und warb damit, das Land "in den Westen" zurückzuführen, nachdem Babiš verbal häufig auf Konfrontationskurs zu Brüssel gegangen war. Andererseits sitzt die stärkste Partei der Koalition, Fialas ODS, im Europäischen Parlament mit Polens EU-kritischer Regierungspartei PiS in einer Fraktion.

Schlüsselfrage Sozialpolitik

Zentrale Bedeutung kommt der Sozialpolitik zu: Die künftige Mitte-rechts-Regierung hat einen Sparkurs angekündigt, der auch an seiner sozialen Verträglichkeit zu messen sein wird. Die Sozialdemokraten und die Kommunisten, die den Milliardär Babiš in den vergangenen vier Jahren als Premier ermöglicht hatten, sind an der Fünfprozenthürde gescheitert und nun nicht mehr im Abgeordnetenhaus vertreten. Vernachlässigt Fiala die schwächeren Einkommensgruppen, wird die einzig verbliebene Opposition lautstark den Vertretungsanspruch für sie anmelden: die Babiš-Partei Ano und die rechtspopulistische Freiheit und direkte Demokratie (SPD). (Gerald Schubert, 17.12.2021)