Eine neue gesetzliche Grundlage soll künftig regeln, wer wem und unter welchen Voraussetzungen Hilfe beim Suizid leisten darf.

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Die Zeit drängte: Nachdem der Verfassungsgerichtshof (VfGH) vor einem Jahr das bisherige ausnahmslose Sterbehilfe-Verbot gekippt hatte, stand die Regierung unter Zugzwang. Denn hätte sie nicht bis Jahresende eine neue Regelung gefunden, wäre ab 2022 jede Form der Beihilfe zum Suizid erlaubt gewesen. Das wollte niemand riskieren – allen voran die ÖVP, die aufgrund der Nähe zur katholischen Kirche seit jeher ein angespanntes Verhältnis zum Thema Sterbehilfe hat. Der Alternativvorschlag ließ trotzdem lange auf sich warten.

Die Koalition verständigte sich schließlich im Oktober auf einen Kompromiss. Eine neue gesetzliche Grundlage soll künftig regeln, wer wem und unter welchen Voraussetzungen Hilfe beim Suizid leisten darf. Eine entsprechende Regierungsvorlage wurde am Donnerstag mit großer Mehrheit im Nationalrat beschlossen – nur die FPÖ war dagegen. Zuvor passierte der Entwurf bereits den Justizausschuss; Auch hier gab es Zustimmung von allen Parlamentsparteien außer der FPÖ.

Mehrstufiges Prozedere

Die wesentlichen Eckpfeiler: Die sterbewillige Person muss volljährig, entscheidungsfähig und – so ist es im Gesetz konkret formuliert – entweder an einer unheilbaren Krankheit leiden, die zum Tod führt, oder an einem dauerhaft schweren Leiden erkrankt sein, das sie in der gesamten Lebensführung beeinträchtigt. Hegt dieser Mensch dann den Wunsch nach einem Suizid, ist ein mehrstufiges Prozedere Pflicht.

Dieses beginnt mit der Abklärung durch zwei Ärzte, wobei zumindest ein Mediziner eine palliativmedizinische Ausbildung genossen haben muss. Bei diesen Gesprächen soll auch über Alternativen aufgeklärt werden. Hegt ein Arzt Zweifel an der Entscheidungsfähigkeit, dann muss ein Psychiater oder Psychologe hinzugezogen werden. Diese Fachkraft beurteilt dann, ob eine psychische Erkrankung die Entscheidungsfähigkeit beeinflusst. Das bedeutet jedoch nicht automatisch, dass psychisch Kranke von der neuen Regelung ausgeschlossen sind – denn das Kriterium ist die Entscheidungsfähigkeit, nicht die psychische Krankheit, erläutert die grüne Justizsprecherin Agnes Sirkka Prammer.

Ist all das geklärt, können Betroffene nach einer Bedenkzeit eine sogenannte "Sterbeverfügung" beim Notar errichten lassen, wo erneut ein Aufklärungsgespräch stattfinden muss. Anschließend darf die Person ein tödliches Medikament aus einer Apotheke abholen oder holen lassen, die dieses vertreibt. Einnehmen muss sie es aber schließlich selbst. An sich sind auch andere Mittel zum Suizid möglich – die größte Rechtssicherheit besteht aber über den Weg des Präparats.

Erneut vor Verfassungsgerichtshof?

Durch dieses Prozedere soll sichergestellt werden, dass es zu keinem "Missbrauch" kommt, wie es die Regierung formuliert. Somit wird nun im Wesentlichen geregelt, was gemeinhin als "passive Sterbehilfe" gilt und jetzt als "assistierter Suizid" bezeichnet wird. Weiterhin strafbar bleibt das "Töten auf Verlangen", also "aktive Sterbehilfe" – eine Tatsache, die von Experten kritisiert wird: Denn der Unterschied sei eine "Grauzone", wie etwa der Ethiker Peter Kampits kritisierte.

Auch Strafrechtler Alois Birklbauer rechnet damit, dass das Gesetz neuerlich ein Fall für den VfGH werden könnte. Und zwar deswegen, weil der assistierte Suizid nur für bestimmte Personen straffrei wird, die eben die genannten Kriterien erfüllen. Fachgesellschaften aus dem psychosozialen Bereich hatten sich wiederum gewünscht, dass bei der ärztlichen Begutachtung immer eine psychologische oder psychiatrische Perspektive einfließt, und zwar unabhängig davon, ob eine psychische Krankheit vorliegt oder nicht.

Parallel soll die Palliativ- und Hospizversorgung massiv ausgebaut werden. Konkret war die Rede davon, dass die derzeitige Förderung von sechs Millionen bis 2024 auf 51 Millionen Euro erhöht wird. (Vanessa Gaigg, 16.12.2021)