Ein Porträt von Salomon Rothschild, der Wien als Bankier von Staatskanzler Metternich mitprägte.

Privatsammlung, London

Über Generationen prägte die Familie Wien wirtschaftlich, architektonisch, sozial, künstlerisch und wissenschaftlich.

David Bohmann

Sie stifteten Krankenhäuser, sammelten Kunst, züchtete kostbare Orchideen und förderten das Naturhistorische Museum.

David Bohmann

Mayer Amschel Rothschild, ein 1744 in Frankfurt geborener Jude, stand am Anfang einer weltbekannten Dynastie. Der kleine Händler heiratete Gutle Schnapper, mit der er 20 Kinder bekam, von denen nur zehn überlebten. Die fünf Söhne wurden in alle Welt geschickt, wo sie erfolgreiche Geschäftsmänner wurden. Einer von ihnen, Salomon Rothschild, kam nach Wien und wurde Bankier von Staatskanzler Metternich und einer der wichtigsten Unternehmer Österreichs. Seine Geschichte und die seiner Nachkommen werden ab sofort in der Ausstellung Die Wiener Rothschilds – Ein Krimi im Jüdischen Museum Wien erzählt.

Während vor allem in den letzten beiden Jahren der Pandemie von Rechtsextremen wieder ungeniert verbreitete Weltverschwörungserzählungen von sogenannten Querdenkern unhinterfragt übernommen werden, war der Name Rothschild fernab antisemitischer Codes Synonym für eine jüdische Erfolgsstory. Über Generationen prägte die Familie Wien wirtschaftlich, architektonisch, sozial, künstlerisch und wissenschaftlich. Man stiftete Krankenhäuser, sammelte Kunst, züchtete kostbare Orchideen und förderte das Naturhistorische Museum – ein von der Decke schwebendes Krokodil, das 1930 eine Schenkung an das Museum war, erinnert daran.

Nicht liberal, aber modern

Anders als andere jüdische Familien war Salomon nicht liberal, sondern stand während der Revolution 1848 zu Metternich. Eine rote Aktentasche des Staatskanzlers steht in der Ausstellung. Modern war das Unternehmen aber allemal. Man kommunizierte erst mit Brieftauben und wechselte früh auf moderne Post- und schließlich Bahnnetze. Ein beeindruckendes Modell des einstigen Wiener Nordbahnhofes ist ein zentraler Teil der Schau. Gabriele Kohlbauer-Fritz und Tom Juncker, die die Ausstellung kuratierten, trugen allen Facetten der Familie Rechnung. Dabei gestaltete sich ihre Arbeit, bei der sie seit der NS-Diktatur verschüttete Spuren der Familie freilegten, selbst teils wie ein Krimi, wie Museumschefin Danielle Spera am Donnerstag sagte.

So entdeckten die beiden Kuratoren etwa ein unbekanntes Gemälde und zwei Sphingen wieder, die einst beim Palais (Albert) Rothschild standen – Letztere via Google Earth in einem Privatgarten in Liesing. Eine wurde in die Ausstellung gehievt. Das Palais, das Albert Rothschild im späten 19. Jahrhundert an der Prinz-Eugen-Straße bauen ließ, war in der NS-Zeit die "Zentralstelle für jüdische Auswanderung" unter Adolf Eichmann, ab 1954 wurde es abgerissen und die Arbeiterkammer errichtet. Eine interaktive Karte zeigt weitere verschwundene Bauten.

Während heute auf Corona-Demos junge Rechte "Rothschild muss weg" skandieren, leben überhaupt keine Nachkommen der Dynastie mehr in Österreich. Die letzten Jagdgebiete und Wälder wurden von in den USA lebenden Nachkommen längst verkauft. Louis Rothschild wurde 1938 von den Nazis inhaftiert und sein Besitz abgepresst, danach konnte er ins Ausland fliehen. Er wurde auf eigenen Wunsch 1955 in Wien bestattet – gerade als das Familienpalais demoliert wurde. Die Restitution von Kunstwerken der Familie zieht sich bis heute. (Colette M. Schmidt, 17.12.2021)