Verwischte Existenz: Künstler wie Theodor Bruckner wurden nach 1938 ausradiert. Foto: Theodor Bruckner / Künstlerhaus
Foto: Theodor Bruckner / Künstlerhaus

Wie kann eine Institution mit der eigenen Vergangenheit umgehen? Wie weit können schmerzhafte Leerstellen nachträglich gefüllt werden? All dieser Fragen nimmt sich die Ausstellung Dispossession im Künstlerhaus an, in der sich die Einrichtung im historischen Haus am Wiener Ring am Schopf packt und tief in die eigene Genese blickt. 1868 als Heimat für die Künstlervereinigung errichtet, oblag es der Institution, Vorschläge für Professuren und staatliche Aufträge zu vergeben. Entscheidungen über Zugehörigkeit sowie der Exekution blieben ihr überlassen.

Die von Ariane Müller kuratierte Schau untersucht die Zeit vor, während und nach der nationalsozialistischen Herrschaft in Wien. In zwei Jahren Recherchearbeit durchforstete sie das Archiv des Künstlerhauses und barg Biografien jener Künstler und Künstlerinnen, von denen man lange nicht mehr wusste, dass es sie einst überhaupt gab. "Ab 1938 verschwand das jüdische Bürgertum aus der Vereinigung", so Müller. Fast ein Drittel der Mitglieder wurde ausgeschlossen, die meisten deportiert und getötet.

Einzelne Gemälde und Dokumente wie Briefe porträtieren Personen, die aus der Künstlervereinigung ausgeschlossen wurden. Darunter beispielsweise Otto Herschel, Friedrich Schön oder Sofie Korner, die im Künstlerhaus ausstellten und sich in Briefen an die Vereinigung wandten. Wenig später starben viele von ihnen in Vernichtungslagern der Nazis.

Historische Installation: Jury-Mitglieder der damaligen Künstlervereinigung als Pappfiguren.
Foto: M. Nagel

Böse und achtbeinig

Dieser Blick in die Vergangenheit stellt nur einen Bruchteil der vielschichtigen Ausstellung dar. Neben historischen Aufarbeitungen mittels Zeitdokumenten hat Müller auch Werke zeitgenössischer Künstler und Künstlerinnen ausgewählt, die sich der Themen Enteignung und Aneignung annehmen. Wobei hier "to possess" auch "besitzen" im metaphorischen Sinn meint: Wem haften welche fatalen Zuschreibungen an?

Gleich im Entree hängen leere Glaskästen des dänischen Künstlers Henrik Olesen, nur ein paar Aufkleber wurden ihnen gelassen. Ein zugegeben nicht allzu einfacher Einstieg. Auch Anita Leisz oder Stephan Janitzky knüpfen an diese Leere an.

Fast zynisch verarbeitet hingegen die 2019 verstorbene Linda Bilda in ihrem Insekten-Comic den Kampf gegen das Böse, das in Form einer großen Spinne auftritt. Ein lebendiges Exemplar schlummert dort kaum sichtbar in einem Terrarium. (Katharina Rustler, 17.12.2021)