Es ist zweifellos ein unzulängliches Gesetz, das am Donnerstag im Nationalrat beschlossen wurde, um das Urteil des Verfassungsgerichtshofs zur Sterbehilfe umzusetzen. Die meisten Stellungnahmen in der zu kurzen Begutachtungsphase fielen so wie viele Gastkommentare äußerst kritisch aus.

Zahlreiche Fachleute zweifeln, ob sich die komplexen bürokratischen Regelungen, die von Sterbewilligen verlangt werden, in der Praxis überhaupt umsetzen lassen. Wo wird man Mediziner finden, die einem sowohl eine ausreichend schwere Krankheit als auch den freien Willen zum Sterben attestieren? Werden die Kosten für diesen Prozess so hoch sein, das es sich nur Wohlhabende leisten können? Und wie können sich angesichts der vielen offenen Fragen sowohl die beteiligten Ärzte als auch die Sterbehelfer sicher sein, dass sie am Ende straffrei bleiben?

Allen Schutzmaßnahmen zum Trotz könnten nach Meinung mancher Kritiker Menschen von ihren Angehörigen zum Suizid gedrängt werden oder zu dessen Zeitpunkt sich nicht mehr ganz frei dazu entscheiden können. Außerdem stellt sich die brisante Frage, wie der Staat die missbräuchliche Verwendung des tödlichen Präparats vermeiden kann, wenn es einmal aus der Apotheke abgeholt wurde und dann vielleicht monatelang in der Wohnung der Sterbewilligen liegt. Denn für seinen Einsatz gibt es keine zeitliche Frist.

Die Debatte über das Ende des Lebens wird niemals zu einem Abschluss kommen.
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Für die Schwächen des Gesetzes gibt es politische Gründe: ÖVP und Grüne haben monatelang diskutiert und mussten dann die neuen Regeln unter hohem Zeitdruck erstellen, um den vom Gerichtshof gesetzten Termin bis Jahresende einzuhalten. Und manche Punkte mussten vage bleiben, weil sich die Koalitionspartner nicht einigen konnten.

Heikles juristisches und ethisches Problem

Dahinter liegt ein tieferes Dilemma: Jedes Sterbehilfegesetz bleibt ein Kompromiss, der nie alle Seiten zufriedenstellen kann. Die österreichische Lösung ist für die Gegner des assistierten Suizids ein ethischer Dammbruch und geht gleichzeitig den Befürwortern nicht weit genug. Letztere kritisieren vor allem, dass eine aktive Tötung auf Verlangen strafbar bleibt und daher Menschen, die selbst nicht mehr in der Lage sind, das Sterbemittel einzunehmen, zum Weiterleben verdammt sind.

Doch dies ist kein Willkürakt des Gesetzgebers, sondern entspricht der expliziten Forderung der Verfassungsrichter, die ein recht enges Korsett für die Liberalisierung der Sterbehilfe geschnürt haben. Das geschah aus gutem Grund: Für einen raschen Wechsel von einem rigorosen Verbot zu einer Freigabe nach belgischem oder niederländischem Vorbild fehlt in Österreich der gesellschaftliche Konsens. Bei diesem heiklen juristischen und ethischen Problem muss sich das Land allmählich vortasten. Und dafür bietet das Gesetz bei all seinen Lücken eine brauchbare Grundlage.

Erst in der Praxis wird sich zeigen, ob die neuen Regeln dazu beitragen, menschliches Leid im Einzelfall zu lindern, ohne dass es zu fragwürdigen Suiziden oder offenem Missbrauch kommt. Mit solchen konkreten Erfahrungen wird die bisher recht abstrakte Debatte an Qualität gewinnen und kann das Gesetz dann verbessert werden. Das wird in einigen Jahren notwendig sein.

Der gesellschaftliche Trend geht wahrscheinlich in Richtung weiterer Liberalisierung; wie weit, ist offen. Die Debatte über das Ende des Lebens wird niemals zu einem Abschluss kommen. (Eric Frey, 17.12.2021)