Das Heeresgeschichtliche Museum wurde 1869 vom Parlamentsarchitekten Theophil Hansen erbaut.

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Der Saal zur Revolutionszeit 1789 bis 1848.

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Am schärfsten kritisiert: Der Saal "Republik und Diktatur" zur Zeitspanne 1918 bis 1955.

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Langsam, aber doch kommt der Reformprozess rund um das Heeresgeschichtliche Museum (HGM) in Gang. Das älteste Museum Wiens, das organisatorisch dem Verteidigungsministeriums unterstellt ist, geriet 2019 in die Kritik: Die museale Darstellung der österreichischen Militärgeschichte vom 16. bis ins 20. Jahrhundert sei größtenteils unzeitgemäß, unkritisch und habe zahlreiche Leerstellen. Eine Historikerkommission kam zu dem Schluss, dass den Ausstellungen vor allem eine kultur-, politik- und sozialhistorische Perspektive fehle und diese sich zu sehr auf Militärgeschichte "vom Feldherrenhügel aus" sowie unkritische Habsburg-Huldigung verengten.

Hinzu kam 2020 noch ein desaströser Rechnungshofbericht, der der Führung des Museums zahlreiche Mängel vorwarf. Christian Ortner, seit 2005 Direktor des HGM, ist noch im Amt, sein Posten soll aber demnächst neu ausgeschrieben werden. Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) schloss Ortners Wiederbestellung zwar nicht aus, sie hielt nun in einer Aussendung aber erneut fest, dass man "das Museum auf neue Beine stellen" müsse. "In den letzten Jahrzehnten sind Fehler und Versäumnisse passiert, die es jetzt zu tilgen gilt." Dass das aber ohne neues Führungsteam gelingen kann, dürfte schwer zu argumentieren sein.

Als erste Maßnahme installiert wird nun ein international und interdisziplinär besetzter wissenschaftlicher Beirat. Den Vorsitz führt der Museumsbund-Chef und Direktor des Grazer Joanneums Wolfgang Muchitsch, der auch die eingangs erwähnte Historikerkommission leitete. Erstmals zusammentreten dürfte der Beirat im Februar. Seine Zusammensetzung war zuletzt Verhandlungssache zwischen Muchitsch und dem Verteidigungsministerium (BMLV). Laut STANDARD-Informationen ist der Beirat mittlerweile sehr umfangreich, weswegen beschlossen wurde, eine Art Kernteam, das als Präsidium bezeichnet wird, zu gründen.

Irritation, Kritik, Erwartung

Dieses Präsidium gab Tanner am Donnerstag bekannt. Es setzt sich zusammen aus Muchitsch, der Historikerin und Direktorin der Gedenkstätte Mauthausen, Barbara Glück, dem pensionierten General Horst Pleiner sowie dem Historiker Wolfgang Müller, der schon bisher Chef der Militärhistorischen Beiratskommission im BMLV war. Ein fünftes Mitglied dürfte später noch dazukommen, heißt es. Ein kursierender Erstentwurf der Ausschreibung zur Direktion ruft hingegen bereits Kritiker auf den Plan – konkret weil in dem Entwurf einzig österreichische Staaatsbürger zur Bewerbung zugelassen sein sollen und weil sich die Ausschreibung zu sehr an BMLV-interne Kandidaten richte.

Öffentlich stellte Tanner hingegen klar, dass das neue Präsidium in die Ausschreibung und Bestellung der Direktion eingebunden sein soll. Gut möglich also, dass sich die Kriterien der Ausschreibung noch ändern könnten.

Über die Zusammensetzung des erweiterten Beirats ließ Tanner noch nichts verlautbaren, hinter den Kulissen gab es dabei aber bereits Irritationen. So herrscht Verwunderung darüber, dass die Direktorin des Hauses der Geschichte und Museologin Monika Sommer sowie Peter Aufreiter, Direktor des Technischen Museums, zwar vorgesehen waren, dann aber vom BMLV wieder ausgeladen wurden. Gerade mit diesen Museen habe das HGM aber wesentliche Überschneidungen, heißt es.

Zu wenig Museumsexpertise?

Kritisch gesehen wird, dass zwar in Summe viel akademisches Wissen, aber zu wenig Museumsexpertise vertreten sein könnte, obwohl es beim Reformprozess gerade auf Fragen der praktischen Umsetzung ankommen würde. Trotzdem dürften von den für den Beirat nun vorgesehenen Expertinnen und Experten nach wie vor etwa 50 Prozent dem aktuellen HGM gegenüber kritisch eingestellt sein. Inwieweit jene vom BMLV Nominierten größere Veränderungen mittragen, wird sich erst zeigen.

Wolfgang Müller, stellvertretender Vorsitzender des neuen Beirats, ließ den STANDARD dazu Folgendes wissen: Man habe bewusst und "im Einklang mit international üblichen Richtlinien zur Vermeidung von Befangenheit und Interessenkonflikten" darauf verzichtet, "leitende Personen inländischer, im Wettbewerb mit dem HGM stehender Museen" in den Beirat aufzunehmen. Museologische Kompetenz sei außerdem "in angemessenem Umfang" vorhanden.*

Buch zur Debatte

Zahlreiche Analysen und Anregungen zum Umgang mit dem HGM finden sich übrigens in einem Buch, das inzwischen zur Debatte erschienen ist. Die Kulturwissenschafterin Elena Messner und der Politologe Peter Pirker haben das Werk Kriege gehören ins Museum – Aber wie? im Atelier-Verlag herausgegeben. Über 40 Wissenschafter, darunter auch die nunmehrigen Präsidiumsmitglieder Wolfgang Muchitsch und Wolfgang Müller, haben sich darin Gedanken zu Vergangenheit, Status quo und Zukunft des HGM gemacht.

(Stefan Weiss, 18.12.2021)