Anya Chalotra in der Rolle der Yennefer: "Allgemein ist die Serie so geschrieben, dass den weiblichen Charakteren mehr Geschichte und mehr Bildschirmzeit gegeben wird."

Foto: Netflix/Jay Maidment

In der Netflix-Fantasyserie "The Witcher" spielt Anya Chalotra die Rolle der Magierin Yennefer – ein Charakter, der in seiner bewegten Biografie allen gängigen Fantasy-Klischees entgegensteht. Mit dem STANDARD sprach sie über die Umsetzung von Nacktszenen, die Schwerpunkte der aktuellen zweiten Staffel und Magierinnen als Role-Models.

STANDARD: Die Serie "The Witcher" war extrem erfolgreich: Auf IMDB wird sie mit 8,2 von 10 Sternen bewertet, der britische Branchendienst "Screen International" hat Sie zu den "Stars of Tomorrow" gewählt. Wie haben sich Ihr Leben und Ihre Karriere durch den Erfolg verändert?

Chalotra: Es hat sich dramatisch verändert. Der größte Unterschied liegt wohl in meinem Selbstbewusstsein, dabei hat der Charakter der Yennefer mein Leben wohl mehr verändert als der eigentliche Erfolg.

STANDARD: In welcher Form?

Chalotra: Ich musste wirklich tief in den Charakter der Yennefer eintauchen. Sie wandelt sich in der Staffel von einem Mädchen zu einer 70-jährigen Frau. Ich musste also auch in mir selbst graben. Besonders in der ersten Staffel habe ich sehr viel von mir selbst exponiert. Und die Serie wird von so vielen Menschen gesehen, die dies wahrnehmen – seitdem sorge ich mich allgemein weniger.

Foto: Netlfix/Katalin Vermes

STANDARD: Ihr Kollege Henry Cavill betont gerne, dass er die Bücher gelesen und auch die Spiele gespielt hat. Wie haben Sie sich auf die Rolle vorbereitet? Haben Sie auch die Spiele gespielt?

Chalotra: Ja, ich habe es versucht (lacht). Ich bin sicher nicht so gut darin wie Henry oder Sie. Aber ich würde meine Gamingskills gerne verbessern.

STANDARD: Auf einer oberflächlichen Ebene geht es bei "The Witcher" in erster Linie um Sex und Gewalt. Sie erwähnten bereits, dass Sie in der Serie viel von sich selbst exponiert haben. War es für Sie schwierig, die Nacktszenen zu drehen?

Chalotra: Diese Linie zwischen Anya und dem Charakter, der die Nacktszene machen muss, ist in solchen Situationen immer verschwommen. Aber Netflix hat das Umfeld so sicher und angenehm wie möglich gestaltet. Obwohl es mir selbst unangenehm war, wusste ich, dass ich volle Unterstützung bekomme. Wir haben gemeinsam die Entscheidungen zu diesen Nacktszenen getroffen – für den Charakter, von dem wir ein ganzes Leben zeigen.

Foto: Netflix/Katalin Vermes

STANDARD: In Österreich wurde auch 2021 die Vienna Comic Con wegen der Pandemie abgesagt. Fehlt Ihnen die Interaktion mit den Fans?

Chalotra: Ich würde gerne mehr "The Witcher"-Fans treffen. Es ist aufregend, diese Dinge gemeinsam zum Leben zu erwecken. Covid-19 hat uns dort stark eingeschränkt, und wir haben nicht so viele Menschen treffen können, wie wir gerne würden. Aber hoffentlich ergeben sich im kommenden Jahr Möglichkeiten.

STANDARD: Wer tiefer in das "The Witcher"-Universum eintaucht, der findet heraus, dass Geralt eigentlich eher ein Verlierertyp ist, während die weiblichen Charaktere die starken Figuren sind. Glauben Sie, dass Sie ein Vorbild für Mädchen und junge Frauen sind, sodass sie sich für das noch immer sehr männlich dominierte Fantasy-Genre begeistern?

Chalotra: Ja, ich glaube, das gilt vor allem für Yennefer und die Art, wie wir sie geschrieben haben – weil sie sich weigert, einem klassischen Stereotyp zu entsprechen. Allgemein ist die Serie so geschrieben, dass den weiblichen Charakteren mehr Geschichte und mehr Bildschirmzeit gegeben wird. Wir sehen, warum sie welche Entscheidungen treffen, die Charaktere sind einfach voller. Und mit Yennefer werde auch ich zu einem Role-Model: Wenn jemand auf einer Leinwand ist, schaut man zu der Person auf, orientiert sich an deren Entscheidungen.

Foto: Netflix/Katalin Vermes

STANDARD: Worauf wurde bei der aktuellen zweiten Staffel der Serie der Schwerpunkt gelegt, an welchen Büchern orientiert man sich? Geht es mehr um die Kurzgeschichten oder um die fünfteilige Ciri-Saga?

Chalotra: Wir nehmen alle aufregenden Teile der Geschichten und erwecken sie zum Leben. Offensichtlich können wir dabei nicht alles zeigen. Wir versuchen, den Hauptstrang der "Witcher"-Geschichten rund um Ciris Schicksal zu erzählen, gleichermaßen werden aber auch die Hintergründe der einzelnen Charaktere und die Details aus den Kurzgeschichten erzählt.

STANDARD: Bei der ersten Staffel waren die zahlreichen Zeitsprünge für jene Menschen verwirrend, die neu in der Materie sind. Wie wurde das in der zweiten Staffel gelöst?

Chalotra: Es ist schwer, eine solch komplexe Welt in einer einzigen Staffel zu präsentieren. Nach der Verwirrung in der ersten Staffel kennt man nun alle Charaktere. Man kann sich also Zeit lassen, es genießen und all die Details wahrnehmen, die wir hineingesteckt haben. Die Handlung der zweiten Staffel ist definitiv geradliniger.

STANDARD: Die Trilogie der Spiele schließt zeitlich an die Pentalogie der Ciri-Saga an. Werden Sie die Geschichte der Spiele erzählen, wenn Sie mit den Romanen abgeschlossen haben?

Chalotra: Unsere Adaption orientiert sich an den Büchern. Dort können wir nicht alles übernehmen, wir haben uns also auf die besten Aspekte konzentriert. Und dabei wird es wohl bleiben.

STANDARD: Das bedeutet, es wird keine Serienadaption der Spiele geben?

Chalotra: Nein, nicht von den Spielen.

STANDARD: Was planen Sie als Nächstes?

Chalotra: Ich weiß es nicht. Ich finde so viele Themen spannend und kann es kaum erwarten, alle auszuprobieren. (Stefan Mey, 18.12.2021)