Richard Rogers wurde von der Queen in den Adelsstand gehoben. Er verstarb im Alter von 88 Jahren.

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London – Februar 1977, Paris. Es regnet in Strömen. Richard Rogers steht vor dem kürzlich fertiggestellten Centre Pompidou und betrachtet sein vollendetes Werk, als plötzlich eine ältere Dame an ihn herantritt und ihm einen Platz unter ihrem Regenschirm anbietet. Was er denn von diesem Gebäude hielte, fragt sie. Und Rogers stolz: "Ich bin der Architekt." In der nächsten Sekunde bekam er mit dem Schirm eins über die Rübe gezogen.

Lange hatte es gedauert, bis die Pariser sein wohl berühmtestes Frühwerk zu schätzen gelernt haben. Die Presse bezeichnete es als Pompidoleum, als Erdölraffinerie, als Notre-Dame der Röhren. Die französische Tageszeitung Le Figaro sprach gar von einem "kulturellen King Kong" und verglich das Haus auch mit jenem sagenumwobenen Monster im Loch Ness. Heute ist das Centre Pompidou, das Richard Rogers mit seinem damaligen Partner Renzo Piano plante, aus dem Pariser Stadtbild nicht mehr wegzudenken. In der Nacht von Samstag auf Sonntag ist Richard Rogers im Alter von 88 Jahren friedlich eingeschlafen, wie seine Familie der New York Times mitteilte.

Das Centre Pompidou sticht aus dem Paris Stadtbild hervor und ist eine der Top-Adressen des Landes für Kunst und Kultur.
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Seine Kindheit und Jugend waren ein Horror. Geboren 1933 in Florenz, 1939 mit der Familie nach London übersiedelt, konnte er wegen einer nichtdiagnostizierten Legasthenie bis zu seinem elften Lebensjahr weder lesen noch schreiben. Er wurde regelmäßig gemobbt, "ich weinte mich jede Nacht in den Schlaf, Jahre der Traurigkeit", schrieb er später in seiner Autobiografie A Place for all People. In den späten Fünfzigerjahren studierte der Schulabbrecher Architektur an der berühmten Architectural Association School of Architecture (AA) in London, hatte aber auch hier mit Misserfolgen zu kämpfen, flog in seinem vorletzten Studienjahr in fünf von sechs Fächern durch.

Mit einem Fulbright Stipendium ging er 1962 nach Yale, wo er eine tiefe Freundschaft mit seiner späteren Frau Su Brumwell sowie mit Norman Foster und dessen Freundin Wendy Cheesman schloss. 1963 gründeten sie das sogenannte Team 4, das sich schon bald zu einem Nährboden für die britische Hightech-Bewegung herausstellen sollte. Inspiriert von den frühen Indus triebauten in Nordengland entstanden die ersten realisierten Projekte in Vorfertigung und modularer Bauweise. Aus dieser Haltung heraus entstand schließlich das Centre Pompidou.

Das Three World Trade Center gilt als für Rogers typisches Gebäude. Viele äußere Verstrebungen, dazu Glas und Edelstahl.
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Die Saure-Gurken-Zeit war damit endgültig vorbei. Es folgten das Lloyd’s Building in London (1984), der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg (1994), der Millennium Dome in London (1999), der fröhlich bunte Flughafen Madrid Barajas (2004), der Justizpalast in Antwerpen (2006), das Leadenhall Building in London (2014), aufgrund seiner Form auch besser bekannt als "Käsereibe", und schließlich das Three World Trade Center in New York (2018) sowie etliche Konzepte für günstiges, leistbares Wohnen in ganz Großbritannien.

1991 wird Rogers von Queen Elizabeth II zum Ritter erhoben, 2007 erhält er den renommierten Pritzker-Preis, 2015 wird er vom Männermagazin GQ zu den "50 Best dressed British men" gezählt. Der freundliche, sympathische Mann, der stets in grasgrünen und knallpinken Hemden auftrat, hat die Welt für die Schönheit einer technoiden, kons truktiven und zugleich hellen, bunten, verspielten Architektur sensibilisiert wie kein anderer. (Wojciech Czaja, 19.12.2021)