Die Diskussion bei "Im Zentrum" mit Claudia Reiterer am Sonntag auf ORF 2.

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Wer Sonntagabend nach Shoppen und Lichtermeer noch konnte, den erwartete bei "Im Zentrum" eine inspirierende Stunde. Man beobachtet das ja immer wieder: Sachliche TV-Diskussionen sind auch hierzulande möglich, vorausgesetzt, es sind nicht zu viele Politiker zu Gast. Respektvoller Umgang, den anderen ausreden lassen, das bessere Argument gelten lassen – es ist möglich, wenn Praktiker und Theoretiker am Wort sind.

Dann wird sogar ein rhetorischer Polterknecht wie der ÖVP-Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka leiser und hört zu. So geschehen am Sonntag. Was er hörte?

Gefährliche Spaltung

"In sozialen Medien erleben wir es immer wieder, dass wir beschimpft werden", sagte Irmgard Mair, Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin.

Die Unsicherheit der Menschen werde verstärkt "durch das Gefühl, die Politik bringt nicht die gesuchten Antworten", sagte der Politikwissenschafter Reinhard Heinisch.

"Wir sehen, die Gesellschaft ist de facto gespalten in die, die relativ sicher sind, und in die, die relativ unsicher sind. Dazu kommt, dass wir im Diskurs um Maßnahmen nicht versucht haben, inklusiv zu sein. Die Leute mitzunehmen, so weit es geht", sagte Julian Nida-Rümelin, Philosoph und Autor sowie stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Ethikrats. Dadurch entstehe das Auseinanderdriften der Gesellschaft: "Da müssen wir raus. Das kann für eine Demokratie hochgefährlich werden." Er plädierte für "reden, nicht diffamieren".

"Diese Spaltung ist gefährlich. Das ist irgendwann einmal nicht mehr kontrollierbar", sagte die Biochemikerin Renée Schroeder: "Wir sind noch lange nicht am Ende."

Davon angespornt, fühlte sich auch der Politiker zur Analyse gefordert: "Wir glauben immer, Covid ist gekommen, und alles hat sich geändert. Solche Veränderungen gehen aber schleichend, über Jahre und Jahrzehnte", merkte Sobotka an. "Das setzt auch die Politik unter Stress." Es klang fast, als würde er um Verständnis bitten. Für Selbstkritik reichte es dann aber auch nicht mehr.

Dass der Höhepunkt des "Lautstarken" überwunden sei, glauben Sobotka und – unter dem Eindruck des Lichtermeers stehend – auch Schroeder. Man möchte ihnen so gerne glauben, doch nach den Bildern vom Samstag, als Maßnahmengegner in Wien Polizeisperren durchbrachen, bestehen einige Zweifel. "Die Zeit nach Corona wird eine Zeit großer Herausforderungen", sagte Heinisch. So oder so. (Doris Priesching, 20.12.2011)