Kultureller Austausch und der Handel mit Ressourcen prägen den Menschen schon seit geraumer Zeit. Das ist durch archäologische Forschung bekannt: Sie rekonstruiert mögliche Handelsrouten und Zusammenhänge anhand von Artefakten. Sie sind zwar nicht so gesprächig wie schriftliche Aufzeichnungen, liefern aber dennoch wertvolle Indizien. Ihr Material kann verraten, aus welcher Region ein Rohstoff stammt. Bernstein beispielsweise ist typisch für den Bereich rund um die Ostsee. Und gewisse Techniken und Abbildungen lassen sich ebenfalls lokal eingrenzen.

In diesem Kontext liefert eine aktuelle Studie spannende Neuigkeiten über den großflächigen Austausch von Schmuckobjekten – oder ihrer Herstellungstechnik – vor 50.000 Jahren. Das dokumentieren die Forscherinnen Jennifer Miller und Yiming Wang vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena in ihrer aktuellen Studie im Fachjournal "Nature".

Artefakte unter dem Mikroskop: Diese "Perlen" aus Straußeneierschalen lieferten dem Forschungsteam neue Informationen über prähistorische Netzwerke in Afrika.
Foto: Jennifer Miller

Das Objekt ihrer Analyse sind scheibenförmige Perlen, die aus den Eierschalen von Straußenvögeln hergestellt wurden. Sie sind unmissverständlich menschengemacht; dass sie zufällig entstehen, ist – im Gegensatz zu anderen Objekten aus Stein, Holz oder Muscheln, die vermutlich von Menschenhand bearbeitet wurden – ausgeschlossen. Außerdem unterscheidet sich der Straußenschalenschmuck stilistisch, wenn man etwa Durchmesser des Lochs und der ganzen Scheibe vergleicht oder die Dicke des Objekts. So lassen sich relativ gut auch kulturelle Verbindungen nachvollziehen.

Eierschalendatenbank

Auf dieser Grundlage berichten Miller und Wang von einer Verbindung zwischen Populationen im Süden und im Osten des afrikanischen Kontinents. "Es ist, als würden wir einer Spur von Brotkrumen folgen", sagt Jennifer Miller. "Die Perlen sind Indizien, die über Raum und Zeit verstreut sind und nur darauf warten, bemerkt zu werden."

In der Studie wurden verschiedenartige Schmuckfragmente verglichen, die in Süd- und in Ostafrika gefunden wurden.
Bild: Miller & Wang 2021, Nature

Diese Arbeit kostete sie mindestens zehn Jahre des Zusammentragens von Forschungsergebnissen. Die Forscherinnen stellten die bisher größte Datenbank zu diesen besonderen Anzeichen für Schmuck zusammen. Mehr als 1.500 Eierschalenscheibchen wurden an 31 Orten in Afrika entdeckt und in die Analyse einbezogen.

Austauschrouten über 3.000 Kilometer

Der Vergleich zeigte, dass im südlichen und östlichen Bereich des Kontinents im Zeitraum von vor 50.000 bis vor 33.000 Jahren offenbar eine sehr ähnliche Kultur und ein Austausch vorherrschte. Man könnte also von einem sozialen Netz oder Handels- und Austauschrouten sprechen, die eine Strecke von mehr als 3.000 Kilometern überwanden. Hier stießen Forschende auf quasi identische Perlenscheiben.

"Das Ergebnis ist überraschend, aber das Muster ist klar", sagt Yiming Wang. "Im Zeitraum von 50.000 Jahren, den wir untersuchten, ist das die einzige Periode, in der die Charakteristika der Perlen gleich sind." Man könnte die betreffenden Regionen in dieser Phase also als ältestes erwiesenes soziales Netzwerk bezeichnen.

Eine moderne Kette mit münzenförmigen Perlen aus Straußeneierschalen, die in Ostafrika hergestellt wurde.
Foto: Hans Sell

Interessanterweise gibt es weitere Merkmale, die in diesem Zeitraum vorherrschten, wie ein Blick auf die Klimabedingungen zeigt. Damals dürfte es in Ostafrika besonders feucht gewesen sein – danach gingen die Niederschlagsmengen aber stark zurück. Der tropische Regengürtel wanderte in Richtung Süden.

Überschwemmungen mit sozialen Folgen

Welche Konsequenzen hatten diese Veränderungen des Klimas? Der Studie zufolge war vor allem das Verbindungsgebiet zwischen Ost- und Südafrika betroffen, in dem sich auch das Einzugsgebiet des Sambesi-Flusses befindet. Der Sambesi ist der viertlängste Fluss Afrikas, heutigen Ländergrenzen entsprechend durchfließt oder begrenzt er die Länder Sambia, die Demokratische Republik Kongo, Angola, Namibia, Simbabwe und Mosambik.

In dieser Großregion dürfte es damals zu stärkeren Regenfällen gekommen sein, die immer wieder Flussufer überschwemmten. Dies könnte zu geografischen Barrieren geführt haben, die auch Folgen für den sozialen Austausch hatten. Den archäologischen Recherchen zufolge ist im Zeitraum danach jedenfalls nicht mehr dieselbe Ähnlichkeit in Sachen Perlenschmuck zu beobachten.

In der Region rund um die Olduvai-Schlucht in Tansania wurden einige neue Schmuckstücke aufgespürt.
Foto: Yiming Wang

Die beiden Forscherinnen kombinierten die Information, die indirekte Klimaanzeiger lieferten, mit Klimamodellen und ihren archäologischen Daten. "So können wir die Verbindung zwischen Klimaveränderungen und kulturellem Verhalten erkennen", sagt Wang.

Kleine Perlen, große Zusammenhänge

Die Forschungsarbeit liefert ein wichtiges Puzzlestück zur Frage, wann und wo sich verschiedene Populationen des modernen Menschen zusammengetan und ausgetauscht haben, und wie sich unterschiedliche Kulturen ausbildeten. Aus der Analyse von sehr alten DNA-Spuren konnte bereits geschlussfolgert werden, dass sich verschiedene genetische Linien des Homo sapiens in dieser Region vor 350.000 bis 70.000 Jahren trennten. Es wurden also einzelne genetische Unterschiede aufgespürt. Vor etwa 2.000 Jahren näherten sich die Populationen wieder einander an – gleichzeitig etablierte sich im Süden Afrikas übrigens auch die Viehzucht.

Die Schmuckartefakte deuten allerdings darauf hin, dass dies die Gruppen nicht davon abhielt, in kulturellen oder wirtschaftlichen Austausch zu treten. Die erstellte Straußeneischmuck-Datenbank könnten auch für zukünftige Forschungsprojekte hilfreich sein, sagt Miller: "Diese winzigen Perlen liefern die Möglichkeit, große Geschichten aus unserer Vergangenheit zu enthüllen." (sic, 21.12.2021)