Der russische Präsident Wladimir Putin scheint seit der Annektierung der Krim konsequent dem altrömischen Spruch zu folgen: Oderint dum metuant ("Sie mögen (mich) hassen, solange sie (mich) nur fürchten"). Seine jüngsten Verhandlungsforderungen an die Nato und Washington bezwecken nicht einen Dialog mit dem Ziel eines Kompromisses, sondern die Zustimmung zur Wiederherstellung der russischen Hegemonie über den Kern der vor 30 Jahren friedlich aufgelösten Sowjetunion: Belarus und die Ukraine.

Darüber hinaus fordert er die Respektierung des historischen Einflussgebietes in Osteuropa. Vor etwa vier Wochen stellte ich hier die Frage: Geht es um die Einschüchterung der Ukraine oder um die Vorbereitung eines militärischen Vorstoßes in die Ukraine?

Puntins jüngste Verhandlungsforderungen an die Nato und Washington bezwecken nicht einen Dialog mit dem Ziel eines Kompromisses.
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Der US- Außenminister Antony Blinken hatte die Behauptung des Kremls, von der Ukraine gehe eine Gefahr für Russland aus, einen "schlechten Witz" genannt. Inzwischen konkretisierte Moskau die geforderten "Sicherheitsgarantien", die im Grunde eine Absage an das Selbstbestimmungsrecht der Ukraine und eine Einschränkung der Souveränität der osteuropäischen Nato-Staaten bedeuten würden. Es ist fraglich, ob die Warnungen der Nato und der EU über "massive Konsequenzen und einen hohen Preis im Falle jeder weiteren Aggression gegen die Ukraine" eine Entschärfung der Krise bewirken werden.

Gegenmaßnahmen

Die Aufzählung der möglichen westlichen wirtschaftlichen Gegenmaßnahmen mag auf dem Papier eindrucksvoll wirken. Diese würden aber auch die EU-Mitgliedsstaaten betreffen, die immerhin 41 Prozent ihrer Erdgasimporte und 27 Prozent der Erdölimporte aus Russland beziehen. Man darf auch die wirtschaftlich stärkere Position Russlands verglichen mit 2014 nicht übersehen.

Gleichzeitig mit dem russischen Säbelrasseln an der ukrainischen Grenze bekundete der chinesische Staats- und Parteichef Xi Jinping seine machtpolitisch bedeutende Unterstützung für die russischen Verhandlungsforderungen und lobte Putins Verteidigung der "wahren Demokratie und der Menschenrechte" gegen die USA.

Kopfloser Rückzug

Der kopflose Rückzug der US-Einheiten aus Afghanistan, die gewaltigen innenpolitischen Problemen der Biden-Administration und die Spaltungsfaktoren in der EU dürften auch die Einschätzung der westlichen Haltung durch Putin mitprägen. Dass laut dem angeblich unabhängigen Moskauer Meinungsforschungsinstitut Lewada 50 Prozent der Befragten die USA und die Nato und 16 Prozent die Ukrainer für die Kriegsgefahr in der Ostukraine verantwortlich machen, aber nur vier Prozent die Russen, scheint die Wirkung der massiven offiziellen Propaganda über die ständige Bedrohung durch feindliche Mächte zu bestätigen.

Die Nostalgie des russischen Herrschers nach der durch die "größte geopolitische Katastrophe" versunkenen Sowjetunion ist mehr denn je die Triebkraft für die nationalistische aggressive Strategie zur Wiederherstellung der Größe Russlands. Ob dies durch politischen Druck oder durch militärische Intervention angestrebt und überhaupt erzwungen werden kann, hängt von einer glaubwürdigen Abschreckungspolitik des Westens ab. (Paul Lendvai, 21.12.2021)