Meryl Streep lässt als US-Präsidentin Janie Orlean selbst Donald Trump wie einen unbedarften Anfänger in Sachen Demagogie ausschauen.
Foto: Netflix / Niko Tavernise

Johann Nepomuk Nestroy meinte seinerzeit, Kometen müssten eigentlich verboten werden. Sie sind nämlich quasi die Vagabunden im Kosmos, ohne Reisepass halten sie sich an keine Umlaufbahn, sondern verbreiten Angst auf ihrem Kollisionskurs mit der Lust am Untergang.

Der amerikanische Regisseur Adam McKay musste für seine neue Komödie Don’t Look Up vermutlich nicht im Lumpacivagabundus nachlesen, seine Idee ist auch so stichhaltig: Wir leben nämlich in einer Epoche, die geradezu nach einem Kometen schreit. Das Internet hat offensichtlich vor allem die Dummheit demokratisiert, und jetzt steht vielen der Gizi schon so hoch, dass irgendein Dreinschlagen geradezu erforderlich scheint.

Passenderweise taucht also in Don’t Look Up ein vazierender Himmelskörper auf, der Kurs auf die Erde nimmt: Sechs Monate und ein paar zerquetschte Tage ist noch Zeit, nachdem die Astronomin Kate Dibiasky (Jennifer Lawrence) auf das Phänomen aufmerksam wird. Sie geht mit der beunruhigenden Neuigkeit zuerst einmal zu ihrem Chef Randall Mindy (Leonardo DiCaprio), einem Nerd, der weit entfernt von Eliteuniversitäten ein mickriges Forscherleben führt. Im Handumdrehen sind Kate und Randall auch schon im Weißen Haus, wo eine Frau das Sagen hat: die Präsidentin Janie Orlean (Meryl Streep).

Komet als Rohstoffquelle

Normalerweise müsste Don’t Look Up in diesem Moment Kurs auf einen Katastrophenfilm nehmen, mit Helden, die den Kometen im Flug auseinandernehmen. Versuche dieser Art gibt es auch, es steht nur alles unter einem deutlich anderen Vorzeichen. Denn Adam McKay ist bekannt für Komödien, und zwar für großartige (Anchorman, Ricky Bobby, Stepbrothers), und neuerdings für einen Typus von Politkino, für den er fast das Copyright hat: The Big Short war so etwas wie eine haarsträubende Realsatire auf die Finanzkrise von 2008.

In Don’t Look Up führt er nun alles zusammen: in einen Spoof (also eine Verarschung) auf ein Genre, in dem sich Amerika besonders gern wiedererkennen würde, und in eine grelle, bitterböse, detailreiche Abrechnung mit einer durchgeknallten Nation. Janie Orlean lässt dabei selbst Donald Trump wie einen unbedarften Anfänger in Sachen Demagogie ausschauen. Die eigentliche Schlüsselfigur wird aber ein piepsiger Tech-Mogul namens Peter Isherwell (Mark Rylance), eine Art Jeff Elon Jobs, der den Kometen schließlich sogar noch als Rohstoffquelle ausbeuten will.

Vergnügliches Trümmerkino

McKay bleibt dabei gar nicht viel anderes übrig, als die Mechanismen des Medienlebens in Amerika surreal zu übertreiben, denn so richtig parodierbar ist es schon lange nicht mehr. Don’t Look Up steckt auch bald in den üblichen Rollenverteilungen fest. Michigan ist in diesem Fall der Staat, in dem sich Reste der Vernunft sammeln – wie früher schon die Brüder Farrelly sucht auch Adam McKay nach einer Systemkritik, die nicht nach rechts abdriftet, sondern beim Populismus der 30er-Jahre konstruktiv ansetzen könnte.

Dass Don’t Look Up das alles in Form einer Weihnachts-Starparade für Netflix macht, lässt deutlich werden, wie alternativlos der Betrieb inzwischen ist. Denn der Streamingdienst will ja seinerseits nichts mehr, als dass das Publikum im Zweifelsfall noch ein paar Folgen einer Serie schaut, als einmal nach draußen zu treten und einen Blick auf die Wirklichkeit zu werfen. Der Komet ist längst da, und Don’t Look Up ist vergnügliches Trümmerkino. (Bert Rebhandl, 21.12.2021)

Netflix