"Gschichtldruckerin": Autorin Sarah Wassermair.

Foto: Barbara Dünkelmann

Ein Mädchen steht auf dem Hügel und schaut dem Feuer beim Wüten zu. Drehbücher beginnen für Autorin Sarah Wassermair oft mit einem einzigen Bild im Kopf: "Das Mädchen hatte diesen Zorn, und ich wollte herausfinden, woher er kommt." Der Zorn speist sich aus persönlichen Erfahrungen im ländlichen Raum, wo Aufwachsen ganz schön trist sein kann, wenn der soziale Rückhalt fehlt. Wassermair ist auch auf dem Land aufgewachsen – in einer 2000-Seelen-Gemeinde in Oberösterreich –, was ihr beim Schreiben geholfen habe: "Ich habe zwar keine Dinge angezündet, kenne aber die Enge solcher Biotope. Dieses Rauswollen, aber Nichtrauskönnen, das habe ich immer wieder beobachtet."

Annika Wonner (Sophie Fenks) im ORF-"Landkrimi: Flammenmädchen".
Foto: ORF/Epo Film/Petro Domenigg

Was Wassermair beobachtet und in eine Geschichte gegossen hat, müssen Stefanie Reinsperger und Manuel Rubey umsetzen. Das Ermittlerduo ist im neuen Landkrimi dem titelgebenden Flammenmädchen auf der Spur – zu sehen am Dienstag um 20.15 Uhr in ORF 1.

Simon Schwarz (Andreas Moser), Manuel Rubey (Martin Merana), Stefanie Reinsperger (Franziska Heilmayr).
Foto: ORF/Epo Film/Petro Domenigg

Für Wassermair ist der Salzburger Landkrimi nach Das dunkle Paradies der zweite als Drehbuchautorin. Mitgeschrieben hat auch Regisseurin Catalina Molina. "Die Idee habe ich dann dem Produzenten vorgestellt und gefragt: Du, wir würden gerne ein paar Häuser anzünden, ist das eh nicht zu teuer?" Gefragt, getan.

Zermürbend und befruchtend

Von der Idee bis zur Realisierung vergehen viele Monate, was manchmal zermürbend, oft aber auch befruchtend sein kann, wenn die Geschichte weiterentwickelt wird: "Bis ich mit dem Schreiben angefangen habe, haben wahrscheinlich 15 Leute über diese Grundidee auf zwei Seiten drübergeschaut", erzählt Wassermair im Gespräch mit dem STANDARD: "Es ist ein kollaborativer Prozess, aber trotzdem sind wir die Autoren, die eine Geschichte aus unserem Hirn rausziehen müssen."

Zur Geschichte gehört auch Recherche. Für den Landkrimi waren es Gespräche mit Jugendpsychologen, Brandermittlern oder einem forensischen Chemiker: "Ich wollte wissen, was genau man in der Leber einer Brandleiche noch nachweisen kann." Und ein Brandexperte habe ihr so ausführlich von kaputten Steckerleisten erzählt, die Brände auslösen, dass sie gleich in einen Baumarkt gegangen sei, um sämtliche Steckerleisten zu kaufen: "Das hat mich 180 Euro gekostet." Es sei faszinierend, für jedes Drehbuch in eine neue Welt einzutauchen. Das Recherchieren bezeichnet Wassermair als ihren Lieblingsteil: "Abgesehen vom Ausstellen der Honorarnote am Ende."

Zwei Drittel des Honorars erst bei Drehbeginn

Dass es immer dazu kommt, ist aber alles andere als selbstverständlich: "Wir tragen ein relativ großes Risiko." Der klassische Fernsehvertrag sehe vor, dass Autorinnen und Autoren bei der Vertragsunterzeichnung nur ein Sechstel des Honorars erhalten, bei der Abnahme durch den Sender ist ein weiteres Sechstel fällig, die restlichen zwei Drittel werden erst bei Drehbeginn schlagend.

Und das kann dauern, und wenn es ganz blöd hergeht, begräbt der Sender plötzlich das Projekt, weil etwa das Geld dafür fehlt. "Dann fehlen mir natürlich die letzten zwei Drittel des Geldes", erklärt Wassermair: "Aber wenn es gezahlt wird, kann man gut davon leben." Dass sie an zwei, drei Drehbüchern gleichzeitig arbeite, sei normal und ein Back-up, um die Miete sicher zahlen zu können: "Es ist ein Balanceakt, um es noch hochwertig machen zu können."

"Die absolute Pest"

Wenn die Recherche Wassermairs liebste Aufgabe ist, so steht steht das Schreiben einer Synopsis am anderen Ende der Beliebtheitsskala: "Die zu schreiben, ist die absolute Pest. Ich kenne keinen Autor, der es nicht hasst." Eine Synopsis ist eine rund einseitige Handlungszusammenfassung, die beispielsweise bei der Verwertung oder für Förderungen benötig wird.

Obwohl Wassermair erst 33 Jahre alt ist, ist sie schon seit beinahe 15 Jahren im Geschäft. Etwa als Miterfinderin der Fernsehserie Janus oder als Autorin zahlreicher Soko Donau-Folgen. "Ich bin durch und durch eine Gschichtldruckerin."

Ihre Inspiration holt sie sich weniger im Fernsehen, "ich habe nicht einmal einen TV-Anschluss", sondern viel mehr in der realen Welt und aus Büchern: "Einmal im Jahr nehme ich mir einen Monat Zeit und lese mich möglichst tief in forensische Literatur ein. Dann bin ich sehr grantig, weil ich meine Zeit mit Mördern im Kopf verbringe." Miese Laune gehört zum Geschäft.

Servus TV als rotes Tuch

Zum Geschäft gehört auch, dass sie sich ihre Auftraggeber aussuchen kann. Wassermair würde beispielsweise nicht für Servus TV arbeiten – aufgrund der Corona-Berichterstattung: "Servus TV hat einige Dinge zur Pandemie gemacht, dass ich nicht für den Sender arbeiten würde." Für sie sei es wichtig, inhaltlich zu korrelieren: "Ich vermute, dass weder Servus TV mit mir noch ich mit Servus TV glücklich werden würde."

Sich gemeinsam Krimis mit Wassermair anzuschauen dürfte kein allzu großes Vergnügen sein: "Wenn man meiner besten Freundin glaubt, bin ich fürchterlich, weil ich nach zwei Sekunden stöhne und sage: Mah, der Mörder." Diese rasche Entlarvung habe sie sich zwar abgewöhnt, dennoch hält sich die Zufriedenheit in Grenzen: "Sie sagt, dass sie jetzt an meinem Blick sieht, wer der Mörder ist, und ist wieder beleidigt, dass ich spoilere." (Oliver Mark, 21.12.2021)