In Doha im reichen Katar, wo nächstes Jahr die Fußball-WM stattfinden wird, bauen Arbeiter ein neues Gebäude. Die Arbeiter kommen meist aus armen Ländern wie Nepal, Bangladesch oder Kenia.

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In einem Jahr wird der nächste Fußball-Weltmeister schon feststehen. Kurz vor Weihnachten 2022 werden die zwei besten Teams in Katar um den begehrten Fifa-Titel kicken, und zwar im eigens erbauten Lusail Iconic Stadium in der Nähe von Doha. Drumherum schossen in den vergangenen Jahren Restaurants, Kasinos und unzählige Hotels aus dem Boden: Immerhin 1,2 Millionen Gäste werden erwartet.

Hari Bhakta Rai hat dabei geholfen, die Hotels zu bauen. Von 2017 bis November 2021 war der Nepalese in Katar, um erst als Maurer, dann als Installateur die Megaprojekte für die WM umzusetzen. Umgerechnet rund 300 Euro hat er im Monat verdient. War er krank, wurden ihm 15 Euro am Tag abgezogen.

2018 war er dabei, als ein Kollege auf einer der Baustellen um Lusail an einem Stromschlag starb. "Er brannte innerhalb von fünf Sekunden und starb in fünf Minuten", erinnert Hari sich an das fürchterliche Ereignis. Laut "Guardian"-Nachforschungen starben bis Anfang 2021 rund 6.500 Gastarbeiter aus Südasien in Katar. Etwa ein Viertel von ihnen kam aus Nepal. Bereits 2019 bestätigte die nepalesische Regierung eine große Anzahl an Todesfällen. Eine Vertreterin einer NGO in Kathmandu beziffert die Todeszahl von Nepalesen auf Katars Baustellen bis November dieses Jahres sogar auf über 2.500.

Die Vergabe der Fifa-Fußball-WM war von Anfang an von heftiger Kritik begleitet: Korruption, Verletzungen der Meinungsfreiheit, keine LGBTQ-Rechte. Und seit Jahren häufen sich Berichte über die Ausbeutung von Arbeitsmigranten.

Massive Abhängigkeiten

Die Fußball-WM wirft ein Schlaglicht auf ein Problem, das in ähnlicher Dimension in anderen Ländern der Golfregion herrscht. Ein aktueller Bericht von Amnesty International zählt verheerende Missstände auf. Dass Gehälter nicht ausbezahlt würden, gehört da noch zu den geringeren Übeln. Arbeiter sterben auf den Baustellen und haben kaum Rechte. Sie sind von ihren Arbeitgebern abhängig: Ohne deren Einwilligung können sie nicht Job wechseln. Werden sie gekündigt, verlieren sie ihre Dokumente.

Hari Bhakta hat genau das erlebt. Der 32-jährige sitzt in einer Unterkunft für Rückkehrer in Kathmandu, nachdem er aus Katar ausgeflogen wurde. "Erst im Nachhinein habe ich erfahren, was das Problem ist", erzählt Hari. Weil er neun Tage krank war, habe ihn seine Firma gekündigt. Ohne Aufenthaltsgenehmigung landete er in Haft und schließlich zurück in Nepal.

Hari kommt aus einem Dorf im Osten des Landes. Dort gibt es keine Jobs, erzählt er. So wie hunderttausende andere Nepalesen wollte er sein Glück im Ausland suchen. Ein Viertel von Nepals Bruttoinlandsprodukt geht auf Geldsendungen aus dem Ausland zurück. Die Hitze am Golf, die eingezäunten Arbeiterquartiere, die Arbeitsstunden: Im Vergleich zu den Möglichkeiten, die er in Nepal hat, ist das immer noch attraktiv.

Doch die Probleme beginnen häufig schon in Nepal. Dort boomt das Geschäft um die Gastarbeiter. Windige Agenturen lassen sich oft Unsummen für die Abwickelung der Reiseplanung zahlen. Über die Jahre konnte Hari zumindest ein bisschen Geld sparen.

Anders erging es Sandip Lamicchane. Der 29-Jährige ging 2019 nach Kuwait und arbeitete dort in einer Raffinerie. Der Arbeitgeber hat das Geld nie pünktlich gezahlt. Sandip musste elf statt acht Stunden am Tag arbeiten, es gab keine fixen Schlafenszeiten, das Essen habe nie gereicht. Also ist er aus dem Camp geflohen. Mit der Hilfe von Bekannten schlug er sich durch die Pandemiemonate durch, am Ende wurde er aufgegriffen und am selben Tag wie Hari zurück nach Nepal gebracht. Nach drei Jahren am Golf konnte er gerade das Geld, das er für die Agentur ausgegeben hatte, zurückzahlen.

Zurück mit leeren Händen

Viele würden mit leeren Händen zurück nach Nepal kommen, erzählt Aviman Singh Lama, Manager des Shelter Home der NGO PNCC in Kathmandu. Die Golfstaaten gehören zu den gefährlichsten Zielländern.

Hunderte Särge landen jedes Jahr am Flughafen in Kathmandu. Menschen, die noch bei ihrer Abreise einen medizinischen Check bestanden hatten, sterben unter ungeklärten Umständen. Zumeist erhalten die Angehörigen ein Zertifikat, auf dem Todesursachen stehen wie "Straßenunfall", "Herzinfarkt" oder "natürliche Gründe". Die Rückführung der Särge und eventuelle Entschädigungen an die Verbliebenen werden aus einem Fonds bezahlt, in den die Arbeiter bei ihrer Abreise rund 15 Euro einzahlen müssen.

Als Haris Kollege damals durch einen Stromschlag getötet wurde, haben die Arbeiter gestreikt. Erst als der Manager versprochen hatte, den Hinterbliebenen fast 50.000 Euro zu zahlen, nahmen sie wieder ihre Arbeit auf. Später erfuhr er, dass dem Sarg gerade einmal 1.200 Euro beigelegt waren – so viel, wie die Firma dem Verstorbenen schuldete.

Die Fifa und andere Fußballverbände weisen bei Kritik auf bereits initiierte Reformen in Katar hin. NGO-Vertreter in Kathmandu sind sich einig, dass sich in der Tat einiges zum Besseren entwickelt hat – auch wegen der Aufmerksamkeit durch die WM. (Anna Sawerthal aus Kathmandu, 21.12.2021)