Alle Jahre wieder.

Foto: APA

Viel Richtiges ist über die pazifizierende Wirkung des Weihnachtsfestes gesagt worden. Bereits etliche Wochen vor Erscheinen des Christkindes liegen einander Wildfremde freudestrahlend in den Armen. Oder sie schlürfen in Rufweite voneinander stark gesüßten, herrlich überwürzten, sündhaft teuren Punch.

Ich, ein in katholischer Gottesfurcht erzogener Babyboomer, verspürte früh im Jahr ein Glitzern in den Augen. Schon im Spätsommer sammelten die Herz-Jesu-Schwestern in meinem Klosterkindergarten Käseschachteln und Holzwolle, um dem lieben Christkind die Krippe möglichst behaglich einrichten zu können. Ochsen und Esel, meinten die frommen Frauen, wären in unseren Reihen bereits in genügender Anzahl vorhanden. Daher blieben sie von der Herstellung ausgenommen.

Glimpflicher Verlauf

Im Stall zu Bethlehem fand auch das verblichene Gras der Osternester seine Berücksichtigung als Wärmespender. Der katholische Kalender ist nicht erst seit den Reformjahren der Kreisky-Ära auf die Wiederkehr des Gleichen ausgerichtet. Uns nässende, schreiende Geschöpfe, die wir vor 50 Jahren von Christi Bodenpersonal noch eingesperrt, gemaßregelt und handgreiflich gezüchtigt wurden, lehrte er spielerisch das Prinzip der Nachhaltigkeit.

Der Heilige Abend selbst pflegte glimpflich zu verlaufen: Ich erhielt vom Christkind prächtiges Kriegsspielzeug aus den Plastikbeständen der britischen Modellbaufirma "Airfix". Der Hund der Familie, ein snobistischer Pudel, wurde zu seiner großen Genugtuung mit einer Quietschpuppe abgefertigt. Spätabends – der Luftschlitten des Christkindes war mit glitzernden Kufen längst hinter Kahlenberg und Leopoldsberg verschwunden – verdaute die gesamte Familie den fetten, panierten Karpfen. Am Christtag endlich, in aller Herrgottsfrühe, kroch meine Mutter mit Packen von Zeitungspapier unterm Arm unter das Ehebett.

Alle Jahre wieder hatte der Hund Fragmente der Quietschpuppe geräuschlos in den hintersten Winkel erbrochen. Weihnachten ist nämlich immer schon das Fest der Rituale gewesen. (Ronald Pohl, 21.12.2021)