Valerie Huber spielt in der Netflix-Serie "Kitz" eine Influencerin, die jede Saison in Kitzbühel mit ihren Freunden Party macht.

Foto: Netflix/Walter Wehner

Wien – Eine dekadente Münchner Clique rund um Vanessa (Valerie Huber) fällt jede Saison im Nobelskiort Kitzbühel ein, um exzessiv zu feiern – auch auf Kosten der Einheimischen. Inmitten einer Influencer-Welt voller Glamour, Geld und Hedonismus möchte die 19-jährige Kitzbühelerin Lisi (Sofie Eifertinger) den tragischen Tod ihres Bruders aufklären, indem sie sich in Vanessas Clique integriert. Die Rachegelüste sind stark ausgeprägt. Um Sein und Schein geht es also in der deutschen Produktion "Kitz", die ab Donnerstag, 30. Dezember, auf Netflix zu sehen ist. An vorderster Front dabei ist die österreichische Schauspielerin Valerie Huber, die erst kürzlich beim Klammer-Film im Kino zu sehen war.

STANDARD: Welche Beziehung haben Sie zu Kitzbühel, wo die Serie spielt? Ist das für Sie ein magischer Ort oder mehr eine Abschreckung?

Huber: Ich muss zugeben, ich war vor dem Dreh noch nie in Kitzbühel. Der Ort ist ein Traum und bietet natürlich eine wunderschöne Kulisse für eine Serie wie KITZ. Aber die Diskrepanz zwischen den reichen Münchnern und Wienern und den Einheimischen ist schon gewaltig. Es ist sehr problematisch, dass die Haus- und Grundstückspreise für einheimische Normalverdiener unleistbar werden – diese Art von Gentrifizierung sollte klar von der Politik geregelt werden.

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STANDARD: Sie spielen in der Serie eine Influencerin. Wie wichtig ist das für Sie persönlich? Sie sind ja auch auf Instagram präsent und nutzen die Plattform für die Selbstvermarktung.

Huber: Meine Rolle "Vanessa" ist angewiesen auf Likes auf Social Media. Ich persönlich erachte die Entwicklung von Instagram und Co. in den letzten Jahren als höchst problematisch; der Druck, der ständige Vergleich, die Oberflächlichkeit, die Verherrlichung eines völlig unrealistischen Schönheitsideals. Ich selbst nutze Social Media um über aktuelle Projekte zu informieren und auch sozialkritische und politische Themen anzusprechen – was bei vielen jungen auf sehr positive Resonanz stößt und darüber freu ich mich dann besonders, wenn das Interesse für solche Themen besteht.

Valerie Huber in "Kitz".
Foto: Netflix/Walter Wehner

STANDARD: Die Schattenseiten sind nicht zu übersehen?

Huber: Ich finde es tragisch und gefährlich, dass sich junge Mädels mit diesen perfekt geschminkten, oft operierten Frauen vergleichen und sich in Folge dessen vielleicht selbst unters Messer legen. Ich bin selbst zum Teil abhängig von Social Media, versuche aber weniger in dieser Scheinwelt, sondern wieder mehr in der realen Welt zu leben, sonst zieht das Leben ja an einem vorbei.

STANDARD: Und diese Scheinwelt wollen Sie trotzdem nicht verlassen?

Huber: Ich überlege ständig, ob ich Instagram lösche. Es ist letztendlich aber doch ein Weg, Leute zu erreichen und Botschaften zu teilen, was mir sehr wichtig ist. Aber ja, vielleicht lösche ich es irgendwann. Ich bewundere die Leute, die kein Instagram haben.

STANDARD: Sie äußern sich politisch sehr explizit, kürzlich sind sie mit einem TV-Shirt mit der Aufschrift "Schwarz ist korrupt" aufgetreten. Worum geht es Ihnen?

Huber: Mir geht es um den Rechtsruck in Österreich und es ist offensichtlich, dass die ÖVP durch die Kurz-Linie keine Partei der Mitte mehr ist. Es ist mir wichtig, für eine weltoffene Politik einzustehen und mich gegen soziale Ungerechtigkeit und Ungleichheit auszusprechen. Die Flüchtlingspolitik, die vielen Korruptionsvorwürfe, der systematische Abbau des Sozialstaats hat mich die letzten Jahre nicht unbedingt stolz gemacht aus Österreich zu kommen.

Es ist unbegreiflich, wir haben den dritten Bundeskanzler innerhalb von einem Monat, aktuell den Mann, der im Sommer für die Abschiebung minderjähriger Kinder verantwortlich war; im Ausland sind wir durch diese Art von Politik eine Lachnummer.

STANDARD: Sie sind in Uganda und der Elfenbeinküste ausgewachsen. Wie hat Sie das in Ihrer politischen Einstellung geprägt?

Huber: Mein Papa war in der Entwicklungszusammenarbeit tätig und ich habe sehr früh mitbekommen, wie schlecht es dem Großteil der Welt geht und wie privilegiert wir in Europa sind. Ich finde, es wäre die Aufgabe dieser privilegierten Länder dieser Ungerechtigkeit und Armut, die offensichtlich auf jahrzehntelanger Ausbeutung basiert aktiv entgegenzusteuern. Wenn ein Bundeskanzler predigt, keine Flüchtlinge aufnehmen zu können, weil es besser sei vor Ort aktiv Hilfe zu leisten, das aber schlichtweg nicht passiert, ist das eine Schande. Das Budget für "Entwicklungshilfe" ist in Österreich im Vergleich zu anderen Ländern erschreckend gering. Der Westen müsste Verantwortung übernehmen und diesen Kontinent nicht mit unserem unstillbaren Kapitalismus weiter ausbeuten.

STANDARD: Nachdem Sie auch in Deutschland leben: Werden Sie oft auf die österreichische Politik angesprochen?

Huber: Ja, wie oft ich gehört habe: Wow, was ist denn bei euch in Österreich gerade los? Und dann kam im Frühling das Böhmermann-Video zu Kurz raus. Wir Österreicher wussten ja, dass das so ist, aber die Deutschen haben gesagt: Das ist ja krass, was bei euch abgeht. Und ich habe mir gedacht: Hä? Das habt ihr nicht mitbekommen? Es ist schlimm, wie abgebrüht wir als Österreicher schon sind. Für uns ist das normal, während die Deutschen alle total schockiert waren. Wie schon erwähnt; die politische Landschaft ist nicht förderlich für unser Image.

STANDARD: Österreich musste im Dezember wieder früher in den Lockdown als Deutschland. Sie kennen beide Länder und die Corona-Maßnahmen gut. Was läuft schief?

Huber: Meine Eltern sind ja Oberösterreicher und da war es besonders schlimm. Ich habe keine Ahnung, warum sich Leute nicht impfen lassen wollen. Die Hälfte meiner Familie ist ungeimpft und ich sehe, wie das die Familie spaltet und wie schwierig etwa Feiern wie Weihnachten sind. Ich habe meine dritte Impfung bekommen und bin total froh darüber.

STANDARD: Befürworten Sie dann auch eine Impflicht, die ab Februar kommen soll?

Huber: Ja, ich finde das richtig. Jene, die sich so dagegen wehren, sehen es als Freiheitsbeschneidung, aber, ich finde, wir sollten der Wissenschaft vertrauen. Wir sind keine Experten und die Zahlen sprechen für sich.

STANDARD: Was ist der größte Unterschied zwischen deutschen und österreichischen Produktionen?

Huber: Ich war in den letzten Jahren praktisch ausschließlich in Deutschland unterwegs und erst durch den Klammer-Film wieder in Österreich aktiv. Die Deutschen haben größere Produktionen, da gibt es mehr Spielraum und es ist internationaler. Der österreichische Film traut sich mehr und die Deutschen sagen, dass er besser sei, was ich interessant finde, weil wir mit unserem schmutzigen Galgenhumor viel mehr anecken. Ich mag beides.

STANDARD: Sie haben in Rosamunde Pilcher-Filmen mitgespielt, im "Traumschiff", anderen Serien, jetzt in "Kitz" In welchem Genre fühlen Sie sich am wohlsten?

Huber: Ich spiele alles gerne – die Mischung macht’s aus. Obwohl man gewisse Formate anfangs natürlich macht, um Erfahrungen zu sammeln und zu lernen. Ich steckte noch nie so tief in meiner Rolle, wie bei "Kitz", wobei "Vanessa" wirklich das Gegenteil von dem verkörpert, wie ich selbst sein möchte. Das liegt aber auch an dem langen Drehzeitraum von vier Monaten.

In Zukunft würde ich gerne Rollen spielen, die eine tiefgründige Aussage haben, oder zum Beispiel etwas Historisches oder auch ein Action-Projekt. Wie man sieht, gibt es viele Interessen (lacht).

STANDARD: Sie haben in einem Interview gesagt, dass Sie so eine Rolle wie jene von Uma Thurman in "Kill Bill" reizen würde.

Huber: Weil ich selbst lange Kampfsport gemacht habe, würde mich so etwas schon sehr reizen. Besonders wenn eine starke Frauenfigur im Zentrum der Geschichte steht, die gegen die dominierende Männerwelt ankämpft (lacht).

STANDARD: Sie haben ja als Kind auch bei Tom Turbo mitgespielt, was sich als Sprungbrett erwiesen hat. Wie sind Sie zu dieser Rolle gekommen?

Huber: Das war ein totaler Zufall. In unserem Hort hing die Bewerbung aus und meine Mutter hat gesagt: Das ist deine Lieblingsserie, bewirb dich doch! Dann hat das tatsächlich geklappt und ich war zwei Jahre bei Tom Turbo dabei – es war der größte Spaß. Ich habe damals gewusst: das will ich mal machen. Von der Schule habe ich sechs Wochen freibekommen und bin durch Österreich gefahren zum Drehen. Für mich war das das Nonplusultra. Ich hab damals scheinbar Blut geleckt und seit damals war dieser Traum da. Danke Thomas Brezina! (lacht). (Oliver Mark, 30.12.2021)