Experten empfehlen Landwirten, Dünger rasch zu bestellen. Im Frühjahr könnten die benötigten Mengen sonst nicht mehr verfügbar sein.

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Der Neuschnee, die noch vor wenigen Wochen die Felder von Vollerwerbsbauer Gerhard Rieß bedeckt hat, ist fast geschmolzen; die 80 Hektar Acker in Mattighofen im Innviertel wieder aper. Bis März darf der Boden ruhen, dann muss der Landwirt, der neben Ackerbau auch 180 Maststiere und 300 Legehennen hält, das erste Mal düngen. Es ist jedes Jahr derselbe Prozess, trotzdem blickt Rieß dem kommenden Frühling sorgenvoll entgegen.

Denn während Bauern dieser Tage ihren Düngevorrat für die nächste Saison aufstocken sollten, halten sie sich tunlichst zurück. Der Grund: Der Preis für den in Europa sehr gängigen Stickstoffdünger habe sich im Vergleich zum Vorjahr um 300 Prozent verteuert, berichtet eine Sprecherin von Lagerhaus. Dies sei vor allem auf die rasant gestiegenen Erdgaspreise und die weltweit starke Nachfrage zurückzuführen. Auch der Biodünger wird teurer. Michael Jammernegg von der Firma Agro Power mit Sitz in der Südsteiermark verzeichnet eine Preissteigerung von 20 Prozent. Er rechnet zudem mit einem leichten Lieferengpass im Frühjahr.

Diese Entwicklungen bringen die Landwirte zunehmend unter Druck, ist Bauernbund-Präsident Georg Strasser überzeugt. In der Vergangenheit habe ein Kilogramm Stickstoff durchschnittlich einen Euro gekostet, gegenwärtig seien es rund 2,50 Euro. Neben den Erdgaspreisen sieht er auch die teilweise gedrosselte Düngerproduktion vieler Hersteller sowie die hohe Inflation als Grund für die saftigen Preise.

Drängen auf Dünger

Landwirt Gerhard Rieß hat indes in den überteuerten Apfel gebissen und seinen Vorrat zumindest teilweise aufgestockt, um "eine gewisse Absicherung zu schaffen". Er hat noch Reserven aus dem Vorjahr und hofft, dass sich der Markt bis zum zweiten Düngen beruhigt: "Teuer einkaufen kann ich auch im Mai."

Zuwarten und auf tiefere Preise hoffen – das ist für Ferdinand Lembacher trotz der hohen Kosten der falsche Weg. Der Generalsekretär der Landwirtschaftskammer geht davon aus, dass das Preisniveau bei Kunstdünger hoch bleiben werde.

Obwohl ihm zufolge Österreichs Produzenten im Gegensatz zu vielen ausländischen Mitbewerbern die Düngerproduktion bisher nicht gedrosselt haben, befürchtet er im Frühjahr auch hierzulande eine Verknappung. "Bauern sollten Dünger schon jetzt vorbestellen, um die Versorgung abzusichern", empfiehlt Lembacher.

Denn es gebe zunehmende Begehrlichkeiten aus Osteuropa und vom Balkan, wo man auch bereit sei, die hohen Preise zu zahlen. Warum diese derzeit so hoch sind? Weltweit haben Hersteller wegen der exorbitant hohen Kosten für Erdgas ihre Produktion massiv gedrosselt, da eine rentable Erzeugung nicht möglich sei. Die Folgen bringt Lembacher auf den Punkt: "Es gibt derzeit die höchsten Preise, die Bauern je zu zahlen hatten."

Turbulenter Weltmarkt

Der Trend zu sinkenden Mengen bei stark steigenden Preisen hat am Weltmarkt schon für Turbulenzen gesorgt. Russland hatte die Entwicklung im November weiter angefacht, indem die Exporte nun strenger reguliert werden. Besonders bei der Ausfuhr von sämtlichen Stickstoffdüngemitteln steht das Land seither auf der Bremse. Schon zuvor hatte China deutlich strengere Exportkontrollen wegen der auch dort hohen Preise für Düngemittelprodukte eingeführt.

In den USA schalteten Farmerverbände Anfang Dezember wegen der Düngerkrise die Justiz ein. Sie forderten die Kartellverwaltung des Justizministeriums auf, den Düngemittelsektor wegen des Verdachts wettbewerbswidriger Praktiken zu untersuchen. Den Farmern zufolge gibt es in den USA eine zu hohe Konzentration unter Erzeugern und zu wenig Wettbewerb.

Denn die beiden weltgrößten Produzenten, die kanadische Nutrien und der US-Anbieter Mosaic, vertreiben in Nordamerika Kalisalz über eine gemeinsame Vertriebsgesellschaft. Zusammen mit der russischen Uralkali und der Belaruskali bilden sie de facto ein Oligopol auf diesem Markt.

Teurere Produkte

Eine leichte Entwarnung kam zuletzt von der norwegischen Yara, der weltweiten Nummer sieben der Düngererzeuger. Nachdem sie im Herbst etwa 40 Prozent der Kapazitäten in Europa heruntergefahren hatte, soll jetzt die Produktion teilweise wieder erhöht werden, da die erzielbaren Preise für eine wirtschaftliche Produktion nun wieder hoch genug seien. Dabei drückte Konzernchef Svein Tore Holsether seine Sorge über die Folgen der Entwicklung aus: "Das bedeutet zunächst teurere Produkte für Bauern und in weiterer Folge teures Essen für Konsumenten."

Zurück nach Österreich, wo Lembacher von der Landwirtschaftskammer Entwarnung für die Versorgung gibt. "Für Österreichs Brot und Gebäck werden wir genug ernten", betont er, denn: "Die Versorgungssicherheit hängt stärker vom Wetter ab als vom Düngermarkt." Dennoch könnte es zu Einbußen kommen – bitter für Landwirte, die derzeit auch bei anderen Betriebsmitteln wie Energie, Pflanzenschutz, Tierfutter oder auch Netzen und Drähten deutlich höhere Kosten zu schultern hätten.

Schwieriges Jahr

"Der Boden und die Lebewesen sind keine Maschinen, die man einfach abschalten kann", sagt Rieß. Da die Produktpreise momentan nicht konsistent mit den Kosten steigen, kämen Landwirte zunehmend in die Bredouille, kritisiert der Landwirt aus Mattighofen. Derzeit seien die Preise für Weizen und Mais hoch. Sollte der Weltmarkt im Herbst jedoch drehen und die Produktpreise fallen – was teilweise schon abzusehen sei –, werde 2022 ein schwieriges Jahr im Ackerbau. (Julia Beirer, Alexander Hahn, 22.12.2021)