L. erhielt eine lebenslange Haft. Er erschoss im April seine Ex-Partnerin. Am Mittwoch bekannte er sich zwar zur Tat – erklärte aber weiterhin, ich nicht an alles erinnern zu können.

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Die Verhandlung am Wiener Straflandesgericht hatte am Mittwochvormittag gerade erst begonnen, als sich der Angeklagte L. alias Bierwirt von sich aus zu Wort meldete. "Ich will etwas sagen", sprach der 43-Jährige, der am Montag zwar erklärt hatte, es tue ihm leid, was mit seiner langjährigen Partnerin passiert sei, er könne sich aber an nichts erinnern. L. trat zur Mitte und las von einem Zettel ab: "Ich gestehe alles. Ich übernehme die Verantwortung für den Tod meiner Frau. Ich will selbst nicht wahrhaben, dass ich so eine miese Tat begangen habe." Der Filmriss durch den Alkohol sei eine Schutzbehauptung, der Gutachter habe recht.

Der Richter hakte kurz vor der Mittagszeit allerdings nach. Wie das Geständnis des Bierwirts nun zu verstehen sei, also ob er in vollem Bewusstsein gehandelt habe? L. betonte, die Tat begangen zu haben, schränkte allerdings neuerlich ein, sich nicht an alles erinnern zu können. Er müsse den "Verdrängungsmechanismus" mit einem Psychiater aufarbeiten.

Kurz vor dem Urteil zeigte sich der Richter noch verwundert darüber, dass der Bierwirt zwar acht Vorstrafen ausfasste, aber nie im Gefängnis war. Am Ende wurde der Ex-Besitzer eines Craft-Beer-Shops des Mordes schuldiggesprochen. Er bekam eine lebenslange Haftstrafe und wird außerdem in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen. Nach längerer Beratungszeit wurde der Bierwirt von den Geschworenen einstimmig schuldiggesprochen. "Ich nehme das Urteil an, ich will büßen", sagte der 43-Jährige. Damit war das Urteil rechtskräftig.

"Toxische Beziehung"

Ende April hat L. seine langjährige Lebensgefährtin Marija M., die sich wenige Tage zuvor von ihm getrennt hatte, mit zwei Schüssen in ihrer Wohnung in einem Gemeindebau im 20. Bezirk getötet. Familienangehörige berichteten über jahrelange Streitereien des Paares, L. sei gegenüber seiner Freundin – die beiden haben zwei gemeinsame Kinder – auch gewalttätig gewesen. Die Schwester von L., die gleichzeitig die beste Freundin von M. war und über die sich das Paar erst kennenlernte, beschrieb die Beziehung als "toxisch".

In seinem Schlussplädoyer bezeichnete Verteidiger Rudolf Mayer L. als Opfer seiner eigenen Vergangenheit. "Schuld können Sie nur bemessen, wenn Sie die Persönlichkeit einbeziehen", sagte er in Richtung der Geschworenen. Und diese Persönlichkeit sei geprägt von einem Alkoholiker als Vater, Gewalt in der eigenen Familie und später im Heim.

Als sich Marija M. von ihm trennte, habe L. das einfach nicht verkraften können. Er gehöre zu den "Menschen, die einfach nicht verlassen werden können, weil sie immer schon verlassen worden sind", so Mayer zu den Beweggründen für den Mord. Mit einer langen Strafe, für die Privatbeteiligtenvertreterin Astrid Wagner plädiert hatte, könne man keine einzige Beziehungstat verhindern, meinte der Verteidiger. L. würde sich nach einer lebenslangen Strafe nur "fallenlassen". Mayer: "Nur wenn Sie Hoffnung geben, wird er Einsicht zeigen." Lebenslang sei außerdem reserviert für Morde aus niederen Motiven heraus, "nicht für Beziehungstäter". Die Mutter des Opfers verließ während dieses Plädoyers den Gerichtssaal.

Geständnis schließt auch Schuss in Richtung des Vaters ein

In einem von der Staatsanwaltschaft in Auftrag gegebenen Gutachten wurde eine "volle Berauschung", von der der Beschuldigte zunächst immer sprach, bereits ausgeschlossen. L. habe demnach genau gewusst, was er tat. Am zweiten Prozesstag bestätigte das nun auch der Bierwirt, den die Öffentlichkeit aus einem mehrjährigen Prozess gegen die grüne Politikerin Sigrid Maurer kennt.

Das Urteil vom Mittwoch schließt auch eine schwere Nötigung gegen den Vater der Getöteten ein. Der Bierwirt hat damals – nur eine Woche vor dem mutmaßlichen Mord an seiner Partnerin – in der Wohnung auf den Mann gezielt, eine Kugel landete im Türstock. M. trennte sich daraufhin von L. Das gestand der Bierwirt am Mittwoch vollumfänglich. Am Montag hatte er dies noch in Abrede gestellt.

Angehörige mit Fotos

Viele Familienangehörige der getöteten Marija M. waren während des gesamten Prozesses anwesend: die Eltern und Brüder, aber auch die Schwester von L. Ihre Zeugenbefragung am Montag war besonders emotional. "Das war eine toxische Beziehung", sagte sie unter Tränen. "Ich kann einfach nicht verstehen, warum er das getan hat."

Am zweiten Prozesstag hielten die Angehörigen von M. Fotos ihrer Tochter, Schwester und Freundin in den Händen, allerdings nicht lange. Dem Richter zufolge sei der Gerichtssaal nicht der richtige Ort für so etwas.

Befragungen der Kinder via Video

Auch Kinder bzw. Jugendliche wurden Zeugen der Tat, die 13-jährige Tochter von M. und L. hatte ihren Vater in die Wohnung gelassen, drinnen saß ihr dreijähriger Bruder in der Badewanne, in der Küche bei M. saßen der Nachbar und seine damals 14-jährige Tochter. Die beiden wurden zu Augen- bzw. Ohrenzeugen der Tat. Die Befragung der Kinder wurde via Video gezeigt. Richter Ulrich Nachtlberger entschied sich nicht dazu, die Öffentlichkeit auszuschließen.

Dabei war während des zweitägigen Prozesses die Beteiligung der Öffentlichkeit bzw. der Medienvertreter wiederholt Thema. Nachtlberger untersagte Liveberichterstattung aus dem Gerichtssaal, am Mittwoch drohte er bei Nichtbeachtung sogar eine Ordnungsstrafe an. (Lara Hagen, Jan Michael Marchart, 22.12.2021)