Der österreichische Autor schrieb vor zehn Jahren den Bestseller "Blackout".

Foto: Clemens Lechner

Moritz Bleibtreu tappt in der Serie "Blackout" von Joyn im Dunkeln – in Deutschland abrufbar auf Joyn, in Österreich zu sehen im Frühjahr 2022 auf Sat.1.

Foto: Joyn, Christoph Köstlin

Radio mit Batterien, Taschenlampen, Kerzen, Zünder, Feuerlöscher, Wasservorräte, Tee, Kaffee, haltbare Lebensmittel, wichtige Medikamente, Hygieneartikel, Gaskocher, Griller, Bargeld in kleinen Scheinen und Münzen, Schlafsäcke, Decken, warme Kleidung, Spiele, Blöcke, Kugelschreiber: Das alles und ein Dutzend Dinge mehr sollte man zu Hause haben, um gewappnet zu sein, wenn der große Stromausfall kommt. Dass er kommt, darüber sind sich viele einig.

Einige wenige, der Neigungsgruppe Weltverschwörung angehörend, glauben sogar zu wissen, dass bereits zu Weihnachten das Licht großflächig ausgeht. Was darauf folgt, hat der österreichische Bestsellerautor Marc Elsberg in seinem Roman "Blackout" durchgespielt. Das Buch ist zehn Jahre alt, ProSiebenSat.1 hat daraus eine Serie gemacht, die in Deutschland auf der Streamingplattform Joyn abrufbar ist und in Österreich im Frühjahr auf Sat.1 starten wird.

STANDARD: In Verschwörungstheoretikerkreisen kursiert, dass es zu Weihnachten so weit sei: ein totaler Blackout, großflächig. Ist da was dran?

Elsberg: Und gleichzeitig sterben alle Geimpften, oder wie?

STANDARD: Davon wurde nichts gesagt, aber womöglich gehen diese Kreise auch davon aus.

Elsberg: Ich habe das vereinzelt tatsächlich auch schon gehört. Keine Ahnung, warum das ausgerechnet zu Weihnachten sein soll.

Trailer zur Serie "Blackout" von Joyn.
Joyn Deutschland

STANDARD: Die Menschen sind daheim, drehen die Heizung auf und streamen, was das Zeug hält.

Elsberg: Das wird nicht reichen, und außerdem sind das Dinge, von denen Netzbetreiber und Energieunternehmer wissen. Sie wissen, dass die Weihnachtsferien kommen und mehr gestreamt wird. Das sind völlig normale Fluktuationen im Netz, die bekannt sind und vorhersehbar. Deshalb muss man davor überhaupt keine Sorge haben.

STANDARD: Sie haben das Buch vor zehn Jahren geschrieben. Wie hoch schätzen Sie die Wahrscheinlichkeit ein, dass es in den nächsten 24 Monaten zu einem Blackout kommt?

Elsberg: Wahrscheinlichkeiten kann man nur einschätzen, wenn man Datensätze aus der Vergangenheit hat. Haben wir aber nicht, weil so etwas in dem Ausmaß noch nie da war. Man kann gewisse Risikofaktoren beurteilen, aber auch das sind letztendlich nur subjektive Beurteilungskriterien. Die Risiken sind insgesamt sicher nicht geringer geworden als vor zehn Jahren, eher im Gegenteil. Klar und bekannt ist, dass die Netze in den letzten Jahren immer mehr Ausgleichsmechanismen schalten mussten, um die Stabilität zu erhalten. Dass die Preise für Energie immer volatiler wurden im Stromhandel, was zum Teil zu Problemen führen kann. Dass das problematische Management der deutschen Energiewende zu Herausforderungen führt, weil man immer mehr erneuerbare Energie in Netze speist, die dafür nicht ausreichen, weil man den notwendigen Netzausbau parallel nicht genug vorangetrieben hat. Aber wir haben in diesem Jahr bereits bei zwei Zwischenfällen gesehen, dass die Verantwortlichen kritische Situationen schnell in den Griff bekommen. Das heißt nicht, dass ihnen das jedes Mal gelingt, aber das heißt auch nicht, dass es zu einem kompletten Zusammenbruch der Systeme kommen muss.

STANDARD: Für wie realistisch schätzen Sie die Gefahr eines Terroranschlags ein?

Elsberg: Beim ganz großen Cyberangriff, wie ich das im Buch beschreibe, stellt sich doch die Frage: Wer will so etwas überhaupt machen? Das sind eher dramaturgische Ideen eines Thrillerautors. Ich habe mir für das Buch lange überlegt, durch wen der Angriff passieren soll. Ist es ein Staat oder die Vorfeldorganisation eines Staates, oder sollen es Kriminelle sein? Ich habe mich vor allem aus dramaturgischen Gründen für Terroristen entschieden. Ich will damit nicht sagen, dass gar nichts passieren kann. Nicht auszuschließen ist eine Cyberattacke in kleinem Ausmaß, die sich durch die Vernetzung zu etwas ganz Großem auswächst. Dafür gibt es genügend Beispiele, Merck, Symrise.

STANDARD: Sehen Sie die Systeme heute besser gewappnet – anders gesagt: Hat Ihr Buch etwas bewirkt?

Elsberg: Ich höre immer wieder, dass mein Buch ein Bewusstsein geschaffen hat, welche Bedeutung die vernetzten Systeme haben und welche Konsequenzen ein Blackout hätte. Die Grundidee war zu zeigen, funktioniert unsere vernetzte Welt oder nicht mehr? Ich habe mir bei meinen Recherchen nicht nur das Stromnetz, sondern mehrere andere Netze angesehen. Zum Beispiel das Finanzsystem: Wenn ich es schaffe, die internationalen Finanzsysteme lang genug zu blockieren, habe ich irgendwann dieselben Effekte wie bei einem Blackout. Dasselbe gilt für Logistik, wie wir gesehen haben. Es braucht sich nur ein Transportschiff im Suezkanal querstellen, und nach relativ kurzer Zeit werden Versorgungsketten schwach. Mit Strom geht es am schnellsten und am brutalsten. Letztendlich spielt es fast keine Rolle, ob die Stromnetze allein sicherer geworden sind. Unsere Gesellschaft insgesamt ist nicht sicherer geworden, und die Strukturen ebenfalls nicht.

STANDARD: Die österreichische Bevölkerung wurde vorbereitet. Es gab eine Kampagne des Bundesheers. Wie sinnvoll finden Sie solche Kampagnen?

Elsberg: Grundsätzlich finde ich solche Kampagnen sinnvoll, weil sie ein Bewusstsein schaffen. Die Frage ist natürlich, welche Taten folgen. Ich frage Sie: Haben Sie die behördlichen Empfehlungen zu Hause für ein Blackout von sieben bis zehn Tagen?

STANDARD: Nein. Ich scheitere schon daran, ein batteriebetriebenes Radiogerät aufzutreiben.

Elsberg: Eben, es wird ein Bewusstsein geschaffen, aber echte Konsequenzen haben solche Kampagnen selten. Grundsätzlich wäre es schon sinnvoll, einen gewissen Vorrat anzulegen. Wir haben das am Beginn der Pandemie gesehen: Wenn ich das notwendige Zeug zu Hause habe, muss ich nicht losrennen und Nudeln oder Klopapier kaufen. Obwohl die Supermärkte eh offen haben – im Gegensatz zum Blackout, wo sie geschlossen wären. Eine Kampagne über ein paar Wochen wird wahrscheinlich nicht reichen.

STANDARD: Hilfe für die Bevölkerung – wurde vorgesorgt? Wo gibt es in Österreich die unterirdischen Lagerhallen mit Notstromaggregaten, Lebensmitteln, Medikamenten und wärmender Bekleidung?

Elsberg: Treibstoffvorräte etwa gibt es. Die Frage ist aber, ob man in einer großen Krise darauf zugreifen kann. In Deutschland sind solche Vorräte zentral gelagert. Das heißt, im Ernstfall müssen die erst einmal über das ganze Land verteilt werden. In Österreich ist man das jetzt angegangen, weil man bemerkt hat, nicht einmal das Militär wäre in der Lage zu helfen, weil die Kasernen nicht autark sind. Daran wird gearbeitet. Genauso sinnvoll wäre, wenn jeder für sich ein Mindestmaß an Vorsorge trifft.

STANDARD: Stimmt Sie das Krisenmanagement der Regierung in der Pandemie bedenklich im Hinblick auf einen Blackout?

Elsberg: Man muss schon sagen: Beim Krisenmanagement in der Pandemie hat sich auch international kaum jemand mit Ruhm bekleckert, und es ist nicht an mir, das Krisenmanagement unserer Regierung zu beurteilen, geschweige denn gute Ratschläge zu geben. Es zeigt aber schon, dass wir sehr offensichtlich in unserer Gesellschaft nicht ausreichend vorbereitet sind auf solche Krisen. Das hat mehrere Gründe. Erstens: Wir hatten seit Jahrzehnten keine Krise in dieser Größenordnung. Das Bedrohungsszenario für westliche Gesellschaften war spätestens mit dem Fall des Eisernen Vorhangs weg. Terroranschläge, so schlimm sie sein mögen, sind punktuell. Zweitens: Wir haben anscheinend Schwierigkeiten, in einer Demokratie schnell und entschieden zu handeln, obwohl das nicht so sein müsste.

STANDARD: Im Buch macht vor allem die Politik vieles schwieriger.

Elsberg: Ich beneide keine Politikerin, keinen Politiker in dieser Situation. Aber es gibt ein paar Dinge, die man aus Krisensituationen schon weiß – und da rede ich nicht von Pandemien, sondern das weiß jeder Finanzmanager, wenn es um die Frage geht: Wie stehen die Aktien morgen? Wie entscheide ich unter Unsicherheit? Unter Unsicherheit wähle ich nicht das volle Risiko, sondern bleibe eher vorsichtig als riskant. Für die Pandemie heißt das: Man macht nicht alle Geschäfte auf, nur weil die Nachbarn alles aufmachen. Das politische Versagen liegt teils auch im System, dass in internationalen Krisenfällen der Staat nicht die oberste Entscheidungsinstanz ist, sondern das Land. In einer Pandemie kann ich die Entscheidungen nicht den Bundesländern überlassen, da gehört ein nationaler Krisenstab her. Es ist grotesk, was hier passiert.

STANDARD: Was raten Sie?

Elsberg: Was zu einem gewissen Grad hilft, sind Vorbereitungsübungen auf Regierungsebene. Wird auch immer wieder einmal gemacht. Allerdings ist zu befürchten, dass, wenn man das jetzt macht, in einem Jahr die halbe Regierung schon wieder gar nicht mehr da ist, bei dem momentanen Tempo.

STANDARD: Im Buch kämpft bald jeder gegen jeden. Zu sehen ist aber auch das Verhalten der Bevölkerung, die Solidarität verlernt zu haben scheint. Was lässt das für einen Blackout vermuten?

Elsberg: Extremsituationen bringen den wahren Charakter eines Menschen hervor. Der kann bei ein- und derselben Person so oder so ausschlagen. Ich habe bei den Recherchen zu meinem Buch auf wenig Material aus hochentwickelten Gesellschaften zurückgreifen können. Als Blaupause einer Katastrophe kam für mich am ehesten New Orleans nach dem Hurrikan Katrina am nächsten. Das war zwar ein überschaubares Gebiet, aber die Menschen dort waren eine Woche lang völlig sich selbst überlassen, weil George Bush in die Region keine Hilfe schickte. Ich habe beobachtet, dass Medien meistens über die grausigen Geschichten berichteten, aber es gab auch große Wellen an Solidarität. Genauso ist es mit der Pandemie. Wir dürfen nicht vergessen, zwei Drittel sind immerhin geimpft.

STANDARD: Zur Serie "Blackout": Ihr Buch hat 800 Seiten – wie sehr schmerzt die Verknappung?

Elsberg: Ich hatte den Vorteil, dass meine Idee vom Schreiben immer eine sehr filmische ist. Ich komme aus dieser optischen Ecke. Dazu war ich zwanzig Jahre in der Werbung und habe gelernt, dass ich in verschiedenen Medien verschieden arbeiten muss. In einer Anzeige für ein Magazin muss ich dieselbe Geschichte ganz anders erzählen, als ich das in einem Dreißigsekünder fürs Fernsehen mache. Ich war also nicht sehr irritiert, als ich die ersten Drehbücher las, zumal ich mit dem Produzenten und den Autoren vorher schon zusammengesessen war. Sie haben den Kern der Geschichte behalten. Das fand ich das Wichtigste. So, wie es jetzt ist, bin ich sehr glücklich.

STANDARD: Der gute Tipp vom Experten: Was ist das Allerwichtigste, das man unbedingt haben sollte, um halbwegs gut durchzukommen?

Elsberg: Tatsächlich würde ich mich an die behördlichen Empfehlungen halten: Wasser und Lebensmittel für eine Woche bis zehn Tage. Lebensmittel, die man zur Not essen kann, auch ohne sie zu kochen, wenn man keinen Campingkocher hat. Taschenlampe, Streichhölzer, Kerzen, warme Sachen zum Anziehen.

STANDARD: Der Tank im Auto – so man eines hat – halbvoll.

Elsberg: Falls man die Stadt verlassen will. Das macht nur Sinn, wenn man weiß, wo man hinfahren will. Weiß man das nicht, bringt es nichts. Und ganz wichtig: Kommunikation. Ein funktionierendes Radio – entweder mit Batterie oder Kurbel.

STANDARD: Was machen Sie im Fall des Falles als Erstes?

Elsberg: Als Erstes geht's mir wie allen anderen, ich denke, jetzt ist bei mir eine Sicherung geflogen. Dann schaue ich aus dem Fenster, und wenn ich sehe, bei anderen Leuten in der Straße brennt Licht, gehe ich als Nächstes zu meinem Sicherungskasten. Wenn ich sehe, da draußen ist wie bei mir alles dunkel, werde ich wahrscheinlich als Nächstes aufs Handy schauen, ob das noch geht. Dann warte ich ein paar Minuten, und wenn es finster bleibt, schaue ich wahrscheinlich als Erstes auf Twitter nach, ob es in Wien einen Stromausfall gab. Und wenn ja, hoffe ich, dass der Blackout schnell wieder vorbei ist. (Doris Priesching, 23.12.2021)

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