Der ägyptische Aktivist Alaa Abdel Fattah im Gericht auf einem Archivbild aus dem Jahr 2015. Nun wurde er erneut verurteilt.

Foto: AFP / Khaled Desouki

Ihren Gastbeitrag für die New York Times vor ein paar Tagen beginnt Laila Soueif mit der Beschreibung einer Szene vor dem Tora-Gefängnis in Kairo. Eine wie sie dort wartende Frau fragt sie, weswegen ihr Sohn denn in Haft sei. "Politik" antwortet die Mathematikprofessorin. Die Frau sieht sie überrascht an – denn Laila Soueif wirkt so gar nicht wie die Mutter eines Islamisten, und das sind die meisten, die wegen "Politik" im Gefängnis sitzen. "Einer aus der Revolutionsjugend", stellt Laila Soueif daraufhin in Bezug auf ihren Sohn klar. Und damit ist alles gesagt.

Alaa Abdel Fattah, der Sohn Laila Soueifs und des 2014 verstorbenen Anwalts und Menschenrechtlers Ahmed Seif al-Islam Hama, verkörpert wie kein anderer das Schicksal des politischen Aktivismus in Ägypten in den zehn Jahren seit dem Arabischen Frühling 2011. Am Montag wurde er – wieder – zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt, eine Berufung ist nicht möglich. Gleichzeitig erhielten sein Anwalt Mohamed al-Baqer und der Blogger Mohamed Ibrahim, bekannt unter dem Namen "Oxygen", Haftstrafen von jeweils vier Jahren.

"Enttäuschung" über das Urteil

Die internationalen Reaktionen fielen hart aus, das US-Außenministerium zeigte sich "enttäuscht". Das deutsche Außenamt hatte bereits vergangene Woche auf Baqer bezogen festgestellt, dass "Anwälte nicht dafür bestraft werden dürfen, ihren Beruf auszuüben". Das Außenministerium in Kairo wies einmal mehr die "unverständliche Einmischung in innere ägyptische Angelegenheiten" zurück.

International hatte man vielleicht damit gerechnet, dass die ägyptischen Behörden eine neue, weniger versöhnlichere Linie weiterverfolgen würden, die man zuletzt von außen zu erkennen hoffte: Ende Oktober hob die Regierung den Ausnahmezustand auf, in den vergangenen Monaten wurden einige Gefangene, die Menschenrechtsorganisationen als "Politische" gelten, auf freien Fuß gesetzt.

Imageschaden für Präsident Sisi

Im März hatten insgesamt 31 Staaten, darunter die USA, Ägypten aufgefordert, Menschenrechte, Meinungsfreiheit und die freie Zivilgesellschaft zu respektieren: Ein Fleck auf dem Ansehen von Präsident Abdel Fattah al-Sisi, der sein Land als stabil und international erfolgreich inszenieren will.

Zu den zuletzt Freigelassenen gehört Patrick Zaki, ein in Bologna studierender junger Wissenschafter, der sich mit Gender-Studies befasst – ein heikles Thema, hinter dem stets der Vorwurf der Diffamierung der ägyptischen Gesellschaft lauert. Zakis vorläufige Enthaftung weckte Hoffnungen im Fall von Ahmed Samir Santawy, der an der Central European University (CEU) in Wien studiert. Er wurde im Februar bei einem Heimataufenthalt verhaftet, nachdem er zu den Inhalten seines Studiums befragt wurde. Für ihn betreibt die österreichische Regierung in Ägypten Lobbying, bisher ohne Erfolg.

Vor dem Sondergerichtshof

Die noch harmloseren Vorwürfe gegen solche Personen sind Verbreitung von falschen Nachrichten und Anstiftung zu Protesten – es kann aber rasch einmal beim "Terrorismus" enden. Die Fälle kommen oft vor einen Sondergerichtshof für Staatssicherheit und Ordnungsdelikte, so auch im Fall Alaa Abdel Fattah. Laut New York Times, die sich auf Laila Soueif bezieht, sei der Richter bei der Urteilsverkündung nicht einmal anwesend gewesen. Der Anwalt habe die Anklage nie zu Gesicht bekommen, das heißt, es gab keine Verteidigung.

Das Engagement des inzwischen 40-jährigen Alaa Abdel Fattah zieht sich durch die vergangenen zehn Jahre, begann aber nicht erst mit den Protesten gegen Hosni Mubarak, für die der Software-Entwickler erst wieder nach Ägypten zurückkehren musste. Bereits 2006 hatte er eine erste Haftstrafe ausgefasst, weil er sich bei Demonstrationen beteiligt hatte. Er kommt aus einer politischen Familie: Auch seine Schwestern Mona und Sanaa Seif sind aktiv. Letztere wurde im März wegen des Missbrauchs sozialer Medien, der Verbreitung von falschen Nachrichten und Beamtenbeleidigung zu eineinhalb Jahren Haft verurteilt.

Zehn Jahre Arabischer Frühling

Alaa Abdel Fattah wurde nach der Revolution zum ersten Mal im Oktober 2011 wegen Protesten gegen das Militär verhaftet, dann wieder im November 2013 – im Sommer wurde Mohammed Morsi gestürzt. Für die Organisation von Protesten wurde Alaa Abdel Fattah 2015 zu fünf Jahren verurteilt und kam im März 2019 mit Auflagen frei, er musste seine Nächte in einer Polizeistation verbringen. Im September 2019 wurde er erneut verhaftet.

Wie Soueif in der New York Times schreibt, wurde ihr Sohn im Gefängnis geschlagen, die Haft ist drakonisch streng, nicht einmal Lektüre ist ihm erlaubt. Seiner Mutter gegenüber soll er Zweifel geäußert haben, dass er das Gefängnis lebend verlassen können werde. Der Blogger Mohamed Ibrahim hat laut seinen Anwälten in der Haft versucht, sich zu töten. (Gudrun Harrer, 23.12.2021)