Auch wenn im Moment der Fokus der öffentlichen Debatte auf die – kurzfristige – Vorbereitung für die kommende Omikron Welle gerichtet ist, ist es dennoch wichtig, die mittel- bis langfristige Perspektive zur Bewältigung dieser Epidemie nicht gänzlich außer Acht zu lassen. Hier wird im Moment alles auf die geplante Impfpflicht gesetzt, um gegen zukünftige Wellen besser vorbereitet zu sein. Zahlreiche Juristen sind jedoch, wenn auch viele hinter vorgehaltener Hand skeptisch, ob die Impfpflicht am Ende des Tages vor dem Verfassungsgerichtshof halten wird. Denn seit Omikron ist eines der Hauptargumente für eine Impfpflicht – der Schutz anderer Mitmenschen vor Ansteckung - im Wesentlichen weggefallen.

Kippt die Impfpflicht?

Das ändert natürlich nichts daran, dass die Impfung weiterhin das effektivste Instrument ist, um sich selbst vor schwerer Erkrankung durch das Coronavirus zu schützen. Und auf diesem Weg wird auch weiterhin das mehr denn je vordergründige Ziel in der Bekämpfung dieser Epidemie erreicht, unser Gesundheitssystem vor Überbelastung bzw. dem gänzlichen Kollaps zu schützen. Und zweifellos hat die Ankündigung einer allgemeinen Impfpflicht der Zahl der Erstimpfungen in Österreich einen zumindest kurzfristigen Schub verliehen (die Frage der Kausalität der Ankündigung sei dabei außen vorgelassen). Dennoch beginnt die Zahl der Erstimpfungen bereits wieder abzunehmen – und das trotz der ins Haus stehenden Omikron Variante.

Im Moment sieht es daher danach aus, als ob die Frage der Impfpflicht zu einem juristischen Showdown vor dem Verfassungsgerichtshof führen wird, und bis dahin auch die verbleibenden rund 15% bis zu einer anstrebenswerten Impfquote von 90% auch nicht mehr erreicht werden können. Zu festgefahren sind die (politischen) Fronten in der Debatte, zu tief sitzen die persönlichen Überzeugungen jenes Bevölkerungsteils, der sich bis heute einer Impfung verwehrt, um hier noch auf eine Trendumkehr hoffen zu dürfen.

Welche sinnvollen Alternativen gibt es zur gesetzlichen Impfpflicht?

Ausgehend von der Prämisse, dass uns diese Epidemie noch lange Zeit begleiten wird, macht es daher Sinn, über Maßnahmen abseits einer gesetzlichen Impfpflicht nachzudenken, welche uns möglichst schnell und vor allem auch nachhaltig zu einer relativen Normalität zurückfinden lassen. Wir sollten daher neben dem primären Ziel einer Steigerung der Impfquote auch jenes eines (eher langfristigen) Ausbaus unserer Spitalskapazitäten ins Auge fassen, um zukünftigen Wellen als Gesellschaft besser standhalten zu können. Und hier kommt sogleich die Frage der Finanzierung dieses Ausbaus aufs Tapet, und wie eine solche Finanzierung sozial gerecht angegangen werden könnte.

Eine Möglichkeit, Mittel für die Finanzierung einer Ausweitung unserer Spitalskapazitäten aufzustellen, wäre die Arbeitnehmer-Krankenversicherungsbeiträge für ungeimpfte Erwachsene um einen gewissen Prozentsatz in Vergleich zu geimpften Personen anzuheben. Damit wäre ein Lösungsansatz für gleich mehrere Probleme geschaffen: Einerseits die Finanzierung einer generellen Aufstockung unseres Gesundheitsbudgets als auch gleich die Frage, wer in unserer Gesellschaft für die Aufstockung dieser Mittel letztlich aufkommen soll. Und nach dem Verursacherprinzip sollten hierbei in erster Linie jene Menschen in die Pflicht genommen werden, die aufgrund ihrer ablehnenden Haltung zur Impfung für eine vermeidbare Überbeanspruchung unserer Gesundheitskapazitäten sorgen, und damit nicht zuletzt auch jenen schaden, die geimpft sind oder sich aus handfesten gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen können.

Anreize womöglich nachhaltiger und effektiver als gesetzliche Vorschreibungen

Als angenehmer Nebeneffekt einer solchen Maßnahme würden hierdurch vor allem auch wirklich nachhaltige Anreize zur Impfung geschaffen, ohne den Menschen mit gesetzlichen Vorschriften die persönliche Entscheidungsfreiheit über die Impfung zu nehmen. Nach den Erkenntnissen der Psychologie und Ökonomie sollten Anreize immer das erste Mittel der Wahl sein, wenn es darum geht, sozial adäquates Verhalten herzustellen.

Zu dieser Entscheidungsfreiheit zählt dann natürlich auch, die Konsequenzen einer persönlichen Entscheidung gegen die Impfung (ohne handfester medizinischer Begründung, wohlgemerkt) in Form der höheren Kosten der Spitalsbehandlung bei schweren Covid Verläufen zu übernehmen. Auf diesem Weg bliebe uns vielleicht ein juristisch durchaus riskanter Showdown im Frühjahr erspart, während gleichzeitig nachhaltige Anreize für die Impfung geschaffen (und im Sinn zukünftig zu erwartender Wellen auch erhalten) werden.

Mehr dazu: https://www.derstandard.at/story/2000131994727/welche-rechtlichen-argumente-sprechen-gegen-die-impfpflicht